Mittwoch, 31. Juli 2013

Vatter 2: Heiliger Zorn

http://goo.gl/AHglyH
De Vatter sammelte Briefmarken. In den 80ern waren alle paar Wochen Briefe mit den Neuerscheinungen in der Post. De Vatter nahm dann Alben, Lupe und Pinzette zur Hand und sortierte am Wohnzimmertisch sitzend de Marken ein. Seine Sammlung "postfrischer" Briefmarken der BRD war lückenlos (hier).
Irgendwie hatte er "im Hinterkopf gehabt" (seine Redewendung), dass das Sammeln von Briefmarken nicht nur beschäftigt, bildet und beruhigt, sondern auch als Geldanlage "irgendwie rockt" (er wird es anders formuliert haben).
Eines Tages beschloß de Vatter, das zu prüfen. Er nahm den Taschenrechner zur Hand und addierte in buchstäblicher Kleinstarbeit seine postfrischen Marken auf. Nach Stunden, Tagen kam er auf so etwas wie 2.207,85 DM.
Mit den Alben in einer großen Tüte fuhr er in ein Spezialgeschäft für Numismatiker (Münzsammler) und Philatelie (Briefmarkensammeln).
Der Ladeninhaber blätterte die ihm zum Kauf offerierten Alben mit gekonntem Desinteresse und in Teilen professionell angewidert durch und bot meinem Vater dann aus "reinem Gutmenschentum" 600,00 DM.
Dem Vatter schwoll 'ne Ader. Er sammelte seine Kleinodien etwas überhastet ein und verließ knappen Grußes recht steifbeinig das Etablissement.
Zu Hause angekommen überfiel ihn ob dieser vermeintlichen "Geldanlage" sein berühmter "Heiliger Zorn". Er kündigte das Sammler-Abonnement und klebte von nun an (bis zum 01.07.2002) hoch-exotische Briefmarken auf jede noch so banale Korrespondenz - weil er es konnte. Oft waren zwei Marken und eine leichte Überfrankierung nötig, um den aktuellen Frankaturwert zu erreichen, hier trafen sich "Kirchentag 1967 in Hannover" und der "100. Geburtstag von Joachim Ringelnatz" (1983) zu einer zornigen Collage, um an einem Prisma-Kreuzworträtsel-Wettbewerb teilzunehmen.
Die einst so vollständige Sammlung ist nun ein Leerdammer.

Manchmal, wenn mich "Heiliger Zorn" überfällt, dann weiß ich, von wem ich das habe.


Donnerstag, 25. Juli 2013

George [500. Blogbeitrag - Jubilate!!!]

http://goo.gl/SYYZDo
Das so called "Royal Baby" ist ja die Sensation des Sommer-Lochs. Wen interessiert schon ernstlich die systematische Ausspähung der Weltbürger durch NSA & Co.?
Sascha Lobo fasst diesen Umstand auf Twitter treffend zusammen:
"Google fotografiert bald Fassaden."
Volk: Apokalypse! Mindestens! –
"Ihr steht alle unter Totalüberwachung."
Volk: Oooh, ein Königsbaby.
Leute sind Idioten.
Und tatsächlich gibt es leider nichts lähmend Langweiligeres als anderer Leute Babys: Spucke, Kaka, scheeler Blick, zermürbendes Geschrei, wenn man Glück hat viel Schlaf. Wäre ein richtiger Mensch ein Buch, dann wäre ein Neugeborenes bestenfalls ein an drei Stellen unleserlich bekritzelter DIN-A6-Einkaufszettel.
Dieser schlichten Tatsache zum Trotz haben wochenlang Hilfs-Schergen der britischen Skandalpresse ebenso wie auch bucklige Untertanen vor dem St Mary's Hospital in Paddington ausgeharrt, in dem et Kate ihr Kindelein gebären sollte.
Dann war es endlich so weit: "Hochschwangere" (Gottogott) Kate rein ins Hospital, warten, warten, Stern von Bethlehem etc., etc., geschlechtsloses Kind da, ganz große Sache! Dann wurde das Geschlecht des Kindes bestimmt. La-la-la. Die Ausharrenden aßen drei bis vier Snickers - falls es mal wieder etwas länger dauert. Im Hospital wurde ein Geschlechtsbestimmungs-Dokument aufgesetzt, ratifiziert, gerollt, versiegelt, ein reitender Bote zum Buckingham-Palast geschickt, Füße abtreten, durch 450 Gangmeter laufen, wieder Füße abtreten, vor der Queen auf den Boden werfen, Dokument überreichen, warten. Die Queen legt urst huldvoll Zepter und Reichsapfel beiseite, nimmt das Pergament entgegen, bricht das Siegel, entrollt das Schreiben, liest, verharrt, begreift, zuletzt nickt sie. Der Bote verläßt mit 32 Kratzfüßen rückwärts den Audienzsaal, rennt durch 450 Gangmeter, springt auf seinen Nobelgaul, reitet zurück zum St Marys. Stau. Diverse rote Ampeln. Angekommen, abgespungen. Der Pöbel läuft zusammen, auf dem Boden rascheln Snickers-Papierchen wie Herbstlaub, die Menge umdrängt den Atemlosen.
"Es ist ein Junge!", haucht der Berittene.
Aufbrandender Jubel!
Später: "Tiefschwangere" Kate verläßt im Regen mit dem Winz-Tronfolger das Hospital.
Ganz, ganz, ganz großes Kino!!!
Nun leakte das Königshaus Tage später auch noch zu allem Überfluss den Namen des royalen Zwergen: George.
Herrgott!
Puh.
Genug des Wirbels um Prinz George. Von mir aus ist jetzt erst mal 16 bis 17 Jahre Sendepause. Und dann kann die "Sun" oder ein anderes Drecksblatt die britische Nation und die Welt darüber informieren, dass George, Gina & Lucy gleichzeitig miteinander im Bett waren.
Aber bitte erst dann.


