Mittwoch, 28. April 2010

ru24 History 15: Hackethal soll sterben! (1987)

1987. In der Jahrgangsstufe des Theodor-Heuss-Gymnasiums Radevormwald (THG) hatte ich als Mitschüler einen (1) Heavy-Metal-Fan. Er trug ausschließlich tiefschwarze Stretch-Hosen und T-Shirts aus dunkler Materie mit Aufdrucken von Venom, Possessed, Slayer und Voivod. Seine Matte hätte Klingonen vor Neid erblassen lassen, ebenso aber auch sein überaus reizbares, cholerisches Temperament. Dieses ständige Zornbrüllen und Aufwallen war auch seinen Freunden und Bekannten irgendwann mal zu viel. Eine Handvoll Schwachköpfe beschlossen eines Tages, es dem Heavy-Cholerik-Metal mal "zu zeigen". Sie heckten den wenig perfiden und durchaus diskutablen Plan aus, dem Kerl mal "auf die Motorhaube seines Golf zu kacken".
Heiko P., der beeinflussbarste Mensch, den ich je traf, war geradezu ideal zur Durchführung des "Plans", schon nach kurzer Zeit stimmte er begeistert zu, derjenige zu sein, welcher...
Es wurde Abend, es dämmerte. Die Handvoll Rächer machte sich auf den Weg zum Wohnort des Metals, ein stilles Wohngebiet am Rand von Radevormwald. Während sich die Gruppe im Hintergrund hielt und durch Tannengrün schielte, tappte Heiko über den Bürgersteig, hielt immer wieder nach potentiellen Augenzeugen Ausschau. Vorsichtig kletterte er mit seinen Turnschuhen auf die Motorhaube, ließ die Hosen herunter, ging in die Hocke, presste...
In diesem Augenblick sprang ein Fenster an der Wohnung des Metals auf und die Mutter des Cholerikers schrie eine völlig unartikuliert wirkende Folge von Silben - als sei sie besessen!
Heiko floh panisch mit heruntergelassenen Hosen, die Anstifter machten sich aus dem Staub.

Am Ende waren sich auf jeden Fall alle einig, dass die besessene Metal-Mutter "Hackethal soll sterben!" gebrüllt hatte.
Die rätselhafte Sentenz erlangte zu dieser Zeit einige Berühmtheit und wurde sogar zu einem Lied einer lokalen Punk/Metal-Band verarbeitet, dessen Titel und Refrain natürlich "Hackethal soll sterben!" gelautet hatte.

Professor Julius Hackethal (1921-1997) (Link) hat von alledem nie etwas erfahren.


Dienstag, 27. April 2010

Auf ganz dünnem Eis

Sonntag in Köln, Sonnenschein, blauer Himmel von Horizont zu Horizont, Außenterasse im Café Reichard (Link), Blick auf den Dom, die besten Plätze. Meine Begleitung und ich sind begeistert! Unsere Lieblingskuchen kommen (sie: Zitronenbaiser, ich: Haustorte), ebenso die Kännchen Kaffee. Leichter Wind weht, eine Hummel braust vorbei.
In meinem Kopf spielt eine Cocktail-Jazz-Band "Girl from Ipanema".
Ich muss schon Eichendorff bemühen, um dem gerecht zu werden:
Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt
Die Torte - der Traum eines jedes Essgestörten - ist vertilgt, schmiegt sich cremig-wohlig an meine Magenwände, ich packe meine neu erworbene Kamera aus, mache ein paar Fotos von meiner Begleitung, sie dann von mir. Summa summarum ein dutzend Grinse-Fotos.
Alle lächeln.
Alles gut!
Eine Frau vom Nachbartisch fragt, ob sie uns mal zusammen fotografieren soll..., so vor dem Dom...?
Wir: Haha, nein, wir sind keine Touristen!
Alle lächeln.
Alles gut!
Ich erzähle meiner Begleitung was von der Gesichtserkennung an der neuen Kamera, irgendwie schaue ich zu der Nachbarin, die interessiert zuzuhören scheint.
Tisch-Nachbarin: "Meine Kamera kann Leute schlank fotografieren! Soll ich Sie mal ablichten?"
Der Tonarm wird mit einem jaulenden Geräusch von der "Girl from Ipanema"-LP in meinem Kopf gefegt.
Totenstille.
GAAANZ DÜNNES EIS!!!
Ich überschlage kurz die Anzahl der potentiellen Augenzeugen: 300.
Selbst meine sündhaft teure Rechtsschutzversicherung würde da höchstens zwei Jahre bei der Endstrafe rausholen.
Dennoch, ich könnte ihr meinen Teelöffel direkt ins...
Oder...
"Fotografieren S'e da ruhig mal jemanden mit, der's nötig hat!", antworte ich stattdessen lächelnd. Meine Augen lächeln nicht mit.
Die Person ist schlau genug, um kurz darauf wortlos und ohne Aufsehen zu verschwinden.
Tsts.
Ich hab' schon Leute für weniger erledigt.

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Montag, 26. April 2010

ru24: Automobiles 13 - Wertigkeit

Ein befreundeter Polizeibeamter erzählte mir einmal im Vertrauen, dass das Land NRW bei Polizei-Fahrzeug-Neubestellungen bei VW die "guten, serienmäßigen" Sitze in den Dienstfahrzeugen aus Kostengründen gegen Billigsitze tauschen ließe.
In diesem Gebaren des Landes zeigt sich die Wertigkeit des Staatsbeamten: 250,00 EUR einsparen bei einem Dienstfahrzeug scheint für ein Bundesland reizvoller zu sein, als die langfristige körperliche Unversehrtheit der Fahrzeuginsassen.
Da passte DAS hier wie die Faust aufs Auge:
Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte auf www.spiegel.de folgendes:
“Wer ein Polizeiauto beschädigt, dem drohen fünf Jahre Haft. Wer einen Polizisten verletzt, zwei Jahre. Das ist absolut nicht nachvollziehbar.”
Wer also einmal in die missliche Lage kommen sollte, sich Vollzugsbeamten wiedersetzen zu müssen - wovon ich dringend abraten möchte - dann bitte nur die preiswerten Beamten schrotten, nicht aber das wertvolle Dienstfahrzeug, es handelt sich schließlich um Staatseigentum...
Nun ja.
Realsatire eben.

