Donnerstag, 17. September 2015

ru24 Special: PARIS (von â bis z)

photo credit: Tour de Eiffel via photopin (license)

Ampel, Fußgänger-: Erscheint an der Fußgängerampel das grüne Männchen, dann laufen alle Einheimischen in hellen Scharen über die Straße. Beim roten Männchen ebenso.

Bäckereien: Der Boulanger ist auch im dritten Jahrtausend immer noch der Ort, an dem der Franzose seine Knüppelbrote ersteht. Die schleppt er dann bündelweise unterm Arm mit nach Hause, nicht aber, ohne schon an einem herumzunagen. Doch ach! Viele Boulanger sind schon lange eine „Boulangerie et patisserie artisanale“ (Beispiel), ein lichtdurchfluteter Back-Olymp der Herrlichkeiten!!! Hier geben sich Quiche, Eclairs, Macarons und unfassbare andere Leckereien ihr Stelldichein.
Dagegen sind „Butzenbacher Landbrot“ und „Nussecke“ echt finsterstes Mittelalter.

Französische Sprache: Data, der zweite Offizier des Raumschiffs Enterprise (Star Trek TNG), nennt sie „die obskure Sprache Französisch“ und wer wollte diesem messerscharfen Verstand widersprechen (außer Picard)? Wenn man in Paris Métro (U-Bahn) fährt und die geschrieben Stationen auf dem Stationsanzeiger mit dem vergleicht, was da als Station in den Lautsprecherdurchsagen genuschelt wird, dem fällt auf: Man multipliziere einfach die Anzahl der geschriebenen Silben mal „musche“ (sprich: wie in „Garage“). Also aus der Station „Denfert-Rochereau“ der Linie M6 wird die Ansage „musche-musche-musche“. Das verstehen dann wirklich nur Franzosen. Das Ohr des Franzmannes ist also per se aufs Obskure getrimmt. Was nimmt es Wunder, dass der wiederum Touristen nicht versteht, auch, wenn sie sich redlich bemühen mit dem Radebrechen? Der Grund ist, weil sie sich redlich bemühen! Wer also meint, vor seinem Frankreich-Urlaub unbedingt noch einen Sprachkurs belegen zu müssen, kann ruhig auch die VHS-Kurse „Niederländisch“ oder „Portugiesisch“ besuchen, gerne auch „Makramee“, ist eh Latte.

Gastronomie = Unmengen winziger Bistro-Tische dicht an dicht und doppelt so viele schmale Stühlchen. Hier kommt man schon kaum zu seinem Platz, wenn alles noch unbesetzt ist. Die Läden selbst sind zwischen März und Oktober oft leer, da die Kundschaft sich draußen auf den winzigen Sitzgelegenheiten entlang des Bürgersteiges herumdrückt. Hier lässt man sich gerne nieder, denn man wird gesehen und es ist ja auch immer was los: Es hupt und bremst und qualmt und quietscht und flucht. Preislich liegt quasi alles bis 0,25 Liter bei 4,80 €, außer heißer Milch, die kostet 4,20 €. Ist der Laden urst verkehrsgünstig gelegen, d.h., man kann von der Front des Bistros gleich auch noch eine Seitenstraße einsehen und/oder es kommt mit Pauken & Trompeten die Müllabfuhr, dann kostet der Milchkaffee in der ersten Reihe "premier smog" auch mal 5,20 €. In manchen Läden sind diese Plätze zudem ausschließlich für handverlesene Stammkundschaft reserviert.
Nachdem man dir dein einziges Getränk gebracht hat, lässt die Bedienung dich den Rest des Abends links liegen. Vorteil: Man kann einen billigen Abend Wange an Wange mit dem tosenden Straßenverkehr verbringen. Nachteil: Man verbringt einem billigen Abend Wange an Wange mit dem tosenden Straßenverkehr.
Wenn Raum gleichbedeutend ist mit Luxus, dann sind nach Geschlechtern getrennte Toiletten alberner Zierrat. Also gibt's für die Gäste und das Personal nur ein einziges Scheißhaus, eine Klobrille existiert nicht und Hygiene ist Kür, nicht Pflicht.

