Mittwoch, 29. Juli 2015

Heißgetränkeautomaten

photo credit: Choose wisely via photopin (license)

Im Wort "Heißgetränkeautomaten" steckt ganz hinten das Wort "tomaten", was kein Zufall ist.

Mein erster Heißgetränkeautomat begegnete mir im Foyer der Turnhalle des Gymnasiums in Radevormwald, vielleicht 1981. Für Kinder war dieser schwarz-braune, flächig mit Holzimitat beklebte Klotz in der Größe eines Kleiderschrankes in der Regel nur Deko, denn für uns rangierten eisgekühlte Cola, Fanta, Lift, Sprite und Mezzo Mix haushoch vor allem anderen -- es sei denn, es war Winter. Dann stapften wir mit unseren Moon-Boots in das grausam überheizte Foyer, um uns Kakao -- und nur Kakao zu ziehen. Man warf sein 50-Pfennig-Stück in den Geldschlitz, drückte die KAKAO-Taste, schon brummte und summte das Gerät, wackelte auch ein wenig, ein ockerfarbener, geriffelter Becher plumpste in den Ausgebeschacht, dann Summ-Summ-Summ ergossen sich die diversen Komponenten des Kakaos (Heißwasser mit Milchpulver, Heißwasser mit Kakao und das Ganze retour). Zuletzt: das fertige Getränk. Traditionell umklammerte man die heißen Becher und blies hinein, sodass die Metallrandbrillen dick beschlugen. Aber: Wenn man jetzt Pech gehabt hatte, dann hatte sich der (zu allem Überfluss nur marginal sympathische) Hallenwart fünf Minuten zuvor eine Tomatensuppe gezogen -- und so schwammen jetzt etwa 30 grellorange Fettaugen auf dem Kakao.

Deshalb steckt im Wort "Heißgetränkeautomaten" ganz hinten das Wort "tomaten".


Montag, 27. Juli 2015

ru History - Flaunt It (1986)



Die Band Sigue Sigue Sputnik wurde 1983 von Tony James gegründet, einem ehemaligen Generation X-Gitarristen von Billy Idol. Den Namen der Band hatte man nach Marketing-Gesichtspunkten von einer Moskauer Streetgang übernommen, über die die Zeitung Herald Tribune in einem Artikel Anfang 1980 geschrieben hatte. Als Bandmitglieder hatte man Anfangs die bis dahin noch unbekannte Annie Lennox im Auge, konnte sich aber nicht mit der Idee einer Frontfrau anfreunden, auch Andrew Eldritch war im Gespräch, dieser musste sich aber um seine immer bekannter werdende Band Sisters of Mercy kümmern. Zuletzt fanden sich als Bandmitglieder einige unbekannte Vögel ein, die James nach Optik gecastet hatte, nicht nach Befähigung -- Hauptsache schrille Klamotten, Tattoos, Piercings und schroffe Haare (Bandbild).

1986 erschien das erste Album "Flaunt It" (Cover), übersetzt: "Wer hat, der hat", ein Kracher!
Nachdem ich die erste Auskopplung Love Missile F1-11 bei "Formel 1", moderiert von Peter Illmann, gesehen hatte, rannte ich gleich in den Plattenladen, um die die LP zu bestellen. Ich bin bis heute der einzige Mensch, den ich kenne, der sich die Scheibe damals gekauft hat. Ähem.
"Sigue Sigue Sputniks erste Single „Love Missile F1-11“ ist mit nichts zu vergleichen, was die letzten 30 Jahre an Rock & Roll hervorgebracht haben. Gewehrfeuer und Explosionen, Fragmente von Mozart, verrückte, donnerartige Gitarren-Breaks, rückwärtslaufende Vocals und tonnenweise Hall, dies alles in einem Song, der sich alle paar Sekunden verwandelt und dem Zuhörer nicht den Hauch einer Chance lässt, sich zu langweilen. Songzeilen wie "a U.S. bomb cruises overheard / there goes my love, rocket-red" spielen auf Sex und Atomkrieg an." (englischspr. Quelle)
Als Besonderheit hatte man auf dem Album die Räume zwischen den Songs als Werbeblöcke versteigert, sodass unter anderem "L'Oreal Studio Line"-Werbung oder speziell in Deutschland ein Clip für "Tempo, das neue deutsche Monatsmagazin" zwischen zwei Liedern zu hören ist.
Bei den Briten brauchte es etwas mehr als das: Um die Scheibe zu promoten, machte SSS ein Video dazu, in dem sich explodierende Raketen mit fetten, onanierenden Männern abwechselten, und hey! Das skandalverwöhnte Londoner Publikum war auch gleich begeistert und zog nach der Vorführung des Videos auf der Record-Release-Party zufrieden ab, obwohl die Show noch im vollen Gange war. Endlich: Nun hatte die Band ihren Ruf weg und wurde von den britischen Medien oft nur noch „Sick Sick Sputnik“ genannt.
Der Song hielt sich 1986 in Deutschland 15 Wochen auf Platz 3 der Singlecharts, in UK 9 Wochen. (Wikipedia)
"In ihrem Bestreben, die ultimative Rock & Roll-Fantasy zu erschaffen, waren Sigue Sigue Sputnik überaus erfolgreich. Zum einen ist es (das Album) voller gefährlicher futuristischer wie comicartiger Bildwelten, aber zum anderen, wenn man genau genug hinhört, hat es überraschenderweise trotzdem oft etwas zu sagen." (a.a.O.)
Auch die zweite Auskopplung aus dem Album, "21st Century Boy", war erfolgreich.