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Samstag, 24. April 2010

Glaubensbekenntnis


2009-11-22 Laid to rest
Originally uploaded by [ henning ]
[SPOILER: Gläubige jeglicher Coleur lesen bitte etwas Anderes als diesen Beitrag, danke, sonst heult gleich wieder einer]

Neulich war ich bei Menschen zu Gast, was zuweilen vorkommt.
Vor dem Essen wurde oldschool gebetet: "Komm Herr Jesu sei unser Gast, und segne was du uns bescheret hast, Amen." Ich muss ergänzend erwähnen, dass einer der besuchten Menschen erst sechs war und deshalb wohl der Hokuspokus abgezogen wurde.
In Augenblicken, in dem Theismus mein Leben streift, bin ich immer etwas verlegen. Angelegentlich schaute ich in diesem Fall auf meinen Teller und dachte daran, dass das Essen gerade dabei war, auszukühlen, während die beteten. (Da versucht die Lebensmittelindustrie unseren Nahrungsmitteln seit über 100 Jahren den letzten göttlichen Funken Natürlichkeit auszutreiben, und die Christenheit bedankt sich noch, naja, vielleicht ja für's Naturidentische.)

Nicht zuletzt meinem Katholischen Kindergarten (Blogbeitrag) verdanke ich es, dass es mir schon sehr früh so ging, dass ich eine Marienerscheinung als weitaus beunruhigender empfunden hätte, als eine Entführung durch Außerirdische (Blogbeitrag).

Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie das so ist mit einem Schöpfer. Diese YPS-Urzeitkrebse habe ich nämlich auch mal gehabt. Ich habe die Eier ins vorher penibel gesalzene Wasser geschüttet. Dann habe ich alle halbe Stunde nachgesehen. Bis es sowas von todsterbenslangweilig war, denn es ist ja gar nix passiert. Und dann hab ich die Plempe einfach vergessen. Mom hat eine Woche später das trübe Biotop ins Klo entsorgt - so war sie!
Mir als Gott ging's letztendlich am Arsch vorbei, was aus den Krebschen wurde, ob sie mich anbeteten oder ob sie auf einer Stippvisite in der Kanalisation waren.
Ob man sich also jetzt artig für Speis & Trank bedankt, koscher schlachtet, ob man Ungläubige steinigt, Frauen verschleiert, Ketzer foltert, dänische Karikaturisten meuchelt, Mädchen beschneidet, Städte plündert und brandschatzt, kleine Mützchen trägt, Hexen verbrennt, Schweine für unrein hält oder Andersgläubige verfolgt, weil gerade irgendwelche geweihten Hostien bluten - dem lediglich gedachten Gott geht das alles letztendlich am metaphysischen Arsch vorbei und früher oder später heißt es für trübe Biotop sowieso: Ab ins Klo!

Und dann gibt es diese "ernsthaften" Diskussionen mit Gläubigen - gähn!
Manchmal sage ich dann so Sachen wie "Ey, ich habe gar keine Seele!"
Himpelchen und Pimpelchen antworten dann reflexartig, der Eine: "Au weh!", der Andere: "Das kannst du doch gar nicht wissen!", darauf ich: "Rehe haben doch auch keine Seele!", darauf Pimpelchen wieder: "Auch das kannst du doch gar nicht wissen!"
Gegen so Vögel kommt man nur mit einem Mittel an: "Weißt du was? Du kannst sie geschenkt haben, meine Seele, ich brauche sie nämlich nicht!"
Dann ist immer Ruh!
Über allen Wipfeln.

Und wenn ich tot bin, bin ich tot, bin ich tot - basta!

Oder Pasta:
Für alle, die mal wirklich was ganz Anderes ausprobieren wollen, empfehle ich die Religion des Pastafarianismus, die das Fliegende Spaghettimonster (FSM) anbetet.
Das spricht mich an - ganz spontan!

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Donnerstag, 22. April 2010

Lifestyle 35 - Hygienegefummel


Penny Markt
Originally uploaded by calaggie
Im PENNY, dem Supermarkt meines Vertrauens, werden auch Brot und Brötchen mit leidlicher Qualität aus Rohlingen aufgebacken. Die fünf bis sechs Brötchensorten landen in Drahtschütten, wo sie entnommen werden können. Doch wir leben in hygienischen Zeiten! NICHT händisch! Nein, zu diesem Behuf gab es an jeder Schütte ein Art Grillwürstchenzange. Ungummiert, versteht sich. Das war halt spannender! Für zehn Brötchen brauchte es schon mal zwei Minuten. Meistens fiel eines der Brötchen auf den Boden, machte in der glatten Zange den Houdini.
Vielen Kunden war das zu blöd, sie nahmen die Finger. Wenn sie von der bärbeißigen Marktleitung erwischt wurden, gabs richtig hinten drauf!
Gestern war ich da.
Neues Konzept.
Urst hygienisch!
Ich habe so gelacht!
Sechs Drahtschütten. Oben in jeder Schütte ist ein Schlitz wie in einem Panzerspähwagen. in dem Schlitz fest steckt in einer Führung eine Kelle, die man rechts-links und vor-zurück bewegen kann. Mittels der Kelle kann man nun jeweils ein (1) Brötchen eine Rampe hinaufschieben, auf der Rampe gibt es eine Öffnung mit zwei Klappen, darunter einen Ausgabe-Raum, in den maximal zwei Brötchen hinein passen. Hat man die Backlinge in den Ausgaberaum geschubst, muss man das Werkzeug wechseln: Grillwürstchenzange. Natürlich ungummiert. Hat sich ja bewährt. Buahaha! Jetzt kann man seine zwei Brötchen in die Tüte bugsieren, schon muss man wieder das Werkzeug wechseln für die nächsten zwei Brötchen, und so weiter.
Ich sah Wissenschaftler schon Plutonium unkomplizierter handlen!
Die nächste Steigerung wäre ein in einem Bleiglaskasten steckender Roboterarm, den man über zwei Joysticks fernsteuern muss, wie in einer Kernforschungsanlage.
Aber was tut man nicht alles für die Hygiene...