Hustler: Touristenmagneten ziehen Touris an und diese wiederum Hustler [eng.: Gauner, Abzocker, Falschspieler]. Von dem einen und von dem anderen gibt es in Paris eine ganze Menge. Wovor man sich in Acht nehmen sollte: Scharen von Romas, die versuchen, Gutgläubige zu einer Unterschrift zu bewegen (im Nachhinein hat man alles doppelt). Besonders am Montmartre bedrängen Gruppen von farbigen Herren Touristen, indem sie ihnen ungefragt Bändchen an den Zeigefinger flechten und dann dafür abkassieren. Das ist unangenehm und macht schlechte Laune. Entlang der Seine verfolgen einen Clowns, die einem ununterbrochen unangenehm ins Ohr pfeifen – WTF? Und auf dem Weg zwischen den Trödelmärkten von Saint Ouen treiben fliegende Händler (Stichwort "acht Uhren am Unterarm") und Hütchenspieler (ernstlich!) ihr Unwesen.
Ansonsten sollte man seine Wertsachen immer fein im Auge behalten.

Kaffee: Bestellt man „un café“, bekommt man einen Espresso. Wer einen „café crème“ bestellt, bekommt einen Milchkaffee. Den gibt’s in klein (hat Espressogröße) und groß (kleine Tasse). Einmal habe ich versucht, einen Filterkaffee mit Milch zu bestellen und bekam eine knallvolle Tasse schwarzen Kaffee und ein Kännchen kalte Milch dazu. Haha, ihr lustigen Franzosen! (weiterführender Link)

ÖPNV: Am besten holt man sich einen Wochenpass für die Öffentlichen, dazu benötigt man ein Passbild. Das bringt man am besten von zu Hause mit. Ansonsten gibt es ein bissi nach Pipi riechende Passbildautomaten, die einem in genuscheltem Französisch verklickern, was jetzt gerade mal nicht allzu biometrisch war am aktellen Versuch. Wenns mal wieder länger dauert: Snickers. Zur Anfertigung des Passes z.B. unten im Gare du Nord muss man eine halbe Stunde Schlange stehen, die Frau hinter dem Schalter ist eine Hardcorebürokratin -- aber dann lüppt es immer & überall mit dem Ticket.
Während deutsche Busfahrer warten, bis alle sitzen, drückt sein französisches Pendant sofort noch während des Einsteigens der Fahrgäste beherzt aufs Gas, sodass alle herumpurzeln, vor allem Deutsche, die gerade versuchen, ihr Portemonnaie zu verstauen.

Pariser: Den männlichen Bewohner von Paris erkennt man an der Baskenmütze, der Gitanes im Mundwinkel, dem Glas Pastis und am Akkordeon. Zumindest bis etwa 1950. Pariserinnen von heute sehen alle aus wie Sophie Marceau ("La Boum - die Fête"), die Haarlänge variiert. Leider sind die Bewohner der Hauptstadt nicht synchronisiert, sodass Kommunikation unmöglich ist.

Parks: Dem Franzmann ist es anscheinend erst Park, wenn es mindestens zwei Symmetrieachsen hat, Schnirkel-Schnörkel-Hecken, Golfrasen und diverse Springbrunnen, krustig von barockem Zierrat. Aus der Luft sieht das Ganze aus wie ein (idealerweise quadratisches) Ornament (hier). Müll, Vandalismus, Rasen-betreten-verboten-Betreter und grillende Ghule wie z.B. in Berlin sucht man auf diesen ondulierten & geföhnten Golfrasen-Naherholungs-Kacheln vergebens, dafür sorgt die konsequent durchgreifende Parkaufsicht.
Im Jardin du Luxembourg hat man all diese Pracht und Fülle indes auf die Spitze getrieben – hier gibt es zusätzlich zu allem Überfluss auch noch kostenlose (Liege)stühle, Teiche mit Enten, Boule- und Schachspieler, Mini-Segelboot-Verleih und Büdchen, die warme Quiche veräußern – c'est  bon!