Samstag, 25. Juli 2015

Wir sind TEPCO

photo credit: Berlin Bundestag (unsharp) via photopin (license)

Die beliebte Firma TEPCO, das japanische Energieversorgungsunternehmen, welches für die Fukuchima-Katastrophe verantwortlich zeichnet, hat letzte Woche verkündet, dass die Atomenergie für Japan noch immer die kostengünstigste Art der Energiegewinnung ist. Und hey! Die Rechnung geht sogar auf, wenn man die Entsorgung des strahlenden Mülls und etwaige, ein bissi lästige Mega-Katastrophen und deren Beseitigung völlig außen vor lässt (und somit die wahren Kosten nicht internalisiert).
Respekt: Die Jungs von TEPCO haben echt Samurai-Eier!


Wie ist es denn bei uns?

Kleidung: Da wird die usbekische Baumwolle unter grässlichen Bedingungen angebaut, bewässert mit Grundwasser, dessen Spiegel sinkt und sinkt, derweil die Anbauflächen verzalzen, ganze Landschaften verkarsten. Zur Ernte knechtet die usbekische Regierung notfalls auch Studenten als Zwangsarbeiter. Die Baumwolle schafft es nach Pakistan, wird von Kindern gefärbt, von Kindern gesponnen, gewebt, in wackligen Sweat-Shops in 16-Stunden-Schichten, in denen man nichtmal pissen gehen darf, zu Kleidung verarbeitet, den weiten Weg zu uns gekarrt um dann in solchen Arschloch-Läden wie PRIMARK als T-Shirt zu 3,00 EUR zu verenden. Auch hier geht die Rechnung nur auf, wenn man die Arschloch-Kosten nicht internalisiert: Wenn man hier Beträge für landschaftenweite Umweltzerstörung, Sklaverei in gleich mehreren Staaten und den CO2-Ausstoß in das Shirt mit einbeziehen würde, dann könnte man es vielleicht gerade für unter 40,00 EUR bekommen. Aber so wirft die kleine PRIMARK-Bitch es vielleicht nach dem ersten Tragen weg -- warum waschen? War ja speibillig!
Und nie, nie, niemals würden meine hochwerten Kolleginnen Kleidung tragen, die bereits ein anderer Mensch zuvor getragen hat.

Fortbewegung: Noch heute gilt es in Deutschland als angesehenes Hobby, fossile Rohstoffe in Lärm, Gestank und CO2 zu verwandeln, was in etwa so zeitgemäß ist, wie Walfang, Elefantenjagd, Rauchen auf der Säuglingsstation oder Formel 1. Die Leute fahren noch im dritten Jahrtausend ernstlich mit ihren Hobby-Traktoren(!), Autos und Motorrädern (Blogbeitrag) "einfach so" in der Gegend herum, fahren SUV, amerikanische Dodge RAM, Hummer (am besten gelb lackiert mit Protzo-Klotzo-Alufelgen -- Muahaha!) oder basteln sich Sportauspuffanlagen unter ihre Karren, als wäre der scheiß Lärm, den ihre Ruhestörung auf Rädern damit emittiert, etwas Wunderbares und Wünschenswertes. Auch hier: Arschlochkosten bitte dringend internalisieren! 

