Donnerstag, 30. Juni 2011

ru24 Wissen 17: Banane - Plan B

Zuerst die aufpeitschende Information:
Der erste Präsident von Simbabwe hieß Canaan Banana (1936–2003).
Hach! Wunderbar! :)

Kommen wir nun zu etwas völlig anderem:
Wo sind bei der Banane, die eigentlich Dessertbanane heißt, die Kerne oder Samen wie bei fast allen anderen Früchten?
Weggezüchtet:
"Die Früchte, die botanisch zu den Beeren gehören, werden meist 20 bis 35 Zentimeter lang. Sie sind länglich geformt, meist gekrümmt, im Querschnitt leicht kantig. Sie enthalten zahlreiche rundliche bis linsenförmige Samen. Kultivierte Sorten enthalten meist keine Samen." (Quelle)
Die Reste von den Samenanlagen kann man noch als braunschwarze Schlieren im Inneren der Frucht sehen, es sind nur noch optische Überbleibsel. Und da es keine Samen zum Pflanzen gibt (wie bei der Zierbanane - Bild), pflanzt man die Banane mittels Schösslingen fort. Somit sind alle zurzeit wachsenden Bananen einer Sorte, wie z.B. die bei uns meistverkaufte Sorte Cavendish, quasi Klone einer einzigen Pflanze.
Leider fällt hierdurch einer der Hauptvorteile geschlechtlicher Fortpflanzung flach: Man schaltet die Evolution aus. Es entstehen keine genetischen Varianzen, die widerstandsfähiger z.B. gegen Schimmelpilze sind als andere. Das Einkreuzen von robusteren Arten ist nicht möglich, da die Pflanze selbst steril ist. Und so beginnt der Kampf um die Banane:
"Bis in die 1960er Jahre war die Hauptsorte für den Export die Gros Michel. Die Früchte waren größer und geschmackvoller als die heutigen Bananen. Der Anbau dieser Sorte in Monokulturen wurde durch die Fusarium-Welke, auch Panama-Krankheit, derart erschwert, dass sie heute kaum noch für den Export kultiviert wird. Derzeit ist die Hauptsorte für den Export die Cavendish. Seit Anfang der 1990er Jahre ist eine Art der Fusarium-Welke bekannt, die auch diese Sorte angreift. Geschmacklich ähnliche Alternativen bzw. resistente Pflanzen gibt es derzeit (2005) noch nicht und die Schätzung ist, dass in 10 bis 20 Jahren auch die Cavendish nicht mehr in Monokulturen angebaut werden kann. " (Quelle)
Das heißt unterm Strich, dass die heute gehandelte Dessertbanane nur "Plan B" ist.
Und es könnte bedeuten, dass die Weltproduktion für Bananen schon in wenigen Jahren auf die drittbeste, drittleckerste Sorte umgestellt werden muss - "Plan C".
Püh!

Übrigens: In vielen Ländern gilt die Kochbanane (Link) als Grundnahrungsmittel, bei uns vergleichbar mit der Kartoffel. Beim Verwenden der K. sollte man übrigens Handschuhe tragen, weil sie abfärbt. Das auf Wikipedia im Bild gezeigte Rezept "Kochbanane mit Guaven-Marmelade und Käse in Ofen gebacken" hört sich wirklich schrecklich lecker an!
*magenknurr*
Hier gibts einen Schwung Rezepte: Link.

Stichwort "krumm":
"Die Bananenfrucht wächst seitlich aus der Staude heraus. Um sich dem lebensnotwendigen Licht zuzuwenden, muss sie sich nach oben krümmen. Würde sie von vornherein gleichmäßig vom Licht beschienen, würde sie gerade wachsen." (Quelle)
Ach so.

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P.S.: Ich würde glaube ich gerne mal eine leckere Gros Michel (Link) probieren, 1960 stand ich nämlich noch als Quark im Schaufenster... :)

In eigener Sache

So, Leutz!
Ich nehme den 100. Best-of-ru24-Artikel zum Anlass, meine kleine, persönliche Hitliste, eine "Top Twelve" der bisher erschienenen 280 ru24-Beiträge zu veröffentlichen.
Have fun!

Das Leben in vollen Zügen
Kaffeemaschinen-Zen
Jagd im dritten Jahrtausend
Geschichte im Rückblick
Ein schrecklicher Irrtum der Moderne
Homo sapiens novemberensis
Nachwuchs an Bord
England I
Attila
Kriminell
Artensterben durch Illustratoren
Mecker, mecker, mecker

Von den früher noch gedruckten und im sehr kleinen (Freundes-)Kreis verteilten "Rundumschlägen" haben es die folgenden sechs Beiträge (erschienen ursprünglich ab 2002, dann später hier wiederveröffentlicht) in die "Hall of Fame" geschafft:

Brötchen aus altem Getreide
Kleine Beindegenerierte
Grölle biste mållen?
Kosmopoliten im Grunch-Fieber
Winterdienst
Special: Camping

Greetz,

Henning

Mittwoch, 29. Juni 2011

ru24 History 24: Hömma Ömmer! (2003)