Ich habe größere Kontingente des gestrigen Abends damit verbracht, Unglückswürmer dabei zu beobachten, wie sie - Grobmotoriker wie sie waren - nach Backlingen fischten, Brötchen schubsten, mit Grillzangen hantierten und im Schneckentempo ihre Tüten füllten.
Wenn ich das nächste Mal zehn Brötchen haben möchte, backe ich mir die schneller selbst.

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Dienstag, 20. April 2010

Lifestyle 34 - Deutsche Tugenden


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Originally uploaded by afrank99
Die urdeutschen Tugenden sind Gründlichkeit, Pünktlichkeit, Ordnungssinn und die Reinlichkeit. Der aufrechte Deutsche hat seine Vorgärten zu pflegen, als hinge der Fortbestand des Abendlandes davon ab. Er hat seine Samstagnachmittage darauf zu verwenden, seine Autos zu saugen, zu polieren und zu wienern wie Staatskarossen.
Hierdurch bietet sich für Generationen von Blockwarten die einmalige Gelegenheit, schon beim Anblick a) eines (1) Löwenzahns in einem Nachbargarten oder b) eines (1) ungewaschenen Autos in der Nachbarschaft ihr "Hier verkommt alles!" zu zischen. Und sich gleichzeitig mit ihren übergepflegten Prachtblühergärten und den 3-fach gewachsten Ford Sierras in den Garagen wie Herrenrasse zu fühlen.
Denn einzig darum geht es.

Ich bin mal über ein langes Wochenende mit Freunden nach Hamburg gefahren und habe meinen haselbraunmetallicfarbenen Kadett D vor dem Haus des Freundes, in dem auch dessen Mutter wohnte, abgestellt.
Als wir nach zweieinhalb Tagen wiederkamen, hatten sich bereits drei verschiedene Nachbarn bei der Mutter erkundigt, wem denn "das ungewaschene Auto" gehöre.
Mein Freund gab mir seinerzeit den Tipp, demnächst woanders zu parken.
Na klar.

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Montag, 19. April 2010

ru24 History 14: Omas 71. Geburtstag (1973)


2009_05_29
Originally uploaded by thatblog
Sonntag, 26. August 1973: Oma ist an ihrer Geburtstagsfeier hypernervös, denn normalerweise lebt sie ja sehr zurückgezogen. Dabei muss sie gar nichts machen, den Job erledigt ja komplett ihre Tochter Waltraud. Die Erdbeer-, Stachelbeer- und Marmorkuchen sind gebacken, die Sahne ist geschlagen, der Tisch im Wohnzimmer ist gedeckt.
Das Wohnzimmer ist im wahrsten Sinne des Wortes die "gute Stube". Die Mitte des Raumes nimmt ein Mahagonitisch ein, dazu sechs passende Stühle. Der Tisch ist jetzt mit einer schweren Damast-Tischdecke bedeckt und mit 50er-Jahre-Porzellan mit zartem floralem Dekor eingedeckt. Würfelzuckerbehälter mit Silberzange. Milchkännchen. Porzellankaffeekannen mit einem Schwämmchen unterhalb der Tülle zum Auffangen von Rest-Tröpfchen. Das ganze Programm.
Die Gäste trudeln ein, mit ihnen Wolken aus 4711, Birkin Haarwasser, Uralt Lavendel und Mottenkugeln. Onkel Karl und Tante Adele erscheinen zeitgleich mit Onkel Franz und Tante Henny. Die greisen Gäste tragen schwere Wollkleidung in schwarz und grau und übergroße Jaruzelski-Hornbrillen und Hüte. Tante Henny finde ich wegen ihrer Hörgeräte total spannend. Meine Eltern, beide Mitte 40, erscheinen, haben meinen Bruder dabei, er ist eineinhalb und der Star der Veranstaltung.
Opa taucht auf. Ohne seinen verschlissenen Kittel, in Anzug und Weste, sieht er fremdartig aus. Es schellt wieder, Onkel Karl und Tante Käthe erscheinen. Noch mehr weiße Haare, noch mehr Hornbrillen. An der übervollen Garderobe hängen jetzt etwa 30 kg Mäntel, obwohl es Sommer ist.
Oma legt nochmal an Nervosität zu, sie sitzt am Kopf des Tisches. ihr Lid zuckt. Sie trägt ein formloses, schwarzes Kleid. Tante Waltraud ist ein hin und her huschendes Schemen, sie kocht Kaffee, brüht ihn in der Küche manuell auf. Kuchenstücke werden verteilt mit zierlichen, silberschnörkeligen Kuchenhebern. Die Sahne die Tante Waltraud produziert hat, ist so fest, dass sie sich kaum vom silbernen Löffel mit Schnörkelrosengriff löst und auf dem Kuchen mit einem satten Whopp! aufschlägt. Ich habe außerhalb dieser Realität niemals vergleichbare Sahne gesehen und gegessen.
Opa, stoisch und fast taub, ist so alt wie das Jahrhundert, er lächelt in die Menge, meint es aber nicht so.
Tante Waltraud holt Kaffe, wieder und wieder. Wenn sie sitzt, dann auf einem gepolsterten Hocker, so dass sie jederzeit aufspringen kann.
Mein Vater scherzt aus der Mottenkiste, es kommt sehr gut an. Mutter kichert dies begleitend ein wenig zu aufgesetzt.
Alte Leute lachen über 60 Jahre alte Geschichten.
Meine Eltern sind hier "die jungen Leute".
Mein kleiner Bruder, auf jemandes Schoß, brabbelt vor sich hin.
Onkel Franz der Unsympath, angeheiratet, ein ehemaliger Bahnbeamter, sabbelt irgendetwas Missgünstiges, seine Mundwinkel weisen wie immer nach unten. Seine Gattin Tante Henny regelt endlich etwas an ihren beiden Hörgeräten, so dass es pfeift.
Das ist der Moment, auf den ich gewartet habe! Toll! Wie das schrillt! Aber leider gehen die wirklich großen Augenblicke einer Kindheit immer viel zu schnell vorbei!
Ich schaue mich im alten Wohnzimmer um und warte darauf, dass das schrille Pfeifkonzert wieder losgeht. Wenn man mit dem Fingernagel an die dünne Silberschale stößt, klingt der Ton ganz lange nach. Mit den Mini-Wäscheklammern, die die Servietten gehalten haben, kann man auch ganz passabel spielen.
Nach für mich endlosen Stunden ist alles vorbei.
In dem kleinen Flur ist Gewusel, die Herren helfen den Damen oldschool in die Mäntel, auch Onkel Franz, er hält Tante Henny den Mantel hin und sagt: "Da, du blöde Kuh!"
Henny, die nichts gehört hat, bedankt sich freundlich lächelnd.
Die Erwachsenen schauen sich stumm an.
Ich staune.
Darf der das?