Sehenswürdigkeiten:
Arc de Triomphe: Grundgütiger, das Teil ist so groß wie ein kleiner Mond! Was ich nicht wusste, ist, dass man da oben drauf herumlaufen kann, hier heißt es die 284 Stufen gegen eine grandiose Aussicht abzuwägen. Champs Elysées: Trotz des weithin bekannten Liedes gleichen Namens: Bitte weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen (außer Touris und mördermäßig überteuerte Läden). Disney Land Paris: Für alle, die im Ausland hauptsächlich zu McDonald’s gehen. Hier gibt’s sauberen, turbokapitalistischen Spaß für die ganze RTL-Familie. Eiffelturm: Mon dieu, rockt der! Das gute, alte Stück kann völlig kostenlos besucht werden, wenn man nicht hoch hinaus will. Und die Aussicht wäre ohnehin doof, Paris, so ganz ohne Eiffelturm… Zum Beginn der Dämmerung an den Champs du Mars (Marsfelder) mit diversen artisanalen Patisserieprodukten auf einer Parkbank zuerst der Beleuchtung und dann dem Funkeln des Riesen zu harren, das ist hoch-romantisch. „Stadt der Liebe“ at ist’s best! (Tipp vom frisch Verheirateten.) Louvre: Meine Herren! Schon von außen einschüchternd groß. Die Ausstellungsfläche beträgt 60.000 qm, das sind 15 Fußballfelder. Im Inneren kann man hartnäckige Verklumpungen von Menschen dabei beobachten, Selfies mit der Mona Lisa (einer überschätzten Renaissance-Dame) zu schießen. Marché aux puces in Saint Ouen (puce = Floh): Hierbei handelt es sich um einen, nur von Sa-Mo geöffneten, x Hektar großen (Hallen-)Trödelmarkt, hauptsächlich für Altes & Antikes. Wenn man es an den Hustlern, Hütchenspielern, fliegenden Händlern und arg ambulanten Maiskolbengrillern vorbei geschafft hat, eröffnen sich ungeahnte Wunderwelten. Hier gibt es alles: Von der original Elvis-LP bis hin zu ausgestopften Giraffen in diversen Größen. Auch wenn man nichts kauft: Sagenhaft! Notre Dame: Der Eintritt ist frei, wer allerdings schon einige größere sakrale Gemäuer von innen gesehen hat, findet hier wenig Überraschendes. Spaß macht die ziemlich laute Bandansage in zwölf Sprachen, man solle leise sein. Für 5,00 € kann man die Schatzkammer besichtigen: schon besser! Links am Gebäude endet die Ansteh-Schlange für die 402 (keuch!) Stufen zum Turm – leider ein Muss, schon wegen der berühmten Wasserspeier und des Ausblicks wegen. Père Lachaise: Dieser Friedhof ist „eine Oase der Ruhe, nicht nur der Letzten“ (lesenswerter Artikel) und er sprengt jede Dimension! Man sollte mindestens einen halben Tag dafür einplanen – wenn einem der Sinn nach solchem steht. Hier ruhen Chopin, Edith Piaf, Jim Morrison, Oscar Wilde, Sarah Bernhardt usw., aber: Ohne arg detaillierten Plan ist das die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Place de la Concorde: riesiges Brachland mit einem (1) ägyptischen Obelisken und zwei (2) Springbrunnen eingeklemmt zwischen den Tuilerien (dem Pariser Central Park) und den Champs Elysées. Sacré-Cœur de Montmartre: Sollte man schon wegen des „œ“ besuchen. Am Fuße des Bauwerks gibt es ein altes Karussell (sehr pittoresk), auf dem Weg den Berg hinan wird man hart von (siehe ->) Hustlern angegangen, Montmartre selbst ist sehr schön, leider touristisch völlig über-erschlossen. Versailles: Der Sonnenkönig wohnte urst pompös aber auch außerhalb: Das ist ein Tagesausflug.