Im Frühjahr 2003 sind meine Freundin und ich mit einem befreundeten Pärchen in die Türkei geflogen. Dieser Urlaub war eine dieser Billig-Bus-Touren kreuz und quer durchs Land, wo man von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürigkeit kutschiert wird und dem Urlauber zwischendurch Verkaufsveranstaltungen aufgedrängt wurden. Teppiche, Leder, Gold und aller erdenklicher Schnulli hastete wohlfeil an uns vorbei, ebenso wie die mal mehr oder weniger kargen Landschaften. Der Reiseleiter redete wie ein Wasserfall. Sein Hauptanliegen indes schien es zu sein, Mittagessensgutscheine an den Mann zu bringen und er brabbelte so lange, bis er sein Plansoll erfüllt hatte. "Herrgott!", entfuhr es uns mehr als nur einmal. Zum Thema "Europa" sagte er: "Leut immer sagen 'Türkei: viel mit Folter!' Aber stelle vor, Terrorist - große Bombe! Polizei nimmt Bruder gefangen von Terrorist. Könne nicht sage dann: 'Setz hin, willst du Gebäck?' Muss Folter!"
Einleuchtend.
Europa kann kommen.
Unser Busfahrer hieß übrigens Ömmer (Running Gag: "Hömma Ömmer!").
Da das Ganze außerhalb der Saison stattfand, übernachteten wir mal zwei, drei oder vier Tag lang in nur spärlich besuchten Hotels voller Energiesparbirnen. Am kalten Buffett aßen wir quietschbunte Nachtische.
Dieser Urlaub bot - neben neonfarbenen Desserts - ein (1) wirkliches Highlight: Eines Tages pfiffen wir auf das fremdbestimmte Herumgekutsche via Reisebus und mieteten stattdessen einen Leihwagen. Wir fuhren ins Blaue hinein in Richtung Meer...

Es war ein wunderbarer Tag kurz vor dem "Opferfest" (Link), einer Zeit, in der sich die Haushalte mit Ziegen und Schafen eindeckten, um sie am bevorstehenden Festtag zu schächten. Die Tiere hatten alle einen rote Markierung aus der Sprühflasche. Sie wurden auf jede erdenkliche Art und Weise transportiert, auf Pickups, in Kofferräumen von PKW, auf Mofas, sogar auf Fahrrädern oder auf den Schultern. Auf den zweirädrigen Transportmitteln wirkten die Paarhufer skurril bis deplatziert, es sah auch nicht sonderlich bequem für sie aus.
Määäh! :(

Bald erreichten wir eine wie ausgestorben wirkenden Kleinstadt. Der Grund dafür war, dass so gut wie die gesamte Population in einem steinernen Amphitheater zusammengefunden hatte - schön getrennt nach Männlein und Weiblein: Auf der einen Seite die Kopftücher, auf der anderen Seite die Schnurrbärte. Es fand ein Kamelringkampf statt (engl.: camel wrestling - Muahaha!).
Wem auch immer ich seitdem von diesem Event erzählt habe - man hat mir nicht geglaubt.
Außer Metin und Tülay.
Bei einem Kamelringkampf "ringen" zwei wie die Pfingstochsen geschmückte Kamelbullen miteinander. Bei etwas, das aussieht wie Armdrücken, pressen sie ihre Hälse aneinander und ein Bulle versucht den anderen zu dominieren. Das Ganze ist unblutig und wird vom Speichelsprühen der beiden Kontrahenten begleitet. Ein Kampf dauert bis zu einer Viertelstunde. Gewonnen hat das Kamel, das den Gegner zum Flüchten, zum Schreien oder zu Fall bringt.
Weitere Infos hier: (Link).

Wir fuhren weiter die Küste entlang und kamen zur Mittagszeit an eine Stelle, an der sich zwei Lokale gegenüber lagen. Beide Gastronomen standen an der Straße und winkten uns heran. Wir waren noch unschlüssig, welches Lokal wir nehmen sollten, da bewarfen sich die beiden Lokalbesitzer schon neidisch mit Steinen. Wir wählten keines der beiden, sondern gaben Gas.
Einige Kilometer weiter gab es nur ein Gasthaus und dort kehrten wir ein. Wir aßen wie die Könige Fisch (komplette Tiere) mit Salat, tranken Efes dazu und zahlten unglaublich wenig.

Auf dem Rückweg zurück zum Hotel begegneten wir auf schnurgrader Landstraße bei etwa 100 km/h dem Schlagloch der Götter, was in etwa den Effekt hatte, als wären wir von einer Luft-Boden-Rakete getroffen worden. Der Mietwagen schien unbeeindruckt. Wir waren es umso mehr.

Der Basar in Antalya war nichts für schwache Nerven:
Quasi jeder Händler sprach und/oder grabbelte einen an, einer fasste mir an die Plauze und sprach prophetisch: "Ey, wir haben auch was in deiner Größe!"
Hier gab es fast nur "Original"-Produkte. Die hiesigen Sweat-Shops für Kleidung aller Art hatten sich anscheinend auf Kledage mit übergroßen Markenlogos von ADIDAS, PUMA, NIKE, KARL KANI etc. spezialisiert, und natürlich war ALLES, RESTLOS ALLES "original", sogar die Wendejacke außen PUMA innen ADIDAS...
Muahaha!