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Freitag, 16. April 2010

ru 24 History 13 - England II (1985)

[Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung dieses Blogbeitrags]

Irgendwann kamen der Bus mit uns in Scarborough, Yorkshire an (Link). An einem Busbahnhof wurden wir unseren Gastfamilien übergeben. "Leisi" (Andreas Leistner) und ich kamen in die Obhut von Mrs Stead, einer aus heutiger Sicht sicher recht attraktiven Enddreißigerin. Alle Kinder und Jugendlichen wurden abgeholt, bis auf...
Staudi und Hage standen verwaist auf dem Busbahnhof herum.
Beide hießen Thorsten.
Niemand holte sie ab.
Es begann zu dämmern.
Es nieselte etwas.
Es wurde dunkel.
Es regnete intensiv.
Von Ferne hörte man ein Röhren, das schreckliche Geräusch wurde lauter. Eine verbeulte Dreckskarre hielt an, ölige Wolken ausstoßend. Drinnen am Rechtslenker saß ein zerzauster Mann mit Säufernase, der die beiden scheel ansah, sie dann zu sich winkte. Zögerlich luden sie ihr Gepäck in den Wagen und der stark nach Alkohol und Zigarettenqualm riechende Mann kutschierte sie in Schlangenlinien durch die Stadt, bis sie mit einem Linienbus zusammenstießen. Ihr betrunkener Fahrer und Gastgeber sprintete davon.
Um das Unfallfahrzeug bildete sich eine Menschentraube.
Hage uns Staudi saßen noch in der Schrottlaube, als die englische Polizei auftauchte.
Man nahm sie mit aufs Revier und verhörte sie gründlich.
Sie verloren jeder zwei Kilo an Schweiß.
Irgendwann in der Nacht kamen sie tatsächlich beim Heim ihrer Gastgeber an.
Es war eine Bruchbude.
Die Gastmutter, die den Gatten nicht sonderlich zu vermissen schien, trug als einziges Kleidungsstück ärmellose Kittel. Sie servierte den Jungs Kartoffeln und warm gemachtes Hundefutter, wie sie später unter Eid versicherten.
Die Polizei fragte noch ein paar mal erfolglos nach dem Unfallflüchtigen.
Am vierten Abend ihres Aufenthaltes kam der Gatte durch eines der hinteren Fenster geklettert. Er hatte Laub im Haar und roch wie ein nasser Hund. Er ließ sich in seinen Sessel plumpsen, furzte und schüttete den Jungs erst einmal einen Schnaps aus. Nach dem Dritten outete er sich als ehemaligen Deutschen, den es vor fast 30 Jahren nach England verschlagen hatte.
Dann fragte er, ob sie sich gemeinsam einen Porno auf VHS ansehen wollten.
Die Jungs hatten morgens beim vierstündigen Englischunterricht immer eine Menge zu erzählen - mit überbordendem melancholischen Fatalismus.

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Donnerstag, 15. April 2010

ru24 Mysterium 7: Wie, graue Haare?


hair ball
Originally uploaded by richt-what
Ich sitze beim Frisör, denke an nichts Böses. Ohne Brille lächele ich immer nur unbestimmt und schaue etwas scheu nach unten, ich sehe ja niemandes Mimik, die ich erwidern könnte. Ich erkenne nur die Dinge, die ganz nah sind. Abgeschnittene Haare zum Beispiel, die auf mein Friseurcape rieseln.
Aber das ist so eine Sache mit den abgeschnittenen Haaren...
Etwa 15 % haben eine Farbe, die ich mit mir assoziiere - braun. Der Rest ist hellgrau, mittelgrau, steingrau, mausgrau, asphaltgrau, schiefergrau... und polyacrylweiss.
Also... das sind überhaupt nicht meine Haare, ich schwöre!
Es könnte also sein, dass zusätzlich zu meiner Friseurin da noch jemand hinter mir steht und mir aus einem Körbchen Haarschnipsel von alten Leuten über die Schultern wirft...
Aber wenn ich in den Spiegel vor mir schaue, sehe ich unscharf nur meine Friseurin, sonst aber niemanden.

Theorie: Neben meiner Friseurin steht ein Vampir - so muss es sein! Denn natürlich hat der Vampir kein Spiegelbild! Und dieser schurkische Untote wirft mir helle Haare über die Schultern.
Was für eine perfide Methode, mich zu täuschen!
Bleibt das Warum.
Ich bleibe dran...
Das ist die beste Theorie, die ich habe.