P.S.: Ich möchte ernstlich die Wörter "Thron" und "Szepter" wieder so schreiben, wie ich es gelernt habe und nicht "Tron" (ist ein Disney-Film) und "Zepter" - bäh!


Samstag, 20. Juli 2013

Ein Leben in vollen Zügen II

http://goo.gl/lAhrM
Ach ja, die Bahn.
Fliegen und Auto kann doch jeder, aber mit der Bahn zeitnah am Ziel anzukommen, das ist eine der letzten Herausforderungen der Moderne. Machen wir uns nichts vor: Wer das Abenteuer sucht, der ist hier goldrichtig. Auch Blogger kommen arg auf ihre Kosten...
Folgendes kann zu eklatanten Verspätungen führen: Signalfehler, Triebkopfstörung, "Jahreszeit", Wildschaden*, allg. Unbill, Rangierfehler, ausgefallene Klimaanlage, Diebstahl von Kabeln oder "der Zonk". Die Probleme lassen sich im Laufe einer Zugfahrt beliebig aus der Schaffnermütze ziehen und so zu hoch signifikanten Verzögerungen auftürmen.
Doch selbst unser aller freundliches Zugpersonal scheint sich häufig selber nicht ganz klar zu sein, wohin der aktuelle Zug jetzt eigentlich genau fährt: "Meine Damen und Herren, herzlich willkommen im Zug nach..." (es folgt an dieser Stelle eine gefühlt mehrminütige Pause, in der man, sofern man nur bösartig genug ist, glaubt, leises Beraten über ein mögliches Reiseziel hören zu können.) "... Köln über..." (Erneut eine längere, hitzige Diskussion) "...Hannover, Bielefeld und Hamm. Unser Zug hat Berlin mit einer Verspätung von 25 Minuten verlassen. Grund dafür war..." (weiteres Raunen) "...ein kaputter Zug." (Gastbeitrag von Matthias Klesse - toll!)
Weitere Hürden für Reisende:
1) Umgekehrte Wagenreihung: Schweinchen Schlau weiß (laut "Wagenstandsanzeiger"), dass es bei Buchstaben F am Bahnsteig warten muss. Da kommt die Durchsage, dass der Zug in "umgekehrter Wagenreihung" einläuft. Klartext: Jeder steht falsch (also spiegelverkehrt) am Bahnsteig. Helau! Die anschließenden Szenen beim Einfahren des Zugs haben etwas von einem barocken Schlachtengetümmel.
2) Zugteilung: Die "Zugteilung" ist der Blinddarm der DB. Wenn alles andere geklappt hat, dann wird eben der Zug, in dem man sitzt, "geteilt" - natürlich kauert man in der Hälfte, die in Richtung Sackbahnhof Pusemuckel unterwegs ist.
3) Zugteilung mit umgekehrter Wagenreihung: Der Blinddarmdurchbruch der DB - Besser geht's nicht! Da bleibt kein Wunsch unerfüllt und kein Auge trocken. Egal, wie sehr man am Bahnhof beim Einsteigen versucht, alles richtig zu machen, letztendlich hockt man GRUNDSÄTZLICH im falschen Zugteil - Richtung Sackbahnhof Pusemuckel.