Lebensmittel: Wir kaufen Wein aus Kalifornien, Chile und Australien, Birnen aus Argentinien und Knoblauch aus China -- weil es bei Penny im Angebot ist, wir essen jeden Tag Fleisch vom Discounter und wissen im Grunde alle, wie die Haltungsbedingungen für die armen Schweine (und Hühner und Puten und Rinder) sind, nur die Videos dazu können wir nicht ertragen. In Indonesien wird der Regenwald gerodet, um ihn mit Palmölplantagen in riesige, landschaftsweite Monokulturen zu verwandeln (lesenswert: Spiegel), in denen nichts mehr lebt, damit die Lebensmittelindustrie der Erste-Welt-Länder das Palmöl überall reinpanschen kann, weil es preiswerter ist als Rapsöl -- wieder nur, wenn man die Arschlochkosten nicht internalisiert.

Wo ist ein Staat, der endlich mal die Arschlochkosten mit Straf-Steuern und Straf-Zöllen für uns internalisiert?, denn wir alle zusammen benehmen uns wie dumme Kinder im Süßigkeitenladen.
Wir sind Deutschland.
Wir sind TEPCO.
Ich auch.


Lesetipps:
Leo Hickman - Fast nackt
Sarah Schill - Anständig leben


Mach mit:
http://slaveryfootprint.org/


Donnerstag, 16. Juli 2015

ru24 Wissen: Pluto

Pluto by LORRI and Ralph, 13 July 2015“ von NASA/JHUAPL/SWRI - solarsystem.nasa.gov. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Als ich ein Kind war, konnte ich mir mit dem Merksatz "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten" die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem merken: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. Mit zehn bis zwölf bestaunte ich die Bilder, die die Voyager-Sonden zur Erde funkten: "Mit Voyager 1 und Voyager 2 (1977–1979) gelangen erstmals Vorbeiflüge am Jupiter und den Jupitermonden – und nach erfolgreichen Swing-by-Manövern die erforderliche Beschleunigung, um zum Saturn, Uranus und Neptun zu gelangen." (Link)

Die vergleichsweise hypermoderne Sonde "New Horizons" (Link) wurde am 19. Januar 2006 exklusiv zum Planeten Pluto gestartet. Doch bei einer "Neudefinition des Begriffs „Planet“ am 24. August 2006 durch die Internationale Astronomische Union (...) wurde Pluto der Planetenstatus aberkannt und den Zwergplaneten zugeordnet." (Link) Das ist ja ein wenig so wie bei dem Film: "Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam" (Link), nur umgekehrt: Die Sonde, die zu einem Planeten aufbrach, um dann neun Jahre später Fotos von einem Zwergplaneten zu machen.

Die reaktorbetriebene Sonde New Horizons wiegt so viel wie ein Konzertflügel. Auf den langen, ereignislosen Teilen der Reise zwischen 2007 und 2015 war sie in einen Winterschlaf versetzt worden. Damit die Mission wenigstens binnen eines Jahrzehnts abgewickelt werden konnte, hat man sie sehr stark beschleunigt. Am 14. Juli 2015 erreichte die Sonde den Pluto und passierte ihn mit einer Geschwindigkeit von 14,5 km/s. Das ist etwa das 20-fache der Kugel eines Militär-Gewehrs. Während des Vorbeiflugs an Pluto und seinen fünf Monden Charon, Nix, Hydra, Kerberos und Styx hielt sie mit allem drauf, was sie hatte und sammelte so viele Daten, dass es 1,5 Jahre dauern wird, diese komplett an die Erde zu funken.

Als ich 25-jährig im Juni 1992 das erste Mal in Schottland war, war es übrigens sehr ähnlich: Ich war im Überland-Bus eingeschlafen und als ich plötzlich am Arsch der Welt wieder aufwachte und etwas desorientiert aus dem Fenster schaute, kamen wir gerade am Eilean Donan Castle (Link) vorbei, der "Highlander-Burg". Reflexartig riss ich die Kamera hoch und machte ein Bild von dem Gemäuer, damals noch analog. Etwa drei Wochen später konnte ich den entwickelten Film bei Foto Kausemann in Radevormwald abholen -- tatsächlich war es überraschend passabel geworden.