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Mittwoch, 14. April 2010

ru 24 History 13 - England I (1985)

1985, frischgebackene 18, bin ich mit einer Busladung voller Teenager nach England gefahren. Duran Duran hatten mit "The Wild Boys" vier Wochen lang den ersten Platz der Charts belegt, waren danach von Murray Head mit "One Night in Bangkok" verdrängt worden. Tears for Fears folgten nach mit "Shout" und Paul Hardcastle hielt sich sechs Wochen auf Platz 1 mit seinem großartigen "19". Herbert Grönemeyer hatte Ende 1984 seine LP/CD "4630 Bochum" auf dem Markt gebracht, die erste Compact Disc (CD), die ich in Händen hielt.
Wir fuhren stundenlang Bus, die Stimmung war gut. Irgendwann erreichten wir die Fähre, der Bus wurde verschluckt.
Schon während der Fahrt hatte sich eine Clique aus Jungs herauskristallisiert: Hage und Staudi, Grobi, Leisi und ich.
Die Fähre tuckerte los, es wurde Nacht. Wir liefen herum, rauchten an Deck (Nikotin: 0,9 / Kondenstat: 13) und trieben diversen handelsüblichen Schabernack. Plötzlich kam Grobi angelaufen, er war außer Atem.
"Da vorne ... Französinnen!", japste er.
Oh! Französinnen! Mon dieu, welche Verheißung!
Unauffällig schnürten wir zum Bug des Schiffs in die gewiesene Richtung. Es war bedeckt, es war Nacht, im Bug gab es keine Beleuchtung, man konnte die Hand vor Augen nicht sehen, geschweige denn in fremden Zungen redende Grazien.
"Wo denn?" fragte glaube ich Staudi von links.
"Na so da vorne...", kam es recht unbestimmt von Grobi, der eigentlich André Grossbischowski hieß. Seine Stimme war ganz nah.
Wir tappten nach vorne, stießen uns die Knie, rempelten andere Reisende an, tasteten uns nach vorne.
"Ich seh' nix!", sagte Leisi von hinten.
"Ich auch nicht!", sagte Hage von vorne.
"Voulez vous coucher avec moi ce soir?", fragte eine holde Maidenstimme aus der Dunkelheit.
Fünf Jungs standen da wie vom Donner gerührt.
Das lief ja wirklich ganz prächtig, allerdings...
"Äh, Männer? Spricht jemand von uns französisch?", fragte ich hinein in eine stygische Finsternis.
Grabesstille schlug mir entgegen.
Das lief ja nicht wirklich prächtig, allerdings...
Fwoosch!!!, machte es. Unsere Frontal-Lappen wurden hormonell freigeschaltet. Fünf Gehirne liefen schlagartig auf Überlast. Mit einer kurzzeitigen geistigen Kapazität von ca. 135 - 155% parlierten wir zwar urst brockig aber dafür recht flott französisch mit den so überaus verheißungsvollen Damen. Unseren diversen Französisch-Lehrerinnen (Link) wären die Augen aus dem Kopf getreten - mehr noch als sonst.
Im Grunde waren wir dem Paradies so nah wie nie, bis...
Das Licht ging an.
Vier etwa 13- bis 14-jährige französische Mädchen kreischten und verbargen ihr Antlitz hinter dem Rücken einer jeweils anderen Freundin, ein interessanter Effekt.
Popp!, machte es, die Freischaltung unserer Stirn-Lappen wurde auf der Stelle wieder deaktiviert.
Wir trollten uns.

Eines weiß ich seitdem: In Extremsituationen kann man zu geradezu übermenschlichen Leistungen in der Lage sein!

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(Zur Fortsetzung dieses denkwürdigen Urlaubs gehts hier.)

Montag, 12. April 2010

ru24 History 12 - Mein Opa schläft* (1974)


Broken Gears
Originally uploaded by autowitch
[Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung des vorhergehenden Blogbeitrags]

Während Oma nun den Abwasch machte - es hörte sich an, als würden von Schurkenstaaten unterseeische Atomtests durchgeführt - stand Opa auf und ging nach seinem zermalmten Mahl aufs Klo.
Ich wüsste nicht, dass er jemals schon nach 20 Minuten zurück gewesen wäre.
In seiner Abwesenheit entspannte sich Oma etwas.
Ich bekam einen Apfelsaft und für diese kurze Zeitspanne waren sogar normale Gespräche möglich. Irgendwie war es nun heller im Raum - und natürlich wärmer.
Dann kam er zurück.
In der Ecke stand seine "Duckelrolle", mit der kam er zurück zum Tisch und stellte sie vor sich hin auf die Tischplatte. Hierbei handelte es sich um ein graues, dickes, zylindrisches Kissen - gerade so als habe man versucht, einen Elefanten-Unterschenkel nachzubilden. Mein Großvater setzte sich in Position und legte die Stirn darauf. Ich musste jetzt nicht zu leise sein, denn Opa hörte ziemlich schlecht - wenn er wollte.
Kurzum war er eingenickt.
Der Siebenjährige mit dem Saft ihm gegenüber rückte leise den Stuhl etwas nach links, so dass er das Gesicht des Großvaters sehen konnte. Bald bildete sich ein klarer Tropfen an Opas Nase, wuchs langsam, reifte, brach auf wunderbare Arte und Weise das Licht - mehr wie Glycerin als Wasser, zitterte, dann fiel er auf den Tisch. Bald darauf erschien der nächste Tropfen, dann die Großmutter, die mit dem Abtrocknen und der Küche fertig war. Sie setzte sich an die Schmalseite des Tisches auf ihren Stuhl und legte die kurzen, dicken Beine auf einen Hocker.
Bald döste sie ein.
Ich trank meinen Apfelsaft, beobachtete die stetig fallenden Tropfen. Der Raum war erfüllt vom einschläfernden Bullern des Ölofens, dem Ticken der Wanduhr, dem gleichmäßigen Atmen und dem Geräusch von Haarnadeln, die sich aus Omas Haarknoten ("Knüsken") lösten und auf dem ochsenblutfarbenen Linoleumboden fielen, teilweise meterweit fortschlitterten.
Nach etwa 25 Tropfen erwachte mein Großvater und damit auch die Großmutter.
Er nahm sein Kissen mit zur Ecke, zog den Kittel an, die Kappe auf und schlurfte wieder zurück in seinen Betrieb.
Oma und ich atmeten auf.

An einem dieser Nachmittage erzählte Oma mir, wie erschütternd es für sie als 10-Jährige gewesen war zu erfahren, dass im April 1912 die Titanic gesunken war.