Wie man das Ruder noch herumreißen kann
1) Reiseplanung 1: Es sollte quasi egal sein, wann man am Ziel ankommt. Eine zeitliche Punktlandung mit der Bahn ist ohnehin wie ein 4-er im Lotto. Sagt den Menschen, die ihr besucht: "Wir kommen irgendwann Samstag und wir nehmen ein Taxi zu euch." Denn wenn es eh egal ist, wann man ankommt, dann kann man sich bei jeder weiteren Verzögerung kichernd zurücklehnen und wieder zum Buch greifen, während alle anderen im Abteil hektisch in ihre Handys plappern: "WÄWÄWÄ!!! Wir kommen nochmal 20 Minuten später!"
2) Reiseplanung 2: Keinesfalls sollte man umsteigen müssen. Man sollte sich schon im klaren sein, dass der Zug, in den man umsteigen müsste, unwiederbringlich abgefahren ist. Zweimal umsteigen wäre blanker Wahnsinn.
3) Reiseplanung 3: Sitzplatzreservierung ist das A und O. Man sollte immer, immer, immer einen Sitzplatz reservieren. Wer mal eine vierstündige Zugfahrt auf dem Gang zugebracht hat, weiß solches zu schätzen. Und im Falle des "geteilten Zuges" sitzt man ganz automatisch im richtigen Teil.
4) Vor der Abfahrt 1: Checkt das Internet. Die Bahn hat nämlich viel Humor: Gibt man bei der Ticketbestellung seine Handynummer an, bekommt man für die Hinfahrt eine SMS, dass der Zug sieben Minuten Verspätung hat. Bei der Rückfahrt ist der Zug einfach "aus Gründen" (Überschwemmung der deutschen Ostgebiete) eine Stunde früher abgefahren, dazu gab's dann keine SMS. Sicher, sicher.
5) Vor der Abfahrt 2: Wenn man am Bahnhof ankommt, sollte man immer, immer, immer auf elektronische Anzeigen schauen, wann & wo der Zug tatsächlich einfährt. Was auf dem Ticket steht, ist ach so oft nur Schall und Rauch, Blendwerk für Narren und Unerfahrene. Da wird das Warten auf den Zug schnell ein "Warten auf Godot".
6) Sitzt man im falschen Zugteil eines Zuges, der vor der "Teilung" steht, geht man im Inneren des Zuges bis zum letzten Wagen des eigenen Zugteils, um dann, wenn der Zug hält, mal eben über den Bahnsteig die 20 m zum anderen Zugteil herüberzuhuschen und sofort in die nächste sich bietende Tür einzusteigen. Wenn man es anders macht, geht es schief!

Läuft! :)


*) "Wildschaden" ist ein Euphemismus für "Huch, wir haben gerade "eine größere biologische Einheit" überfahren, de Krippo soll ma am Zuch mitm Schnelltest kucken, ob et Wildschwein, Suizidaler oder Wookie war!" Sind lustige, bunte Streifen am ICE, dann war's ein Clown.


Freitag, 19. Juli 2013

Haarige Zeiten

http://goo.gl/F02A2
Als Kind machte ich mir über Haare erstmal keine Gedanken, sie waren eben da und gut war es. Ich hatte indes eine Mutter, die Naturkrause "ganz herrlich" fand und ihren beiden Jungs die Haare so aufbürstete, dass sie auf Herrentoiletten von fremden Männern für Mädchen gehalten wurden. Wenn man als Bub die Haare hat wie ein frisch im Hundesalon aufgerüschter Thomas Gottschalk, dann kann das zum Problem werden. Eine Zeitlang schnitt ich mir die Haare mit der Küchenschere selbst, killte einfach alles auf meinem Kopf, was sich auch nur ein bisschen lockte. Unterm Strich sah das vermutlich auch nicht seltsamer aus als "aufgepudelt", nur halt das andere Extrem.
Mutter stellte ihr entstellendes Tun ein - Strike!

Als Jugendlicher (1983 ff.) trug ich meine Locken à la "Kommunarde", es ging schon ein ganz klein wenig in Richtung Rainer Langhans... aber hey! Das waren die 80er! Kumpel Gene, der früher gerne allerlei mit seinen Haaren unternahm (Eiweiss, Seife, Gel, Lack usw.) befand eines Tages, auch ich könnte mal so etwas wie eine "Frisur" vertragen. "Aber et geht doch nich!", sagte ich, wohl wissend, dass bei diesen Haaren jede Liebesmüh vergeblich sein würde. "Quatsch!", sagte er und legte los, "etwas" mit meinem Haupthaar zu veranstalten, ins Spiel kamen Eiweiß, Seife, Gel, Lack, Föhn und Kreppeisen. Eine Stunde später roch es ein bissi verbrannt und ich hatte ein Michael-Jackson-Frisürken, welches definitiv nicht gewollt gewesen war.
Ich wurde auf Haistyling nie mehr angesprochen.
Nix Jugendkultur, weil: Et ging doch einfach nich!