Übrigens: Der neue Merksatz für die -- jetzt nur noch -- acht Planeten lautet : "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel".


Mittwoch, 8. Juli 2015

ru History: Schlimme Schlager meiner Kindheit (1972, 1979)

photo credit: THE PIRATES - Die geheimen Sportsocken (27. Februar 2010) via photopin (license)


Die Schlager meiner Kindheit waren die Schlimmsten.
Ich möchte das als aufpeitschenden, ersten Satz mal so stehen lassen.
In den Siebzigern war Englisch noch voll ausländisch, die Zeiten von "Casual Socks" (ext. Link) lagen noch in weiter Ferne. Frauen trugen "Schlüpper", Männer trugen Feinripp-Unterbuxen und verteilten nach der Rasur großzügig "Irisch Moos" auf ihrem Gesicht -- et gab ja nix. Selbst das Wort "Hit" war in "Schlager" übersetzt worden, der natürlich deutschsprachig war. Musik war eine gänzlich analoge Angelegenheit, schon deshalb hörten die Leute viel mehr Radio als heute -- am Arbeitsplatz, im Auto, zu Hause. "Die Hitparade" im ZDF mit Dieter Thomas Heck war Pflichtprogramm. Eigentlich spielte überall Schlagermusik.

Ich möchte hier meine ganz persönliche Negativ-Liste schlimmer Schlager der 70er (ext. Quelle) vorstellen:

Roberto Blanco - Der Puppenspieler von Mexiko (1972)
Refrain: "Der Puppenspieler von Mexico, war einmal traurig und einmal froh". Das ist mal ein schönes Beispiel für eine einwandfrei ausgeprägte manisch-depressive Persönlichkeitsstörung -- Chapeau! Das Lied selbst (ext. Quelle) existiert womöglich nur, weil "froh" sich irgendwie auf "Mexiko" reimt. Wäre Roberto Blanco Österreicher -- dann wäre vielleicht vieles ganz anders gekommen:
"Dem Marillenpflücker aus dem Tschad, war's einmal wohl, mal war's ihm fad."

Karel Gott - Babicka (1979)
Karel Gott, die "goldene Stimme aus Prag" genannt, machte in den 70ern Musik für Leute, die um die Jahrhundertwende herum geboren waren. Außer "Biene Maja" (1976). Der überzeugte Kommunist hat zu der Zeit wohl kaum jemals ein Lied geträllert, zu dem man nicht landauf, landab in den Altenheimen abgehottet hätte. Mit "Babicka" (ein Lied über seine Omma) hat er gewieft seine Zielgruppe bedient.
Ich danke auf jeden Fall Gott dafür, dass er nicht auch noch die Titelmelodie von Captain Future gesungen hat.

Michael Holm - El Lute (1979)
Dieser im sonnigen, vordemokratischen Spanien angesiedelte Schlager gehört zur Gattung der sog. "Tränenzieher" und basiert auf einer wahren Begebenheit (ext. Quelle). Der Text soll emotional labile Personen zu Tränen rühren. Alle anderen rührte der Text zum Not-Auswurf der gerade zurückliegenden Mahlzeit. "Er hat nie das Licht der Sonne gesehen, sie nannten ihn El Lute. Was er wollte, war nur ein Zuhaus' und mehr Brot, und ein Ende von Hunger und Not". (ext. Quelle)
Gottogott.

Manuel & Pony und Anke Engelke - Das Lied von Manuel (1979)
Dieser perfide Tränenzieher aus dem Schlager-Höllenjahr 1979 ist der Beweis, dass Menschen sich ändern können, zumindest, was Anke Engelke angeht (Youtube). Der Liedtext handelt zusammengefasst vom kastilischen (spanischen) Manuel, den niemand im Plattenbau leiden kann. Doch Manuel singt, um Geld für die herzkranke Hannelore zusammenzukriegen, damit diese in den USA not-operiert werden kann. Dann können Manuel plötzlich alle voll leiden. (Text)
Das vom Kastratenchor wieder und wieder gekreischte "Maria Dolores!!!" ist hochfrequent und plombenlösend. Deshalb ist dieses Lied mein akustische-Folter-Geheimtipp für Guantanamo und überall sonst, wo gefoltert wird.
Gottogottogott.