Stoppschild: In Paris gibt es ganu so viele Stoppschilder wie Eiffeltürme, nämlich eins (1). Wer es schafft, das zu überfahren, der darf es behalten. (Link)

Straßen-Verkehr: In Paris ist kein Ort weiter als 500 m von einer U-Bahn-Station entfernt. Dennoch fahren die Pariser mit beachtlichen Mengen Motorrollern und verbeulten Autos mit mit Gaffer-Tape angeklebten Außenspiegeln in der Gegend herum. Sobald ein Fahrer einen Parkplatz findet, dann parkt er beherzt auf Gehör ein, auch, wenn das gar nicht nötig wäre, weil genügend Platz ist: der berüchtigte automobile "french kiss". Französische Autos sehen oft aus wie alte Golfbälle – nicht nur vorne und hinten.
Ein Faszinosum sind die riesigen Kreisverkehre der Städte: Sie sind gefühlt achtspurig, haben bis zu acht Zu- und Ausfahrten, dafür kommen sie ohne eine einzige Linie auf dem Asphalt aus. Das sich dem deutschen Touristen bietende Ballett aus tollkühnen Radfahrern, beherzten Moped-Piloten, wagemutigen Autofahrern und LKW-Schwerlast-Akrobaten ist Schwanensee in der praktischen Anwendung.
Passiert doch einmal ein Auffahrunfall, dann beschauen sich die beiden Monsieurs direkt vor Ort hoch entspannt das Malheur. Hat ihr verschrammtes Gefährt signifikant gelitten oder macht eine Beule mehr den Braten nun auch nicht mehr fett? Meist trennt man sich einvernehmlich.

Touristen: 30 Millionen von ihnen wimmeln jährlich durch Paris. Manchmal verfangen sich ihre Selfie-Sticks oder sie erzeugen aus der Ferne gesehen stachelschweinartige Strukturen mit ihren Selbstbildnis-Stangen (Abbildung). Zu einem großen Teil sind es hoch enthusiastische Asiaten, die versuchen, Selfies mit sich selbst vor [ALLEM] aufzunehmen (auch wenn ihr(e) Partner(in) daneben steht). Der Rest ist eine bunte Mischung aus südländischen Paaren ("sie" wabert mit Mörder-High-Heels über das Katzenkopfpflaster von Montmartre), erwachsene Disney-Enthusiasten mit Mickey-Ohrenmütze, die sich damit zum Vollhorst machen, Leute mit angeleinten Kindern und sonstige Vögel (moi).

Währung: Frühstück für zwei: 32,00 €, ein kleines Bier 4,80 €. Aufgemerkt: In Paris zahlt man mit dem französischen Euro. Dadurch wirkt vieles sehr teuer – eine Illusion.

Wohnen: Wer denkt, dass Wohnen in Köln teuer ist ("suche 4-Zimmer-Wohnung für bis zu 1.500,00 €"), der würde für die paar Piepen in der Stadt der Liebe vielleicht ein unrenoviertes Dachgeschosszimmer im 6. Stock (ohne Aufzug) eines Altbaus bekommen. Kalt.
Wen wundert's also: Wenn es sich nicht gerade um Gebäude mit Säulenportikus oder Boulevards handelt, ist Paris eng. Die Bürgersteige der Seitenstraßen sind schmal. Dort finden dennoch die Tische der beengten Bistros, schmalen Bars und winzigen Restaurants Platz, zudem Mülltonnen und Passanten in beide Richtungen. Der Pariser, der es gewohnt ist, schmal zu leben, tigert hier lässig übers Trottoir.

Zebrastreifen: Mehr Zebrastreifen als in Paris geht nicht. Leider sind sie ausschließlich Dekoration. Wenn du als Passant beim Überqueren der Straße (egal ob mit oder ohne Zebra-Deko) keinen Augenkontakt zum Heranrasenden hast: Lauf! Forrest! Lauf!


20 Dinge, die man als Tourist in Paris auf keinen Fall machen sollte (ext. Link)