Als junger Erwachsener lief es ganz gut - gemessen an meinem Vater auf jeden Fall. Auf dessen Führerscheinfoto von 1943, das ihn 17-jährig zeigte, war sein Pony schon auf der Kopfmitte angekommen. [Diesen grauen Lappen mit recht unpopulär gewordenen Stempeln auf der Innenseite, zeigte er bis ins neue Jahrtausend hinein blinzelnden Verkehrspolizisten.] Ich trug die Haare rappelkurz (Blogbeitrag), die Jahreszeiten flogen nur so dahin, bis ich eines Tages in den Regen hinaustrat und ein Tropfen direkt auf meine Kopfhaut durchrauschte - mein einst prachtvolles Haupthaar hatte überraschend seine Mützenfunktion eingebüßt! Meine Stammfriseurin, die seit jeher unter dem Zwang stand, mir aus unerfindlichen Gründen nach dem Haareschneiden immer meinen Hinterkopf zu zeigen, beruhigte mich aber zu dem Thema - "alles gut"!
Tatsächlich konnte ich nun nach all der Zeit auch mal Gel benutzen, es funktionierte jetzt, wo es "weniger" Haare waren, fast wie bei normalen Leuten!

Mit den 30ern wurden die Haare immer heller, es entstand ein Mischwald aus weißen, hellgrauen, dunkelgrauen und braunen Haaren, der sich im Laufe der Zeit zu Gunsten von "hell" veränderten. Blogbeitrag. Ich beschloß, mir die Haare schwarz zu färben. Aber: Was für ein Geraffel! Selbst bei weltbester Grauabdreckung hielt es nicht allzu lange. Eines Tages erwischte ich "schwarzblau", danach sah ich aus wie eine Manga-Figur, weil alle Haare, die nicht braun gewesen waren, nun königsblau waren - Muahahaha! Meine lieben Kolleginnen hatten gut Lachen.
Ich ließ die Färberei dann ganz.
Wegen der Regensache kaufte ich mir eine Kappe.

Mit 45 beschloß ich, eines Tages mit vollem Haar in Rente zu gehen.
Mit 46 teilte ich dieses unvorsichtigerweise auch meiner Friseurin mit. Die kuckte aber zu dem Thema mittlerweile etwas skeptischer. Sie hatte mein Haupt tatsächlich besser im Blick als ich.
"Na, da müssen S'e sich aber beeilen mit der Rente!", sagte sie nur.
Gottogott!
Und letztens hatte ich nen Müchenstich mitten aufm Kopf. Unglaublich!
Gottogott!
Bald kommt sicherlich der erste Sonnenbrand...
WÄWÄWÄ!!!

So vergeht der Ruhm der Welt.


Donnerstag, 18. Juli 2013

Berufsbild "Gangster-Rapper"

http://goo.gl/dFXsO
Ein Gangster-Rapper ist schon vom Job her ein finsterer Geselle.
An das Berufsbild "Gangster-Rapper" wird ähnlich wie an die Berufsbilder "Skandalrocker" (Blogbeitrag), "Diktator" oder "Hass-Prediger" eine ganze Reihe von Forderungen gestellt. Am besten sollte er aus miesen Verhältnissen kommen und mal im Knast gewesen sein. Mindestens irgend ein Anti-XXX-ismus sollte bedient werden, Schwulen- und Frauenfeindlichkeit sind Pflicht, Verbindungen zur Unterwelt sind Kür. Seine Alben sollten "Scheizz die Wand an" oder "Kokz & Nutten" heißen, dann bringen sie Platin. Seine mauen Reime sind da eher Nebensache, die sind ja eh irgendwo geklaut.
Und wenn der "Gangster-Rapper" seinen Job gut macht und immer fein die Boulevard-Medien mit allerlei Unappetitlichem bedient, dann laufen dem Bürgerschreck, dem Hass-Kasperle, dem Räuberhauptmann die selbsternannten Underdogs der Republik in Scharen hinterher - zumindest, wenn sie Bildungsverlierer sind.

"Wat is mitm Buschidoh?", könnte jetzt jemand fragen.
Machen wir die Probe:
1) Der Herr Bushido findet organisierte Kriminalität total OK (Link). Also Gangster: CHECK!
2) Rappt es? Angeblich rappt es wohl auch. CHECK!
3) Bürgerschreckt es? De Wowe, Claudia Roth und Olli Pocher können da aktuell en Lied von singen (Link). CHECK!
Also, man kann sagen was man will, bis auf die Bambi-Verleihung in 2011 ("Vorbild für Integration" - Muahahaha!) macht Bushido als Gangster-Rapper einen recht soliden Job.
Nur: Ein "Asi mit Niwoh" ist er nicht.
Der Letzte seiner Art war wohl Zeltinger (Link).