Jonny Hill - Ruf Teddybär Eins-Vier (1979)
Setzten alle bisher hier genannten Interpreten auf eine wie auch immer geartete Art von Exotik (Mexiko, oder weitaus niedriger aufgehangen, Tschechoslowakei & Spanien), setzte Hill in diesem schlimmen Tränenzieher alles auf die Behindertenkarte (Youtube), was ihm prompt eine Goldene Schallplatte einbrachte. Hill, der 1940 in Österreich als Feri Gillming (!) das Licht der Welt erblickte, ist auch bekannt für den Hit "Auf einem Seemannsgrab blüh'n keine roten Rosen".
Gottogottogottogott!


Um ein Haar hätte ich den Schlimmsten aller Schlager-Schocker vergessen (will meinen: für immer erfolgreich verdrängt):

Andrea Jürgens - Und dabei liebe ich euch beide (1978)
Wozu brauch es eines Kastratenchors, wenn man eine Elfjährige singen lassen kann? Dieses Lied ist zu hart für Guantanamo! Bis zu diesem hochnotpeinlichen und gleichzeitig hochfrequenten Tränen- & Plombenzieher der Extraklasse hatte ich mir als Kind über eine Trennung meiner Eltern niemals zuvor Gedanken gemacht. Danke Andrea für die schlaflosen Nächte!
Schlimmes Video: Youtube.
Dagegen ist so ein Roberto Blanco doch echt human.


Montag, 6. Juli 2015

Musik machen



Ihr Lieben, ich fröne gerade einem neuen Hobby: Musik machen am PC (mit Reason 8.3).
Die Ergebnisse sind -- für den, der mich kennt -- erwartungsgemäß. :)


Freitag, 3. Juli 2015

Sommer!


photo credit: 30th January - 338 via photopin (license)

Der zu Recht weithin unbekannte Barockdichter Johann Möchtegott Klöbel formulierte es in seinem so genannten Meisterwerk "Klebrig's Erwachen" (1655) seinerzeit so:
Ein Ohr noch im verschwitzten Laken,
das and're thut in den Himmel ragen.
Von draußen lästig's Geschab' der Grille,
Es fähret fort die Amsel mit Getrille'
Es dampfen Wälder, Wiesen, Seen,
Mir dampfen itzo schon die Zeh'n.
Oh, Sommer, in deinem klebrigen Bette,
Erwach' ich neben meiner Käthe.
Und bei uns?
Asphalt fließt in Zeitlupe die Straßen hinab, AKWs droht die Abschaltung.
Tümpel, Talsperren, Flüsse verdunsten blubbernd, gekochte Fische und Unken schwimmen an der Oberfläche, an den Rändern fläzt sich der Abkühlung suchende Mob.
In Beerdigungsinstituten ist mehr los als in Sonnenstudios.
Aufgedunsenen Bankangestellten angetan mit Schlips, Kragen und Jackett wird zum ersten mal in ihrem Leben Mitgefühl von ihren Kunden entgegengebracht. Zu Unrecht, wie ich finde.
Zäpfchen werden im Eisfach aufbewahrt.
Getränke verdunsten bereits im Mundbereich.
Im Getränkemarkt herrscht Endzeitstimmung - erst der Kampf um den Parkplatz, dann ist das Mineralwasser ausverkauft, sogar das Teure (Fachinger), die Kassenschlange Rotgesichtiger verschwindet irgendwo hinter dem von Hitze flirrenden Horizont.
Dehydrierte Menschen, nur angetan mit einem allzeit wringbaren Höschen kleben träge in ihren verdunkelten Wohnungen und wanken zwischen der Dusche, die längst statt kaltes nur noch lauwarmes Wasser spendet und einem durchweichten Sitzmöbel hin und her.
Ein Radiosender, der Rudi Carells "Wann wird's mal wieder richtig Sommer?" spielte, bekam binnen 8 Minuten 114 Bombendrohungen, beim BKA war man zu schwach, dem nachzugehen.
Der SPIEGEL schrieb, daß durch den temperaturbedingten höheren Testosteronspiegel die Leute zweimal mehr Sex hätten als sonst. Ein Bekannter, darauf angesprochen, ereiferte sich daraufhin angewidert: "Bäh, das wär' ja jetzt voll wie Schlammcatchen!"