Bevor ich in Urlaub fuhr, hatte mich eine Freundin beauftragt, ihr Safran aus der Türkei mitzubringen. "Aber pass auf!", hatte sie mich vor Betrug gewarnt. Ich hatte bei ihr pflichtschuldig an dem mir dargebotenen Gewürz gerochen und den recht speziellen Geruch als "Zahnarzt-Behandlungszimmer" abgespeichert. Im Getümmel der grapschenden und brabbelnden Händler Antalyas entdeckte ich einen Gewürzstand. Ich fragte nach Safran. Der Händler nickte eilfertig, öffnete ein Fach. Ich roch an dem getrockneten Pflanzengefrissel, es roch nach Kamille aber nicht nach Zahnarzt.
"Das ist kein Safran!", sagte ich und kam mir vor wie in einer Jim-Beam-Werbung.
Der Händler stammelte etwas, rang die Hände, ließ das Un-Kraut wieder verschwinden, öffnete ein entlegenes, viel geheimnisvolleres Fach, entnahm - diesmal vorsichtig - eine Blechdose und entriegelte sie. Seine Pose war die Allegorie des schlechten Gewissens! Ich roch dran. Eindeutig "Zahnarzt"!
"Na also!", sagte ich. Ich kaufte eine üppige Menge für einen feudalen Preis.
Zu hause sagte mir die Bekannte, die mich beauftragt hatte, dies sei ganz gewiss kein Safran.
Not bad...


Montag, 27. Juni 2011

Bürogeplänkel 24 - Schwarz macht schlank, aber schwarz kann nicht zaubern


Schwarz
Originally uploaded by thomasreinke2
Eine grundsätzliche Diskussion zu einem wichtigen Thema, geführt in meiner Firma über das Chatsystem "Spark":

(2:28 PM) Henning M.: http://bit.ly/4bV58U
(2:29 PM) Jochen B.*: Der ist doch nur neidisch auf das Pärchen im Hintergrund...
(2:29 PM) Jochen B.: Die können knutschen und so und er kann nur Tabletts fliegen lassen.
(2:50 PM) Henning M.: Von jeher Darth Vaders Schwachstelle...
(2:51 PM) Jochen B.: Liegt wahrscheinlich an der Maske und dem asthmatischen Geröchel.
(2:51 PM) Henning M.: Er kann nicht mal in einen Burger beißen...
(2:52 PM) Jochen B.: Ach so. Vielleicht indem er die Macht benutzt? ... Oder per Osmose?
(2:53 PM) Henning M.: Vermutlich wirklich via "Osmose". Das Röcheln ist in Wirklichkeit ein Absorbieren von fester Nahrung.
(2:53 PM) Jochen B.: Das würde bedeuten, er isst den ganzen Tag. Sieht man ihm wirklich nicht an...
(2:54 PM) Henning M.: Schwarz macht schlank.
(2:54 PM) Jochen B.: Ich weiß.
(2:54 PM) Henning M.: Dito.

*) Ex-Kollege, du fehlst! *seufz*

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Sonntag, 26. Juni 2011

Queen Mom 6 - halb zwei

Freitag rief ich de Mutter (84) an, wegen de wöchentlichen Einkäufe mit ihr, die ausnahmsweise mal am Samstag stattfinden sollten.
"Ich muss Samstag bis eins arbeiten. Ich bin dann um halb zwei bei dir."
"Ja, is gut!", sacht de Mutter.
Wir beenden dat Gespräch.
Et Telefon schellt, de Mutter is dran.
"Hörma, sach nochmal, wann du komms. Et war eben so laut hier", sacht se.
OK...
"Also ich komm um halb zwei, also um 13.30 Uhr", sach ich langsam und mit Bedacht.
"Ich habbet aufgeschrieben", sacht de Mutter.
Gut!

Samstag.
Ich hab Feierabend, fahr zu de Mutter, komm pünktlich um halb zwei an.
"Wat wills du denn schon hier?", fracht se. Se hatte sich grade wat hingelegt.
"Wie?"
"Ja, du hatts doch ne ganz andere Zeit gesacht", behauptet se.
"Nee, nee!"
"Doch, ich hattet in dem Augenblick, wo du dat gesacht hattest, aufn Zettel geschrieben!"
"Ach? Und wo is de Zettel nu?", frage ich.
Mutter sucht nachm Zettel.
"De Zettel is wech!", ruft se.
Sherlock Sohn schaut angelegentlich auf den kleinen Stoß Altpapier. Da liegt ein Abreißblockzettelchen, säuberlich mittig beschriftet mit einer einzigen, singulären Information: "1/2 zwei"
"Hier steht et: halb zwei!", ruf ich der im Wohnzimmer suchenden Mutter zu.
Mutter: "Nee, dat is nich der Zettel!"
"Wie...?"
So richtich fassungslos kann mich nur meine Mutter machen.
"Nee, nee!", sacht se und sucht in ihrem Notizblock, bis sie einen Zettel findet, auf dem von - wissen die Götter wann - "1/2 sieben" steht.
"Dat isser!", behauptet se steif un fest.
"Et ist doch wunderbar, dat du dich gar nich irren kanns!", sach ich hintergründig.
Queen Mom ignoriert huldvoll den ironischen Beiklang.
"Du has dich vertan - dat kann doch passieren!", sacht se versöhnlich - un meint dat völlig ernst.