*) Nicht zu verwechseln mit dem in 1986 bei Jugend Forscht eingereichten Kurzfilm "Mein Opa schläft" (93 Minuten, Farbe, Mono) von M. Klingelhöfer, in dessen Höhepunkt (ab Minute 89) der schlafende Großvater mimisch versucht, eine Fliege (vermutl. Calliphora vicina) aus seinem Gesicht zu vertreiben.

Sonntag, 11. April 2010

ru24 History 11 - Mein Opa isst (1974)

Als Kind war ich oft bei der Oma (Jg. 1902).
Ich saß am Tisch in der Stube mit einem Buch für erste Leseversuche. Als Hintergrundgeräusch gab es das Ticken einer Wanduhr und das stete, gleichförmige Bullern des Ölofens. Es war so heiß, dass man hätte Affen großziehen können. Aus irgendwelchen Gründen hatten Oma und ich bereits gegessen. Sie rannte nebenan in der winzigen, schlauchförmigen Küche hin und her und lärmte mit ihren verbeulten Aluminium-Topfdeckeln. Opa (Jg. 1900) unterhielt im angrenzenden Gebäude einen kleinen, unfassbar veralteten Betrieb, in dem er herumknösterte, obwohl er schon Mitte 70 war. Dies war ein Ort, der angefüllt war mit Geistermaschinen und Maschinengeistern, ein rostiges, spinnenwebiges und staubiges Imperium der Schatten, antik in jedem seiner glanzlosen Details.
Um 13.00 Uhr hörte man unten im Gebäude eine Tür schwer ins Schloss fallen. Großmutter drehte dann mit der hektischen Betriebsamkeit noch einmal auf. Im nahen Treppenhaus hörte man beständige, schlurfende Schritte näherkommen, näher und näher - tapp, schlurf, tapp, schlurf - ein wenig wie in Gruselfilmen, die ich damals aber noch nicht kannte. Irgendwann ging knarrend die Tür auf und Großvater himself betrat den Raum.
Seine Aura war die eines Großinquisitors.
Die Raumtemperatur sank um 7 Grad.
»Mahlzeit!«, sagte er und meinte es auch so.
Es roch ganz intensiv nach Tuppix-Handwaschpaste aus der grünen Tube mit dem roten Schraubverschluss. Er hängte seine Schiebermütze an den Haken, seinen grauen, hundertfach geflickten Arbeitskittel befestigte er darunter. Jetzt konnte ich sein »Gott-mit-uns«-Koppelschloss sehen, das man ihm Anno 45 beim Volkssturm zur Wehrmachts-Uniform spendiert hatte. Er trug dieses Ding seit 30 Jahren als Gürtel, allerdings keinesfalls aus politischer Überzeugung, sondern »weil es noch gut war«.
Wortlos setzte sich Opa hinter den Tisch, legte die Hände flach auf die Tischplatte und wartete. Oma hastete heran und brachte einen Teller Kartoffeln mit Gemüse und eine Gabel. Der Großvater betete lautlos und griff zur uralten Silbergabel. Das Besteckteil war so alt wie die Großeltern selbst. Es war völlig abgegessen, sodass die Zinken ungleich lang waren – wie die Finger einer Hand.
Das ihm gegenüber sitzende, siebenjährige Kind, das beizeiten gelernt hatte, dass man »nicht mit seinem Essen spielt«, beobachtete fasziniert das nun nachfolgende Schauspiel: Er nahm die Gabel zur Hand und begann, die Kartoffeln zu zerstampfen. Er machte dies mit absolut gleichförmigen, langsamen Bewegungen. Er drehte den Teller um 180°, zerstampfte nun das Gemüse. Dann begann er, den Teller um jeweils 30° zu drehen und hob stampfenderweise das Gemüse unter die Kartoffeln. Binnen fünf Minuten zerquetschte, zermalmte er dieses sein Essen zu einer absolut gleichförmigen, pastösen Masse. Nun ebnete er die Pampe ein, verteilte sie gleichmäßig auf dem Teller. Er drehte die Gabel herum, sodass die Zinken nach unten wiesen. Nun zog er mit dem Besteckteil horizontale, parallele Linien in sein Essen, fein ordentlich von oben nach unten, bis alles vollständig liniert war. Dann drehte er den Teller um 90° - aus der Lineatur wurden nun Karos gemacht.
Sein Essen war nun noch etwa geschätzte zwei Grad wärmer als Zimmer-Temperatur.
Zuletzt drehte er die Gabel wieder in der Hand und nahm damit eine Fläche von 4 x 9 Karos auf, führte sie zu Mund. Er kaute jeden seiner 36-Karo-Bissen endlos, gelassen und stupide zugleich. Zuletzt schabte er mit schrecklichem Gequietsche die letzten Reste der Mahlzeit auf dem Steingut-Teller zusammen, aß sie und legte die Gabel hin.
Oma materialisierte am Tisch, den Teller abzuräumen.
»War lecker. Wat war dat?«, fragte Opa.

Zur Fortsetzung [hier klicken].

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Donnerstag, 8. April 2010

ru24 Mysterium 6/Bürogeplänkel 20: erklärtes Wunder

Wann immer ich im letzten dreiviertel Jahr zur Toilette gegangen bin, lag die Chance, am Pissoir mit einem bestimmten Herrn der Nachbarfirma zusammenzutreffen, bei ca. 70%.
Aus Überraschung wurde Verwunderung.
Aus Verwunderung wurde Verwirrung!
Wir war das nur möglich?
Anfangs sagte ich noch jovial: "Ah, so trifft man sich bei den profansten Tätigkeiten!" oder "Hoho! Weltmeisterschaft im Synchronpinkeln!", aber nach einer Weile gingen mir die Sprüche aus, da staunte ich nur noch.

So traf ich den Herrn [Name der Redaktion bekannt] monatelang zwei Mal täglich, er am ganz linken Pissoir, ich am ganz rechten Pissoir, wir lächelten uns etwas verhalten zu - ein Mysterium!
Ich behielt dieses kleine Wunder für mich.
Bis ...