Oder, um es hochgradig elegant auf den Punkt zu bringen:
"Bushido hat Angst, sein ungeborenes Kind könnte schwul werden. Ich habe Angst, meines könnte ein asoziales, rappendes Arschloch werden.", @Szenebezirk, Twitter


Dienstag, 16. Juli 2013

Ein Leben in vollen Zügen

Kleiner Leitfaden zum Bahnfahren mit der DB, Bahnticket und Sitzplatzreservierung liegen vor

Frage 1:
An welchem Bahnsteig hält mein Zug?
Antwort: Das prüfe man am Bahnhof an dem großen Abfahrts-Poster. An der Stelle, die einen interessiert, hat ein Minderbemittelter mit einem 18 mm breiten Edding „FRZ“ (kurz für „Furz“) oder „DBL“ (für „debil“) draufgekrakelt.

Frage 2: Das Poster fehlt, ist unleserlich oder ich kann es nicht finden. Kann man am Bahnhof jemanden fragen?
Antwort: Besser nicht.

Frage 3: Es liegt an der Aufregung. Kann man am Bahnhof mal müssen?
Antwort: Man kann, sollte aber nicht.

Frage 4: Wo am Bahnsteig hält mein Waggon?
Antwort: Am Bahnsteig gibt’s ein Infoposter, den sogenannten Wagenstandsanzeiger. Man stelle sich mit seinem Koffer am zum Wagen passenden Buchstaben A bis F auf dem Bahnsteig parat und harre der Dinge die da kommen.

Frage 5: Worüber klärt mich die völlig unverständliche, mit Sprachfehler und Dialekt vorgetragene Durchsage auf?
Antwort: Darüber, dass die Lautsprecherboxen mit Taubenscheiße verklebt sind.

Frage 6: Klappt wenigstens das mit dem Wagenstandsanzeiger?
Antwort: Nein. Der Waggon, den man besteigen möchte, hält aber keine 200 m vom Wartenden entfernt. Dann wuchte man sein Gepäck zu den Menschentrauben: Da knubbeln sich bereits die Reisenden, die keine Ahnung von der Existenz solcher Exotika wie Wagenstandsanzeigern hatten und somit natürlich näher an dem betreffenden Wagen stehen, als die, die zu schlau waren.

Frage 7: Steige ich mit Sitzplatz Nummer X auf der rechten oder linken Seite des Waggons ein?
Antwort: Egal. Wie man sich auch entscheidet: Auf der anderen Seite einzusteigen wäre weitaus günstiger gewesen. Man quetsche sich also einmal komplett durch die gesamte Länge eines vollen Wagens, in dem Menschen ihre Koffer, Kinder, Partner und Hunde verstauen oder darauf warten, dass ihr Vordermann seine Koffer, Kinder, Partner und Hunde denn dereinst einmal verstauen möge. Man hat somit viel Zeit, der Blick irrt zur Nummerierung der Sitzplätze: doch ach!

Frage 8: Wo the fuck ist überhaupt mein reservierter Sitzplatz?
Antwort: Keine Ahnung. Die Nummerierung der Sitzplätze im Inneren eines ICE ist so erratisch, dass man es kaum für möglich hält! (Link)

Frage 9: Die machen das doch mit Absicht, oder?
Antwort: Es sieht ein wenig danach aus.

Frage 10: Erwische ich meinen Anschlusszug?
Antwort: Auf keinen Fall.

Frage 11: Wie lange müssen die Leute warten, die mich am Bahnhof abholen wollen?
Antwort: 10 Minuten länger, als sie gute Laune haben.


Fazit: Es ist wie mit der großen Portion Köttbullar bei IKEA. Man hat Bock drauf, aber wenn man einen Teller davon auf hat, denkt man, man könnte nie wieder einen essen.
Bis zum nächsten mal.


Freitag, 12. Juli 2013

Chili - Wohin mit der weltweiten Überproduktion?

Zurzeit scheint Chili "the next big thing" zu sein. Wieder einmal gibt es wohl nur eine Frage: Wohin mit der "plötzlichen" (haha!) weltweiten Überproduktion? Och, machen wir es wie immer, wir packen es mal überall rein und schauen, was passiert.
Gesagt, getan.
Kaum eine 5-Minuten-Terrine kommt noch ohne flammenspeienden-Comic-Cowbow drauf aus, Amazon verkauft abwegig über-scharfe Chili-Saußen, die sich Spätpubertierende gegenseitig als Mutprobe auf die Currywurst träufeln können (ansehen). Ernstlich wird tatsächlich sogar Chili-Honig angeboten (hier) und selbst der urst hochfeine Chocolatier Lindt geht mit dem Trend und bringt völlig absurde Sorten wie "Lindt Edelbitter Mousse Sauerkirsch-Chili" (Link) auf einen Markt, dessen Magen-Darm-Trakt wohl noch ein bissi mehr aushält. Da ist es ja dann bis zum Chili-Duschgel, das Morgenmuffeln mal so richtig Feuer im Hintern macht, nicht mehr weit: "Fa Men Black Sun Dragonfruit & Red Chili Duschgel" (Link) (mein Dank an Kollegin Tanja E. fürs Entdecken).
Über-Rätselhaft.