Dank jahrzehntelanger Meditation nehm ich et mit der Gelassenheit von ner Hindu-Kuh. Freundlicherweise fährt se trotzdem mit mir Einkäufe machen.
Da hab ich sowat von Schwein gehabt!

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Freitag, 17. Juni 2011

ru24 Special: Camping*

*) ein aufpeitschender Erlebnisbericht aus dem Jahre 2004

"Zelten?", fragte eine Arbeitskollegin, "das macht man doch nur mit 14!"
Quatsch. Das ist nach den ganzen gestylten, All-Inclusive-Pauschalurlauben in DomRep oder MeckPomm, die aus Kostengründen dann doch nicht stattgefunden haben, genau das Richtige.
Camping bei Petten, Nordholland (Link).
Jetzt mußte man nur noch das Equipment bei Freunden zusammenschnorren.
Tipp: Wenn die einem sagen: "Die Luftmatratze müßte eigentlich in Ordnung sein", auf jeden Fall dankend ablehnen.
Nicht so ich.
Was für ein Spaß!

KINDER.
Ein Spaß ist es, wenn man sich an Freunde mit Kindern hängt. Da wird schon die Hinfahrt mit dem Auto zum Abenteuer, wenn die beiden Jungs bei der Rast mit der Kinderversion des Klappspatens den mittlerweile klo-losen und verwahrlosten Grenzübergang BRD/NL umbuddeln, derweil die Erwachsenen zwischen Flohknöterich, Spitzwegerich und Wiesenschaumkraut urinieren, ein Omen, wie sich zeigen sollte. "Können wir jetzt fahren?" – "Neiiin!" Die geben nicht eher Ruhe, bis sie vergammelte Drogen gefunden haben.
Jede Familie, die campt, hat mindestens drei Kinder. Gegen Abend kehrt dann auch langsam Ruhe ein, die Zeit zwischen Grillen und der Kinderzubettgehzeit wird nur hie und da durch schrilles Schreien aus der Ferne unterbrochen. Das wird emittiert, wenn z.B. in Reihe M der kleine Jantje (5) während des Kartenspiels im Kreise der Familie beim Mau-Mau mischen mit dem Kopf zwischen die Karten gekommen ist.
Abends Punkt 22.30 Uhr werden die übermüdeten Recken mit viel Überredungskunst in die Kinderschlafsäcke bugsiert. Kurz drauf dröhnt Bibi & Benjamin in der Lautstärke eines startenden Airbus aus 1.200 Walkmen – alle Knöpfe auf 10 – voll auf die Ohren: Die schöne Tradition der Gutenachtgeschichte mit Auto-Reverse, bis die Batterien ihren Geist aufgeben.
Die Kleinen haben mit der Masche sogar ein apokalyptisches Gewitter verpennt. Ich nicht.
Überraschung für den kinderlosen Singlemann: Kinder sind irgendwie ganz anders als die Miniatur-Erwachsenen, als die ich mir sie immer vorgestellt habe ...

WETTER.
03.10 Uhr Regen, das Zelt hält, die geliehene Luftmatratze ist nur noch bei 33%. 08.15 Uhr Wind, das Zelt hält, 10.20 Uhr Sonne, Frühstück im Freien, beim zweiten Brötchen (Salami ist wasserabweisend, ich Fuchs!) wieder Regen – und ich habe kein Drei-Wetter-Taft dabei. Witterung ohnehin allenthalben. Vor dem Frühstück, während des Frühstücks, nach dem Frühstück. Das lehrt Demut. Jetzt hockt man im Zelt und überlegt sich, was draußen wohl aus den zurückgelassenen Sachen wird: Den Lederschläppkes, den Brötchen, der Tasse Kaffee.
Neuer Tag, neues Glück. Sturm ab 6.00 Uhr, die Zeltwand drückt einem ins Gesicht, die strukturelle Integrität des Zelts liegt noch bei 12%. Gott, ich hab' zuviel Star Trek gesehen. Als ich vom Duschen wiederkomme, ist die Integrität meines Zelts im Arsch. Plunder, aus dem verbogene Stangen ragen, die lustig im Wind flattern (Windstärke 7 beaufort). Haha! Was für ein Spaß. Aber dafür hat man ja Freunde: Die halten einen davon ab, den Sprit-Ersatzkanister drüber auszugießen und den ganzen Klumpatsch so irgendwie fast im Affekt anzustecken. Plötzlich bin ich als Taifunbetroffener auf die Hilfe von Pater Rodriguez, der Mutter Theresa von Asien, angewiesen (Blogbeitrag).
Neidisch hocke ich im VW LT eines Nachgereisten und genieße den Luxus der Schönen und Reichen in einer beruhigenden Decefix-Atmosphäre aus Kieferholzimitat im Inneren. Vor allem kann man trocken und windstill sitzen.