Letzten Dienstag traf ich bei dieser profanen der profansten Tätigkeiten meinen Chef, er am ganz linken Pissoir, ich am ganz rechten Pissoir.
Wir grüßten einander, so verhalten, wie man das als Mann nur am Pissoir tut.
"Ach, sonst treffe ich hier immer einen Mitarbeiter der Nachbarfirma!", sagte ich.
Chef schmunzelte.
"Sie meinen sicherlich Herrn [Name der Redaktion bekannt]?", fragte er.
Tausend heulende Höllenhunde...
Ich war wie vom Donner gerührt!
Wie konnte er das nur wissen!?
"Ja, genau!", japste ich.
"Den treffe ich hier auch nahezu immer", sagte er nur.
...
Herr [Name der Redaktion bekannt] hat also lediglich den ultimativen Prototyp der Primanerblase!

Merke: Ein erklärtes Wunder ist profan.

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Mittwoch, 7. April 2010

Heimat 18/Restaurantkritik 4 - Unentschieden


Waffeln
Originally uploaded by Astrid Walter
Wenn jemand meint, dass das Bergische Land, geschweige denn Radevormwald entlegen liegt, der sollte einfach mal den Ortsteil Filde (Link) aufsuchen. Dort gibt es auch das Landhaus Filde. Wer von den beiden für das jeweils Andere namensgebend war, verlor sich im Nebel der Geschichte.
Im Landhaus Filde kann man prima Kaffee trinken, vor allem aber Bergische Waffeln essen. Die Bergische Waffel ist mit Milchreis bedeckt, der Milchreis wird mit einem Gemisch aus Zimt & Zucker bestäubt. Übrigens: Anders kann man Waffeln gar nicht essen! Ich schwöre! Vergesst diesen Heiße-Kirschen-mit-Sahne-Irrglauben mal ganz schnell.
Also.
Es war ein wirklich wunderbarer, sonniger Nachmittag, wir ergatterten einen Sitzplatz draußen und blinzelten grinsend in die Sonne. Bald fiel ein mächtiger Schatten auf uns - der Wirt! Riesig ragte er auf, ein Monument, weißhaarig, bärig, bärbeißig!
"Wat krieg'n Sie?", bellte er, wir atmeten auf, heute hatte er anscheinend verhältnismäßig gute Laune.
"Ich hätte gerne die Bergische Waffel und einen Kakao", sagte meine Begleitung.
Der Hüne schnaubte.
"Kakao mit Sahne oder ohne Sahne?", blaffte er.
"Mit", piepste meine Gegenüber.
"Und Sie?", bedrohte mich dieses Monument der Dienstleitung.
"Ich nehme auch die Waffel und einen Kakao!", sagte ich.
Sein Blick funkelte bedrohlich, er atmete aus, auf eine Art und Weise, die keinen Zweifel daran ließ, wie leid er es war, sich mit Minderbemittelten abzugeben.
"Kakao: Mit Sahne --- ohne Sahne!?"
"Ich hätte gerne ohne Sahne."
"Ja, wat denn nu?", herrschte er uns an, fassungslos rauschte er von dannen.
Puh!
Aber: Was können wir Penner uns auch nicht auf das gleiche Getränk einigen!
Nach fünf Minuten knallte er uns zwei Tassen mit Kakao ohne Sahne hin und ein Tellerchen Sahne zur Sahne-Selbstbedienung, das so kernig auf dem Tisch aufkam, dass es noch drei Runden drehte, bevor es zur Ruhe kam.
Wir zuckten zusammen, machten uns dann aber rasch über unsere Bergischen Waffeln und den Kakao mit/ohne Sahne her - es war herrlich!

Summa summarum: Landhaus Filde kann ich nur empfehlen!

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Dienstag, 6. April 2010

ru24: www 13 - Just doin' its job

Mit damaliger Freundin, ihren Verwandten und gemeinsamen Freunden haben wir - fast schon mit Fug und Recht als Reisegruppe zu bezeichnen - einen Spaziergang rund um die Wuppertal-Ronsdorfer Talsperre gemacht. Im Geäst nahe dem Weg entdeckte ich ein junges Käuzchen, das ziemlich unbeeindruckt von den ganzen Spaziergängern dort herumsaß und anscheinend vor sich hin döste.
Schnell hatten wir - Städter, die wir allesamt waren - uns als Traube auf dem Weg versammelt, das Käuzchen anzustarren. Die andächtige Stille währte etwas weniger als 12 Sekunden. Dann entbrannte eine rege Diskussion darüber, warum es überhaupt dort herumsaß, das Vogerl: Ist es verletzt, krank, behindert, verwirrt, verrückt oder schlicht zu Scherzen aufgelegt? Leute kommen da auf einige Ideen...
Während ich Fotos machte (eingebettetes Bild), griffen zwei von uns übergangslos zu ihren Handys, um ihnen bekannte Waidmänner anzurufen. Freund Eliseo zückte sein Multifunktions-Gadget und begann, die Offline-Version von Wikipedia nach Informationen zu durchforsten.
Wir kamen uns verantwortungsvoll und modern zugleich vor - ein herrliches Gefühl!
Minuten später stand der Gewinner fest: ... Wikipedia - tadaaa! Also: In der Nähe des Nestes bis zur Abenddämmerung auf einem Ast herumzusitzen - das war das, was junge Käuzchen so zu tun hatten. Es machte also exakt seinen Job!
Wir verstauten unsere Kameras, Handys, Taschencomputer und zogen von dannen.

Das ist die Moderne von der unserer Väter und Vorväter träumten!
Nichts scheint mehr unmöglich!