Dienstag, 9. Juli 2013

Brötchen aus altem Getreide (2009)


Bäckerei am Abend
Originally uploaded by Libär
Letztens war ich in einer Bäckerei. Das zumindest ist der Euphemismus ("Schönfärbewort") für den Laden, der eigentlich nur ein "Industrie-Rohling-Aufback-Shop" ist, der sich noch zu allem Überfluss im OBI-Markt Wermelskirchen eingezeckt hat.
Dort gab es nicht einmal Kürbiskernbrötchen, man stelle sich das einmal vor!
Stattdessen werden irgendwelche Frauen angelernt, Industrie-Rohlinge, die aussehen wie blasse Maden, in einen Ofen zu stecken und aufzubacken, bis es piepst. Ganz große Sache! Das kann man mit Knack & Back auch zu einem Viertel des Preises zu Hause haben. Leider bin ich schreckhaft und fürchte mich immer zuckenden Auges und bebender Wange vor dem Moment, an dem das Verpackungs-Rohr mit den Brötchen aufpoppt. Eines Tage bekomme ich noch mal einen Herzriss vom Knacken & Backen.
Sei's drum: so genannte "Bäckereien", in denen es nicht einmal Kürbiskernbrötchen gibt, sollten es quick & dirty mit einer Abrissbirne zu tun bekommen. Eröffnen sollte dort – auferstanden aus Ruinen – eine richtige, altmodische Bäckerei. Ein lichtdurchfluteter Ort, wo mit echtem Mehl (!) gebacken wird und wo es auch Kürbiskernbrötchen gibt, am liebsten mit im Boden eingebackenen Sonnenblumenkernen. Und einen richtigen Bäcker soll es dort geben, mit einer schwarzweiß karierten Hose, weißem T-Shirt und einer weißen Mütze, dessen Händedruck mit Leichtigkeit Mittelhandknochen zermalmt. Auch darf eine liebliche, rothaarige Bäckerstochter dort ein wenig kokett herumscharwenzeln und ggf. an einem Lutscher lutschen, wenn ihr der Sinn danach steht.
Jetzt war ich aber schon einmal in dieser zum Shop degenerierten Bäckerei, ich wippte ein wenig auf den Fersen und blies angesichts des REIN AUF VOLUMENS getrimmten Angebots fragend die Wangen auf. Hier gab es titanische Muzen und elefantöse Puddingbretzeln, gigantische Krapfen und megalomanische Berliner mit Zuckerguss in Leuchtfarben. Die blonde Aufbäckerin aber war gottlob freundlich und hilfsbereit, sie kannte mein Problem sicher schon. Sie empfahl mir als Alternative zu den Kürbiskernbrötchen ein Dinkelbrötchen mit dem Zusatz: "Dinkel, das ist eine alte Getreideart". Hört, hört. Das ist ja fast wie bei Spinat, das ist eine alte Gemüseart! Oder wie bei Apfel, das ist eine alte Obstart! Ich nahm zwei dieser kissenartig aufgeblähten, dunkelbraunen Brötchen mit Körnern aus altem Getreide oben drauf – ein schrecklicher Fehler. In der Firma angekommen nahm ich den Binford-Trennschleifer zur Hand, trennte die Backlinge angetan mit Splitterschutzweste und Schutzbrille auf, strich dann Butter und Marmelade darauf. Die Brötchenhälften schnitten mir beim Reinbeißen in die Mundwinkel, die auf dem Brötchen festgebackenen Körner gaben mir während des Kauens ein Gefühl, als würde ich auf einer Handvoll Lego herummalmen. Nur irgendwie härter. Ich aß die Teile auf, man muss schließlich an hungernde Waisenkinder in aller Welt denken, bevor man solche sog. Nahrungsmittel ihrer tatsächlichen Verwendung zuführt: Türen damit abschleifen.
Vier Tage später waren meine Mundwinkel noch nicht verheilt, Fremde sprachen mich auf der Straße darauf an.
Kollege Raimund berichtete mir, auch ihm sei Ähnliches schon vor Jahren beim Zivildienst widerfahren, sein ganz privates "Nahtoderlebnis mit einem Körnerbrötchen".
Das alles ist nicht so schön.

Aufgepasst ihr Abrissbirnen: Es gibt viel zu tun – packen wir's an!