CAMPER.
Vor x-tausend Jahren wurde im alten Ägypten der Stuhl erfunden. Dann kam später in Europa sogar der Heilige Stuhl dazu. Was Menschen von heute wohl dazu bewegt, wieder am Boden herumzukriechen? Wahrscheinlich das Zeugs aus der Marlboro-Werbung: "A warm camp fire, a hot pot of coffie and a good smoke" – klar, das gibt's alles – teilweise exklusiv – hier in Holland.
Allerdings leben hier auf dem Campingplatz 90% der Camper luxuriöser und komfortabler als 90% der Weltbevölkerung in ihren regulären Wellblech- und Pappe-Behausungen. Denn der Campingplatz sieht nur auf den ersten Blick aus wie ein Slum. Der deutsche Profi-Camper an sich nämlich beherrscht die Lage. Die professionalisierten Heeresverbände benutzen mittlerweile Ausrüstungsgegenstände aus Mylar, Kevlar, teflonbeschichteten Arachnidfasern und Gore-Tex mit Lotosblüteneffekt. Gelkissen. Gasgrill (mit piezoelektrischem Zünder), Grill-Mikrowellen-Kombi, elektrische Kaffeemühle, Satellitenantenne und Mückenverdampfer sind bereits unterste Standards.
Nur der Gelegenheits-Camper kann sich mit seinem von Freunden zusammengeschnorrten Equipment vorstellen, wie es wäre, auf einem fremden Planeten notgelandet zu sein.
Oder zumindest in einem Flüchtlingslager zu leben.
Doch zwischen zwei Wolken räkelt man sich wohlig in der Sonne. Die Frage ist: Wer macht den nächsten Kaffee? Auf diese existentielle Frage schrumpft nach wenigen Tagen das gesamte Universum des Gelegenheits-Campers zusammen. Lässig mit der Tasse in der Hand grüßt man die von gottweißwo heimkehrenden Nachbarinnen.

NACHBARN.
Natürlich gibt es auch beim Camping Nachbarn. Der Nachbar an sich, so zu Hause, ist normalerweise die Geißel der Menschheit (Blogbeitrag). Hier, unter freiem Himmel, am Busen der Natur ist der Nachbar hingegen ein Kamerad, ein Wettermitleidender, ein Slum-Mitbewohner, der Nächste aus der Bibel.
Man kann sich gegenseitig Tipps geben, wie man Zelte aufbaut, welche Dusche in welchem der Duschhäuser den sattesten Strahl hat, oder sich gegenseitig informieren, dass die Frittierfischbude mit dem Kibbeling wieder da ist.
Und: Man kann Nachbarn zu einem Wein einladen, ohne daß man gleich aufräumen, saugen und fensterputzen muß.
Unsere beiden wirklich netten Nachbarinnen und Wettermitleidenden aus Ingolstadt kamen auch mal auf einen Wein vorbei, wurden aber von unserem aus der Heimat nachgereisten Besuch (der mit dem VW LT) dermaßen brachial mit der Methode "guter Bulle/böser Bulle" verhört (er: "Ich unterhalte mich doch nur!"), daß sie den Rest der Zeit erst spät nachts auf den Campingplatz zurückschlichen und sich im dunklen Zelt zur Kommunikation nur Zettelchen mit einem phosphoreszierenden Stift schrieben, damit niemand sie hörte oder sah.
Schade.

HYGIENE.
Viele Männer sind der Überzeugung, daß 300m zum Klohäuschen eine Zumutung sind und zeigen auch ihrer nachwachsenden Chauvi-Brut, wie man prima neben das Zelt ins Gebüsch pinkelt. In zwei Wochen werden hier Harnsteinkristalle wie Dornen aus dem Gesträuch ringsum wachsen, Ruhr und Cholera ausbrechen.
Doch es gibt auch Lichtgestalten wie mich, die immer zur Toilette gehen. Für jede verstreichende Stunde, die nach der rituellen Reinigung der Klohäuschen durch brachiale Reinigungsfachkräfte ins
Land gezogen sind, legen die Herren ein weiteres Schamhaar auf den Rand des Pissoirs, wie eine säuberliche Strichliste. In diesem Augenblick mußte die letzte Reinigung hier bereits sieben Stunden her sein.
Die Duschen laufen genau 5 Minuten im Warmwassermodus, der Umwelt zuliebe, haben aber eine Zwischenstopp-Taste. Wenn man sich im Zwischenstopp-Modus zu lange einseift, springt die verbleibende Restzeit auf Null. Nur kann ich als Schaummonster nicht raus aus der Dusche, der Umwelt zuliebe. Da tappt man dann frierend 5 Minuten bis zum nächsten Reset der Uhr in Fußpilzgefilden herum und flucht, Pustefixbläschen ausstoßend.
Nach einigen Tagen ist man abgehärtet. Das Immunsystem läuft eh jenseits des roten Bereichs auf Vollast. Dinge, die im richtigen Leben sofort Krätze, Herpes oder Pilzinfektionen verursachen würden, werden fast schon nicht einmal mehr ignoriert. Man schmiert sein Brötchen mit einem Messer, das tagelang nur zwischen ungewaschenen Fingern unter einem Wasserhahn gereinigt wurde, an dem das Schild "Kein Trinkwasser" bereits weggefault ist. Der Pappteller ist ebenso weich wie das Brötchen und krustig von den Generationen der Mahlzeiten, die über ihn hinwegzogen wie lepröse Heuschreckenschwärme. Sand knirscht zwischen den Zähnen. Die Kinder nuckeln kauend wahlweise mit Ketchupschnute oder Nutellamündchen an Flaschen und rülpsen nach Jungenart dabei hinein. Haha! Ihr lustigen Kinder! Schwebstoffe reichern sich an. Doch man ist bereits jenseits des Ekels.
Schmeckt gar nicht übel. Irgendwie isotonisch.
Auch gibt es interessante Hygiene-Projekte: Ein Löffel, der in einem Topf mit Raviolis steckt, wird in der Sonne binnen Stunden zu einer Einheit verschweißt – so was kann doch keine Sau ahnen. Oder: Die Kleinen sammeln halbtote Krebse und Muscheln am Strand, die dann in einem Eimerchen an der Hecke neben dem Zelt dumpf vor sich hin wesen, wie ein maritimes Zombieheer.
Lockt wahrscheinlich Aasfresser und Insekten an.

