Freitag, 11. April 2014

Grafikdesigner vs. Kunde

My new iMac
Grafikdesigner sind immer am Puls der Zeit – »Flat Design«: yeah!, Helvetica: Halleluja!, Arial: mopper!, Comic Sans: Augenkrebs!, Weißraum: wichtig!, responsive Design: aber sicher!, »Schriftarten mixen«: nur zwei aber bitte eine mit/eine ohne Serifen, usw.

Seltsamerweise haben Grafikdesigner fast immer »Kunden aus der Hölle«.
Und wenn man die Kunden fragt, haben die immer »Grafikdesigner aus der Hölle«.
Das ist doch komisch ...

Menschen, die digital fotografieren, oder auch schon mal etwas mit Grafik am PC gemacht haben, kennen Pixel. Ein Bild hat die Abmessungen von x mal y Pixel. Ein Bildschirm hat eine Auflösung von x mal y Pixel. Deshalb verwenden Grafikdesigner lieber die Einheit dpi (dots per inch). Das verunsichert und bleibt auch nach langatmigen Erklärungen für den Kunden unangenehm diffus, schafft Raum zur Einschüchterung. dpi, das ist, als würden deutsche Klempner noch mit der altägyptischen Königselle arbeiten und Schreiner mit Klafter – weil sie es können!
Der Kunde des Grafikdesigners hat von solchen Dingen keinen Schimmer. Der kennt bestenfalls »Pixel« und hat mal »in einem Blättchen« eine Werbeanzeige geschaltet, von der er irgendwo noch ein Bild rumfliegen hat – damals ging es doch auch! Und nur für den Fall, dass er »dpi« kennt: Der Grafikdesigner kann auch anders! Wie wäre es mit lpi (lines per inch)?
Einheiten, mit denen Normalsterbliche auch nichts anfangen können: (externer Link).

Männer kennen in etwa sieben Farben. Deshalb ist es auch ein echter Brüller, wenn der tumbe Nazi in der fünften Staffel von »Breaking Bad« die Farbe des Methylamphetamins nach einer Weile des Nachdenkens für alle überraschend als »eine Art türkis« bezeichnet. Frauen unterscheiden etwa 30 Farben (können sogar pink und rosa auseinander halten), siehe Grafik: (externer Link). Grafikdesigner bringen es auf 300 Farben, die sie erkennen und benennen können. Sie unterscheiden aus dem Stand »Ecru« von »Eierschale«, dito »Vandyckbraun« von »Taupe«. (Ich habe nachgefragt. »Taupe ist ein beigebraun, aber dunkler als ›Kamel‹« (Zitat). Sicher, sicher.)
Der Kunde des Grafikdesigners hat von solchen Feinheiten keinen Schimmer. Der ist farbenblind und hat sicher irgendwo hinter der Waschmaschinen im Keller noch ein Farbmuster rumfliegen. Damals, als er die Anzeige in dem Werbeblättchen geschaltet hat, ging es doch auch! Und nur für den Fall, dass er die angedachte Farbe korrekt benennen kann: Der Grafikdesigner kann auch anders! Und schon liegt der PANTONE-Farbfächer auf dem Tisch.

Normalsterbliche machen sich keine Vorstellung von der Arbeit von Grafikdesignern. Man kennt halt Word oder Paint. Man schreibt ein paar Wörter, macht mal hier, mal da einen Abstand größer, das war’s. Irgendwie steckt es in den Köpfen der Menschen, dass der Grafikdesigner das genau so macht, allerdings mit einem teuren Programm, vermutlich Photoshop. Aber weil er das ja hauptberuflich macht, geht das viel schneller, als wenn Hans & Franz sich damit versuchen. Also ist der Grafikdesigner nach fünf Minuten fertig, den Rest der berechneten Sunde surft er im Internet und treibt Schabernack auf Facebook.
Hallo? Der Kunde kann falscher gar nicht liegen! In Wirklichkeit ist es ganz anders! Der Grafikdesigner ist zwar tatsächlich nach fünf Minuten fertig. Dann vektorisiert er aber den ganzen Schmonzes mit Adobe Illustrator, vergrößert alles auf 1.000% und beginnt damit, die Serifen an den Buchstaben abzukanten und die i-Punkte auf Rundung zu prüfen. Hie und da wird ein Komma aufgeraut. Professionalität kostet nun einmal Zeit.

Kunden zahlen nicht gerne für Werbeanzeigen, sehen aber zähneknirschend deren Notwendigkeit ein. Dann soll aber auch nach Möglichkeit jeder Quadratzentimeter mit Information vollgequetscht sein, förmlich triefen. Deshalb nutzt man am besten auch das Innere von Os und Nullen! Und so ein quadratischer Barcode soll auch drauf, damit man den Anschluss an die Moderne nicht verliert!
Den Grafikdesigner verstört das. Er erklärt, wie wichtig »Weißraum« für die Wirkung ist. Und dass der potentielle Kunde des Kunden die Internetadresse www.lmaa.de wirklich selbst eingeben kann und dafür kein Gefummel mit einem QR-Code benötigt. Und außerdem sei die Webseite des Kunden ja nicht einmal »responsive«, will meinen »für mobile Endgeräte optimiert«.
Der Kunde kann sich jetzt entscheiden: Entweder, er schmeißt sein Geld für eine fast leere Werbeanzeige mit angeblicher »Wirkung« und ohne diesen Barcode heraus oder er besteht auf seinen Forderungen. Schließlich ist der Grafikdesigner ein gedungener Scherge!
Nach langem, zähen Ringen sind sowohl Kunde als auch Grafikdesigner hinreichend voneinander angewidert. Aber der Kunde hat sich durchgesetzt: Er hat seinen QR-Code auf die vor Informationen schier bersten wollende Anzeige bekommen, nur die Os und Nullen sind leider leer geblieben – so viel verschenkter Raum!
Vielleicht beim nächsten Mal ...