Sonntag, 7. Juli 2013

Sonntagmorgen in Wuppertal

http://goo.gl/VHcHT
Sonntagmorgen in Wuppertal.
Et is herrlich, de Sonne scheint, Bombenwetter.
Um 9.00 Uhr verläßt der Jäger das Haus, um Brötchen zu jagen.
Das geht fix, easy hin, easy rein, easy wieder zurück! Rein in den Smart und los!
Nur schade, dass der bekackte Bäcker gar nicht auf hat an diesem Sonntag. Toll, sowas muss man sich als Bäcker erst mal leisten können.
Was für ein Penner!
Also zum Plan-B-Bäcker. Nach 100 m gerate ich an eine Straßensperre. Is klar. Tsts! Die Wuppertaler! Ich wende. Der gewiefte Jäger kennt ja auch die Schleichwege, also, ums Eck, Haken geschlagen, nochmal ums Eck und... Straßensperre. Wuppertal, Wuppertal! Gewendet, Haken geschlagen, ganz anderen Weg, Ampel, Ampel, übern Berg, hintenrum zurück, geparkt. 400 m zum Bäcker gelaufen, indes: Der Voll-Kack-Bäcker Myska muss Sonntags also auch nicht aufhaben, sicherlich aus Gründen. Mittlerweile dürfte die Liebste daheim auf den Jäger des Hauses fluchen und mit einem rasch erkaltenden Milchkaffee vor einem leeren Tellerchen seiner Rückkehr harren.
Der Jäger ruft zu Hause an: "Et gibbt nix, ich bin aber dran! In jedem Dreckskaff gibts 'nen Bäcker mit Sonntagsöffnung [ich denke dabei an meine Heimatstadt] nur hier nicht!", die Liebste seufzt, wie nur Liebste es tun.
Eine Passantin schleppt ein Blech Backwaren am telefonierenden Jäger vorbei, ihn durch ihre bloße Anwesenheit mit Hohn und Spott zu überziehen.
Der Jäger beendet harsch das Gespräch.
"Gibt es in Wuppertal IRGENDWO einen Bäcker, der Sonntags auf hat?", blafft der Jäger überraschend genervt der ihm unbekannten Frau hinterher. Dass die Worte "bekacktes Dreckskaff" und "Scheißbäcker" nicht drin vorkommen, ist das letzte Zugeständnis an gesellschaftliche Konventionen. Eigentlich wäre die Frau eine leichte Beute mit ihrem Blech, geht es dem Jäger durch den Kopf...
"Ist sich Oppél, dorrt rrechts!", sagt die Frau, zeigt nach links und geht weiter.
"Ah! Danke."
Das Smartphone weiß et aber auch nich. Vielleicht "Hoppel?" Da muss ich ausgerechnet jetzt Frau Migrationshintergrund fragen! Nach einer Weile kommt die Google-App drauf: "Meinten Sie 'Oebel'?" Sicher, sicher... Ich renne den halben Kilometer zum Auto, fahre um den Pudding herum (natürlich incl. Ampel, Straßensperre, Ampel und weitere Umwege) - da kommt mir in der Einbahnstraße ein Bus entgegen, der langsam hinter einer zu Fuß gehenden Frau her fährt. Die überaus verwegen heimblondierte Person im weißem Polohemd, 70er-Jahre Pilotenbrille und Cargo-Hosen winkt mich unfreundlich-hektisch zur Seite, ich halte sie erst mal für eine paramilitärische Parkraumbewirtschaftungs-Meduse. So eine ist ja wohl kaum weisungsbefugt, mich irgendwohin zu winken. Ich fahre trotzdem zur Seite, schon wegen dem Bus. Im rechten Außenspiegel sehe ich es dann: Auf der Rückseite des Shirts der Frau steht groß "Ordnungsamt" - na da steht's ja gut. Plötzlich wuselt es überall auf den Bürgersteigen von allerlei Jungvolk von THW, Polizei, Ordnungsamt incl. aller Warnwesten tragenden Schülerlotsen von ganz NRW, schlagartig ist es schwarz von Menschen. Nachdem Bus und Meduse fort sind, komme ich... TADAAA!!! ... an eine Straßensperre.
Hallo?
Fuck!
Wasn???
Ein Warnwesten-Brauseknilch winkt mich in die Winz-Gasse zur Rechten. Es reicht. Ich kurbele die Scheibe herunter.
"Ist das hier hier die scheiß Zombie-Apokalypse?", schreie ich.
"Schwebebahnlauf! Hier geht nichts mehr. Sie müssen umkehren!"
Grundgütiger!
'Schwebebahnlauf' - WTF???
Ich stelle den Smart irgendwie ab, laufe die 600 m zum Oebel, kaufe Brötchen, laufe zurück. In der Zwischenzeit hat man Wuppertal vollkommen abgedichtet. Hermetisch. Ich fahre los. Einbahnstraße, nur rechts abbiegen möglich, Einbahnstraße, ich stehe wieder an der gleichen Straßensperre wie eben. Brauseknilch winkt nach rechts. Habe ich was übersehen? Einbahnstraße, nur rechts abbiegen möglich, Einbahnstraße, ich stehe wieder an der Straßensperre. Brauseknilch winkt.
Hallo?
Fuck!
Wasn???
Es reicht schon wieder. Ich kurbele die Scheibe herunter. Frage das Warnwesten-Jüngelchen an der Winz-Gasse: "Wie zum Teufel soll ich denn aus der Nummer wieder rauskommen?"
"Oh, das weiß ich nicht, ich bin doch aus Düsseldorf!", sagt er.
Toll!!
Düsseldorf! Ja dann ist ja gut! Wenn er aus der scheiß Landeshauptstadt kommt, dann drehe ich doch glatt noch ein paar Dutzend Runden!
Aber irgendwann, nach vier weiteren Rundfahrten ummen Block, ist dann auch mal gut.
Help yourself. Klimaanlage nen Zacken höher gedreht. Ich fahre 50 m gegen eine Einbahnstraße, dann 400 m durch eine Fußgängerzone, dann 300 m über eine Busspur und voilá, da liegt es fast schon in Sichtweite, das gelobte Land, wo Milchkaffee und Squeeze-Flaschen-Sommerblüten-Honig fließen!
Wow.
Das waren jetzt mindestens 4 Punkte in Flensburg.
Die Liebste schließt mich in die Arme wie einen späten Kriegsheimkehrer, es lag wohl auch an ihrem Hunger.