TIERWELT.
Insekten ohnehin allenthalben. Wespen: Schleierhaft bleibt, was the fuck alle Wespen in meinem linken Ohr suchen, zumindest grofeln sie drin herum. Natürlich sagen die dann noch allen anderen schwarzgelben Tussis in ihrer Papier-
WG bescheid. Das mit meinem Ohr. Der Trick ist still halten. Cool bleiben. Leider kennen die Wespen den Trick nicht und stechen trotzdem. Die Invasion der fliegenden Ameisen startete Dienstag um 18.00 Uhr MEZ.
Libellen brausen herum wie aufgeregte Helikopter. Ameisen in der Margarine, Ohrenkneifer im Zelt, im Gebüsch irgendein stechendes Mistzeug, abends umschwirren Motten die Gaslampe und Mücken die unbedeckten Stellen der Körper – natürlich entzünden sich die Stiche. In den heidekrautbegrünten Dünen hingegen perfekt getarnt: Freilaufende, urwüchsigste Rinder, die den Beweis ihrer Existenz nur indirekt durch Fladen antreten, die an Jurassic Park gemahnen.
Und dann der Campingplatz als Ornithologen-Paradies: Völlig enthemmte Amseln laufen einem um die Beine, wie es nur völlig enthemmte Amseln können. Möwen stochern im Morgengrauen in Müllsäcken wie Ratten mit Stechahle: POK! - POK! Tauben rülpsen ihr geistloses Gru-hu -- gru-hu -- gru-hu, Elstern knattern im Gebüsch, Krähen 'singen' ihr Krah! – Krah!
Nach 2 Tagen kann man durch ein Wunder sogar bei dem ganzen Irrsinn schlafen.
Das einzige, was man hier gegen Vögel unternehmen kann, ist: jede Menge Kipfrikandeln essen.

KÖRPER & GEIST.
Kipfrikandel. Kip ist Hühnchen. Sieht aus wie eine schlecht selbst gebastelte Zigarre. Schmeckt wie grobe Currywurst. Enthält nur Fett, gemahlene Hühnerköpfe und Hühnereingeweide. Gar nicht übel. Dazu Pommes mit Pindasauce (Erdnußsauce) und eine Limo namens Rivella oder ein flesje Dubbel Frisss witte druiven & citroen, allesamt mit lustigen Zutaten.
Der Himmel ist in Holland.
Als Nachtisch ist im Supermarkt (SPAR – Haha!) ein Produkt mit Roombotter (Rahmbutter) auszuwählen, wie z.B. diese extrem zart schmelzenden Käsekuchenklontjes. Oder Flamingos, grell flamingofarbene Küchlein, die komplett aus E-Zutaten (E332, E373 etc.) gebacken werden. Nachmittags macht man Halt an einem Fischwagen. Frituur, so weit das Auge reicht. Hier ißt selbst Frau Antje nur noch Fisch am Stück, natürlich in der typisch enthemmten Auf-Ex-Fischreiher-Pose. Zwei Familienboxen Kibbeling für insgesamt 10 EUR mit der guten, gelben Mayo sind für die Körper der gesamten Reisegruppe jetzt wie ein Ölwechsel, hmm!
Der Himmel ist in Holland.
Dann vielleicht noch auf die ganze Glückseligkeit einen Koffie verkeerd – Milchkaffee (Parkeren verkeerd ist, wenn man so wie ich sieben Tage auf dem Kurzparkerparkplatz steht). Abends Ravioli und/oder Grillgut. Ab 18.00 Uhr liegt ein dichter Rauchschleier über dem Campingplatz. Papas benutzen die Luftmatratzenpumpe, um die Glut anzufachen, schmelzen dabei die Plastiktülle, die Kinder zündeln. Irgendwann ist fertig. 1.200 Camper verdrücken dann binnen 20 Minuten das Getier eines kompletten Bauernhofs im Erstschlag. Dazu ein Grolsch. Später Käseflips (Cheetos) oder abgefahrene Kartoffelchips mit Hühnchenaroma. Oder Käsewaffeln.
Der Himmel ist in Holland.
Der Körper hingegen ist mittlerweile eine Baustelle aus Blessuren, Abschürfungen, Schwellungen die teilweise entzündlich nässen von diversen Insektenstichen und -bissen, Rötungen von der sporadisch vorbeihuschenden Sonne. Ob das da an den Füßen jetzt wirklich Fußpilz wird, bleibt abzuwarten.
"Gib mir mal bitte was von dem Grolsch oder von dem Rotwein, ... jaja, ruhig in die Kaffetasse."

