Dienstag, 23. März 2010

ru24: History 7: Gefunden & Verloren, Teil II (1985)


Köln bei Nacht 2
Originally uploaded by Gernot Poetsch
Nachdem ich also an diesem Tag (Blogbeitrag) über 33% meines Gesamtkarmas verballert hatte, verlief das Treffen mit der reizenden Urlaubsbekanntschaft Ilka ziemlich mau, vorsichtig gesagt. Urlaub und Realität sind unterschiedliche Orte. Abends war ich einfach nur froh, den Heimweg antreten zu können. Ich schaute bei Ilka noch in den Straßenatlas ihres Vaters, versuchte mir den Rückweg einzuprägen, heraus aus dem Moloch Köln. Unsere Verabschiedungen beinhalteten keine Wir-bleiben-in-Kontakt-Formeln.

Mit meinem haselbraunmetallicfarbenen Opel Kadett D machte ich mich auf den Heimweg.
Dass Innerorts in Köln 80 km/h gefahren wird, schockierte mich ebenso wie die Tatsache, dass man Land-Eier mit GM-Nummernschild einfach abdrängte - besorgniserregend!
Nach nicht einmal 5 Minuten war ich im Moloch Köln verloren gegangen.

Ich fuhr von Tankstelle zu Tankstelle und fragte nach dem Weg. Gemäß dieser rund ein Dutzend Weisungen irrlichtete, mäanderte ich durchs Kölner Stadtgebiet.
Kein einziges Schild wies in eine mir nur vage bekannte Richtung!
Meine anfängliche Irritation wich Besorgnis.
Die Stadtteile derweil wurden finsterer, menschenleerer. Kaltes Licht weniger intakter Laternen brach sich im regenfeuchten Asphalt, als ich eine spartanisch illuminierte BP ansteuerte, eine tranfunzelde Insel inmitten stygischer Finsternis. Ich betrat den Verkaufsraum - palim! Links an der Wand standen 5 Stühle, darauf saßen 5 bekopftuchte Türkinnen mit Körbchen auf dem Schoß und strickten. Keine von ihnen schaute auf. Zum Klappern der 10 Nadeln brabbelte im Hintergrund ein Fernseher. Hinter dem Verkaufstresen stand ein etwa 50-jähriger Türke. Ich grüßte freundlich und sagte mein Sprüchlein auf von wegen "Richtung Wuppertal" und so. Der Mann schaute durch mich hindurch, regte sich nicht, schien mich nicht einmal zu ignorieren. Ich glaube, er hat nicht einmal gezwinkert.
Ich floh diesen Ort.
Meine anfängliche Besorgnis wich Verzweiflung.
Urbanes Schwarz hüllte mich ein wie ein Grabtuch.
Ich fuhr und fuhr und fuhr, angetrieben von bleihaltigem Normalbenzin und dem drängenden Wunsch, irgendwann mal wieder zu Hause zu sein. Später, viel später entdeckte ich ein blaues Autobahnschild in Richtung Gummersbach, ein elender Ort zwar, diese meine entlegene Kreisstadt (daher das GM auf meinem Kennzeichen), mindestens eine Stunde Fahrtzeit von meinem Zuhause entfernt, aber allemal besser, als gänzlich verlorenzugehen.

Ich fuhr über 60 km nach Gummersbach, von da aus 35 km über Land durch Marienheide, Wipperfürth und Hückeswagen zurück nach Hause.
Als ich aus dem Wagen ausstieg, zitterten meine Knie, doch: Oh, süße Heimat - es roch leicht nach Gülle und feuchtem Grün!
Land-Ei war wieder zu Hause.

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