"Fix, easy hin, easy rein, easy wieder zurück" hat an diesem Sonntagmorgen 75 Minuten gedauert.
Respekt, Wuppertal.


Montag, 1. Juli 2013

Döner bestellen

http://goo.gl/bu9pl
Ich betrete in Berlin einen mir fremden Imbiss mit Drehspieß im vor Fett fast blinden Schaufenster.
*palim-palim* bimmelt es.
Ich schaue vom Tresen aus zur Tafel über den Abzügen der Fritteusen und versuche mehreres gleichzeitig in Erfahrung zu bringen. Irgendwie schafft es der Südländer des Hauses, obwohl 20 cm kleiner als ich, sich zwischen mich und die Tafel zu schieben und mich glutäugig und stechendsten Blickes zu fixieren.
"Wolle?", fragt er.
Diese Einlassung trifft mich in mehrfacher Hinsicht unvorbereitet. Ist der Laden hier "ein Grieche" oder "ein Türke"? Ich werde den Teufel tun und beim Türken eine "Gyros Pita-Tasche" zu bestellen oder beim Griechen einen "Döner Kebab". Das ist zwar quasi alles das Selbe, aber da kommen mächtige griechisch-türkische Animositäten ins Spiel, aus denen ich mich lieber raushalte, bevor das Elektromesser unvermittelt in meine Richtung schwenkt und meiner einer am Drehspieß endet. Auch die Deko des Ladens gibt keinen Aufschluss: Es gibt weder Türkenfähnchen noch gerahmte griechische Schuldscheine. Aber:
Ein großer Geist wie Bählamm seiner
Ist nicht so ratlos, wie ein Kleiner
(heißt es schon bei Wilhelm Busch)
"Ich hätte gerne eine Brottasche mit Fleisch drin!", sage ich glattzüngig.
Was bin ich nur für ein Fuchs!
"Hä?"
War ja klar...
"Döner!", sage ich, bereit mich zu ducken. Allerdings: Wenn's in Berlin-Kreuzberg ist, ist es zu 99,7 % ein Türke.
"Ah! Mit scharf?"
Puh!
"Ne!"
"Wolle Hühn oda Rind?"
"Hühn!"
"Wolle mit Zwibbl?"
"Ne!"
"Hirr esse?"
"Nee!"
Der Imbissbudenbetreiber stellt die Befragung meiner Person ein und wendet sich, fremdartige Weisen summend, dem Fladenbrot zu, das in einem Kontaktgrill eingeklemmt wird. Nach einer Weile ist es fertig kontaktgegrillt, der Herr hat fertig gesummt und könnte nun theoretisch zur Tat schreiten. Doof nur, dass der Grillmeister die Ergebnisse seiner Kundenbefragung von vor zwei Minuten nicht mehr auf dem Schirm hat - das sprichwörtliche "Goldfischgedächtnis" - ein bei meinen Mitmenschen (incl. mir) um sich greifendes Phänomen!
"Wolle mit scharf?"
"Nä!"
"Wolle Hühn oda Rind?"
"Hühn!"
"Wolle mit Zwibbl?"
"Nix Zwibbl!"
"Hirr esse?"
"Nee-hee!"

Aber machen wir uns mal nix vor: Auch eine Doppelbefragung ist besser als das knapp dreiviertelstündige Verhör bei Subway über sich ergehen zu lassen. Angeblich sollen die ja ab Oktober auch Waterboarding bei den Kunden machen, um noch mehr Informationen aus ihnen herauszupressen.
Die Amis wieder.