Fazit: Für all das läßt man doch jeden Pauschalurlaub glatt sausen!
Und völlig korrekt, liebe Kollegin: Zelten macht man nur mit 14.

Und so schließt sich elegant der Kreis.


Mehr "camping" gibts noch hier: Kügelchen, Urlaubserinnerung.


Donnerstag, 16. Juni 2011

Entschleunigungs-Strahlung

In der Vergangenheit belästigten mich Aliens ständig mit Minutenentführungen (auch "Mikroentführung" genannt). Ständig fehlten mir Zeiträume kleiner gleich fünf Minuten, vor allem in der Zeit zwischen Weckerklingeln und Losfahren zur Arbeit (Blogbeitrag).
Jetzt haben die Säcke was Neues: Sie traktieren mich mit Entschleunigungs-Strahlung...

Heute morgen wachte ich auf und statt sofort aus dem Bett zu springen und die Rollladen hochzureißen, blieb ich erst einmal liegen, ließ alle 116 Gelenke knacken und grunzte wohlig vor mich hin. Ich schlenderte zur Dusche. Dort ließ ich die Seele baumeln. Danach suchte ich mir sorgfältig Kleidung heraus, zog mich an, kramte wählerisch meine Nahrung fürs Büro zusammen.
Meine Haare formte ich zu einem Kunstwerk der Postmoderne - haha!
Hach!
Oh perfect day!
Gleich würde ich noch beim Bäcker Brötchen holen und...
Ich setzte meine Brille auf. Die Flauschigkeit meiner -8 Dioptrien-Welt wich schlagartig der scharfkantigen Realität!
Es war sieben Minuten nach acht - statt zehn Minuten vor acht.

Dieser Alien-Scheiß macht mich noch ganz fertig.

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Samstag, 4. Juni 2011

Familie 13 - Was sind das eigentlich für Leute?

Gestern war ein überaus strahlender Samstag. Als ich um 6.30 Uhr das Haus verließ, war blauer Himmel, Sonne und gefühlte 20°C. Ich fuhr zur Arbeit. Die Firma, in der ich arbeite, ist ein Dienstleister für einen der ganz großen Baumarktketten.
Manchmal habe ich Glück, und es ist nicht gar so viel los bei der Arbeit. Aber in der Zeit rund um die christlichen Feiertage Ostern, Pfingsten und Weihnachten steppt der Biber! Ostersamstag ist übrigens der umsatzstärkste Tag im Jahr. Gestern, eine Woche vor Pfingsten, riefen die Baumärkte wegen ihrer diversen technischen Probleme an und wurden es auch nicht müde zu erwähnen: "Sie glauben gar nicht, was hier los ist! Wir haben alle zwölf Kassen in Betrieb und trotzdem Schlangen!"
Nein.
Man glaubt es kaum.
Was machen die denn alle da?
Das sind doch alles normale Leute, diese Baumarkt-Kunden.
Merken die denn nicht, wie skurril sie sich verhalten?
Dass es Menschen gibt, die bei Kaiserwetter nichts besseres mit ihrem einzigen Leben anzufangen wissen, als in Baumärkten herumzulungern, ist schlichtweg rätselhaft!
Wenn man den Faktor Familie außer acht läßt.
Denn die Aussicht auf eine Überdosis Familienleben scheint ein sehr mächtiger Ansporn zu sein. Gefürchtet sind ja diese sog. "Familientragödien". Nur aus diesem Grund mutieren ja bereits bürogeplagte Familienväter an Wochenenden zu Heimwerkerkings, einer beliebten, durchaus legitimen und sozial anerkannten Methode, sich die Brut vom Leib zu halten. Und gemäß einem Baumarkt-Motto: "Es gibt immer was zu tun", fällt die Wahl nicht schwer: Bad neu fliesen, Terrasse abschleifen, Fischteich anlegen, streichen, tapezieren, kärchern & dremeln, als gäb's kein Morgen.
Alternativ/zusätzlich kann der Herr auch
  • mit dem Hund rausgehen (Blogbeitrag),
  • Joggen/Radfahren gehen,
  • das Vereinsleben genießen (i.d.R. = mit Proletariern duschen und saufen),
  • Auto(s) waschen (Blogbeitrag),
  • mit dem Motorrad fossile Brennstoffe in Lärm umwandeln (Blogbeitrag),
  • Gartenarbeit verrichten (Blogbeitrag),
  • seinen Computer "auf Vordermann bringen" (= am PC herumdödeln),
alles das ist durch die Bank ebenso gesellschaftlich akzeptiert.
Kein Wunder, dass die Lebenserwartung des Herren 5 Jahre unter der der Gattin liegt.
Es gibt viel zu tun, packen wir's an.