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Montag, 5. April 2010

Lifestyle 34 - tapferer Mann


China-Restaurant Zollhaus
Originally uploaded by inyucho
Mit Bärbel war ich vor längerer Zeit im China-Restaurant "Sonnenschein" in Remscheid-Lennep (Link). Das Essen dort ist gut, das Ambiente ist etwas schlicht, aber das wird durch die geradezu ausufernde Freundlichkeit des Personals mehr als wett gemacht.
Wir bestellten Stäbchen zum Essen.
Während das anfangs mit den Stäbchen ganz prima klappte (solange ich noch dicke Brocken Klebreis und Schweinebällchen auf dem Teller hatte), wurde es gegen Ende des Essens immer beschwerlicher und beschwerlicher. Ich kämpfte mit den immer kleinteiliger werdenden Resten, obsiegte aber zuletzt - nach einer harten halben Stunde des Kampfes! Ich ließ die Stäbchen aus der mittlerweile deformierten Hand fallen und lehnte mich zufrieden und gut geplauzt nach hinten - geschafft!
Ich bewegte die Finger, um wieder Blut und Form in meine Rechte zu bekommen.
"Frau Sonnenschein", eine etwa fünfzigjährige Chinesin, huschte heran und bedachte uns mit ihrem breitesten Lächeln, dann wandte sie sich an mich.
"Das wal sehl tapfel!", lobte sie, während sie das schmutzige Geschirr aufstapelte.
Ich grinste stolz wie ein Honigkuchenpferd.
"Wil hätten längst einen Löffel genommen!", ergänzte sie, und schwirrte mit dem Geschirr davon.
Sie ließ mich fassungslos zurück.

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Freitag, 2. April 2010

Frohe Ostern 2010!

Der Autor, der sich in Holland ein paar Tage Wind um die Nase blasen lässt, wünscht hiermit allen Hasen ein brachiales Osterfest.
Bleibt knusprig!
Bis später!

Henning

Donnerstag, 1. April 2010

Heimat 17/History 10: Frau Stinder (1978)


Union Jack Vintage Linen
Originally uploaded by geishaboy500
Rock'n'Roll Realschule 3. (und letzter) Teil
5. Klasse, der erste Englischunterricht meines Lebens. Meine neue Lehrerin Frau Stinder ist bereits über 50, sie spricht nur englisch. Ihre Haare sind grau. Sie trägt karierte Kleidung im Grundton grün/braun, der Kragen ihrer gestärkten, weißen Bluse ist so scharf, mit ihm könnte man Schlagadern auftrennen - wenn ihr der Sinn danach stünde. Sie trägt überknielange, karierte Faltenröcke und blickdichte, fleischfarbene Strumpfhosen sowie beige Halbschuhe.
Frau Stinder, hat keinen Vornamen, die Worte "Frau-Stinder" sind eine untrennbare Einheit, die keinerlei Ergänzung mehr bedarf.
Da waren diese Learning-English-Workbooks, DIN-A4, rot (Klasse 5) und grün (Klasse 6), bis unter den Rand voller Grammatikspielchen, Lückentexten und Kreuzworträtseln, ganz, ganz dolle spannend für den Zwölfjährigen an sich.
Frau Stinder hatte einen bizarren Fetisch: Sie gab fast ausschließlich Hausaufgaben aus dem Workbook auf - und das nicht zu knapp - und niemals keine Hausaufgaben. Die Workbooks wurden in Phase 1 mit Bleistift geführt - wichtig! In der nächsten Englischstunde wurden die Hausaufgaben dann in der Klasse kontrolliert, die Korrekturen mit Radiergummi und Bleistift gemacht (Phase 2). War die ‘Lesson’ komplett abgeschlossen, wurden die Workbooks eingesammelt, Frau Stinder korrigierte dann mit grünem Stift (Phase 3) und teilte sie wieder aus. Die Schüler hatten nun die Korrekturen und alle anderen Texte mit Füller (blau) im Workbook nachzuziehen (Phase 4), die Fehler-Sätze mussten zusätzlich separat im Hausheft genau dreimal richtig geschrieben werden:
I shall not waste ink and paper and time.
I shall not waste ink and paper and time.
I shall not waste ink and paper and time.
Zum guten Schluss wurden die tintenkorrigierten Workbooks UND die Haushefte zur Endkorrektur eingesammelt und abermals korrigiert, diesmal in rot (Phase 5).

Natürlich gab es in dieser rigiden Kette mannigfaltige Möglichkeiten für zwölfjährige, nur so mittel disziplinierte Jungs, zu versagen, sei es,
1) die Hausaufgaben zu vergessen,
2) das Nachkorrigieren mit Bleistift zu vergessen,
3) das Nachziehen mit Tinte zu vergessen,
4) bei der Klassenkorrektur nicht richtig aufzupassen,
5) Bleistift nicht wegzuradieren "unter" dem Tintentext
6) Teile des Workbooks einfach freizulassen, obwohl die letzte Korrekturphase bereits abgeschlossen ist und an den leeren Stellen schon allein aus diversen Gründen mehrfach hätte etwas stehen müssen,
7) das Workbook zu Hause zu lassen, oder zu tun als ob,
etc., etc.
Mühlinghaus & Meskendahl waren die Namen, die Frau Stinder fast immer und in jeder nur denkbaren Phase entsetzt nannte und dabei die aufgeschlagenen „Workbooks des Grauens” vor den staunenden Augen der Klasse preisgab: „Seht euch diese Workbooks an: Myh...ling...house u-hund Mes...ken...daaahl!!!”, dann Einträge in ihr gefürchtetes rotes Büchlein machte.
Noch heute habe ich den angewiderten Singsang ihre Stimme im Ohr, so, als würde ein als Frau verkleideter Mann mit zu schriller Frauenstimme über Fäkalien sprechen.

Wenn ich Volker Meskendahl heute treffe, vielleicht auf dem Parkplatz eines Radevormwalder Supermarktes, dann sagen wir meist nur diese drei Worte „Myh...ling...house u-hund Mes...ken...daaahl”, in dieser speziellen Betonung und Tonlage zueinander, lachen ein wenig irr und gehen dann wieder unseren Verrichtungen nach, ohne groß weitere Worte gewechselt zu haben.

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P.S.: Wie ich zähneknirschend zugeben muss habe ich in diesen zwei Jahren tatsächlich fast schon unanständig viel gelernt :)