Freitag, 3. Juni 2011

Bürogeplänkel 23 - Mädchenlebensmittel

Wenn ich im Büro Küchendienst mache, entdecke ich in den Schränken der Büroküche immer wieder Tupperdosen, die von der Größe her eher für Spermaproben als für Lebensmittel geeignet scheinen. Ich habe sowas gar nicht im Haus! Immerhin würden vielleicht 30 Erbsen darin Platz haben. Oder zwei Sardinen, jeweils halbkreisförmig angeordnet.
Naja, irgendwie passt das zu den Mädchenlebensmitteln, die im Büro-Kühlschrank ihr Winzlingsdasein fristen: Ein singulärer Kinderriegel (die Kleinen aus der Tafel) mit Zettelchen "Nicole" oder ein einzelner Oreo-Keks mit eigenem Post-It-Namensschildchen. Eine Scheiblette, die Folie per Edding mit Namenskonterfei versehen wurde. Eine benamste Literflasche Cola-Light mit 34 ml Restinhalt.
Das alles ist total possierlich!
Es ist gerade so, als schaue man in die Lagerräume eines Zwerghamsters.

An diese Mädchen-Parallelwelt der Mengenlehre haben sich wohl denn auch Müslihersteller angepasst. Denn Jungs essen ja nur Steaks ohne Beilage.
Natürlich.
Ein sehr schönes Beispiel ist z.B. vom PENNY die 375 g-Tüte "B!O Dinkel Crunchy Müsli" aus kontrolliert biologischem Anbau - "Mehr Geschmack, mehr Genuss". Die Ernährungsempfehlung verrät das ganze Elend:
"1 Portion (30 g + 125 ml fettarme Milch) = 186 kcal".
MUAHAHAHA!!!
Seit wann gibt es Lebensmittel denn wieder auf Bezugsschein?
Soll ich mir die 30 g nicht lieber mit einem McDonald's-Strohhalm in die Nase ziehen und mir den Schluck Milch einfach sparen?

Vielleicht sollte ich wirklich auf Steaks umsteigen.
Rumpsteak (300 g) mit einem Salat vom Buffet und einer Folienkartoffel - oh yeah!
Und die Winz-Portionen überlasse ich den Zwerghamstern und den Büromädchen.


Mittwoch, 1. Juni 2011

Nachbarn

Eine Kollegin gestand mir letzten Montag, dass sie, egal, wie lange sie die Nacht vorher gefeiert habe, Samstags oder Sonntags spätestens um 9.15 Uhr die Rollläden hochziehe, damit ihre Nachbarn nicht denken, sie schlafe bis in die Puppen.
Autsch!
Das ist durchaus diskutabel... .

Während meiner Kindheit hatte ich dramatisch mehr Nachbarn als mir lieb war. Denn obwohl ich im Westen Deutschlands aufgewachsen bin, waren die Nachbarn fast alle bei der Stasi. Ihre fahlen Visagen klebten ständig an den Innenseiten der Fenster ihrer Wohnungen wie leichenblasse Ballons.

Hätte ich als Jugendlicher ein Tagebuch geführt, ich könnte heute folgendes darin finden:
22.05.1985
Stehe vor dem Haus Ich warte auf Michael. Der Himmel hat sich weiter zugezogen. An den in Abständen zuckenden Gardinen der umliegenden Häuser kann ich sehen, dass ich von dem neugierigen Pack beobachtet werde.
Ich sehe sie vor meinem geistigen Auge. Sicher werden Werbegeschenk-Abreißblöcke aus der Apotheke mit Beobachtungsdaten gefüllt. Oben steht so etwas wie "Ixofloxo retard – stark gegen Altersdemenz und Harndrang", darunter steht in gestochener Sütterlin-Handschrift, noch in einer Nazi-Kaderschmiede eingepaukt: "16.00 Uhr. Nachbarsjunge, viel zu lange Haare, Kleidung unseriös. Hat eine billig aussehende Tasche dabei. Steht vor Hausnummer 141." Später dann: "Bewegt sich nicht weg. 16.05 Uhr: Alter, gelber Opel Ascona hält, äußerst langhaariger Fahrer, vermutlich Bombenleger. Zielperson steigt ein."
Nachbarn, das sind die Leute, die jederzeit bereit sind, jeden Schwachsinn über ihren Nächsten zu glauben, so lange es nur keine positiven Nachrichten sind. Nachbarn, das sind die Leute, die meine Eltern nicht mehr grüßten, nachdem es in deren Haus bei einem Mieter zwei Drogenrazzien gegeben hatte. Nachbarn, das sind die Leute, die meinen Eltern nicht erlaubten, in ihrem eigenen Garten ein Gartenhäuschen "auf der Grenze" zu errichten - man wolle das nicht, wegen der Erben. Nachbarn, das sind die Menschen aus "Was sollen die Nachbarn denken?"

Die Nachbarn meiner Kindheit haben alles mögliche getan, nur eines war nicht dabei: Denken.

Also, liebe, werte Kollegin: Schlaf dich mal richtig aus, dann dreh' dich einfach noch einmal um! Reiße um 16:30 Uhr mit lauten RRRAPSSS-BAZONGGG!!! die Rollläden nach oben, öffne das Fenster und brülle: GOOOD MORNING, VIETNAM!!!
Lass es rocken!
Es ist dein Leben.

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