Samstag, 29. November 2014

Zum Advent: Der Tempel der zerlegten Glückseligkeit

photo credit: IKEA Spandau via photopin (license)

1943 gründete Ingvar Feodor Kamprad mit zarten 17 Jahren das Unternehmen IKEA. Die folgenden Jahre tüftelte der Jungunternehmer daran herum, auf wen man die schlimmste Arbeit der Möbelindustrie, nämlich das Zusammenkloppen der Einzelteile zu fertigen Möbeln, auslagern könnte. Niemand wollte diese undankbare und schweißtreibende Aufgabe übernehmen - es war ein Dilemma! Vier Jahre Hirnschmalz später gelang es Kamprad 1947 erstmalig, einen Endkunden, Herrn Erik Brantgaard (52), dazu zu bringen, sein neues Sideboard fluchend und wie ein Schwein schwitzend selbst zusammenzubauen. Man hatte den Dummen fürs Zusammenbauen gefunden! Das Unternehmen IKEA begann nach diesem erfolgreichen Test sofort seinen kometenhaften Aufstieg. Später kamen noch Designer wie Tord Björklund mit ins Boot, die sehr dicke Bretter an die Wand dübelten, um Tand, Schnickes und - dem Trend folgend - das Zweitbuch darauf abzustellen. Kamprad, nicht doof, verkaufte den Kunden zum sehr dicken Brett ab sofort auch gleich noch den Schnickes und den Tand dazu. Heute gehört er zu den reichsten Menschen der Welt.

Doch weder Ingvar Kamprad, Tord Björklund und schon gar nicht Erik Brantgaard hätten sich das Gewimmel vorstellen können, welches sich an den vier Adventssamstagen in Deutschland in und um IKEAs abspielt.

Wenn man erst auf dem Parkplatz des Möbelhauses ankommt, wenn die kleinen Parkplatzwächter-Wichtel bereits getrocknete Tränenspuren auf ihren roten Wangen haben, dann kann man mit Gewissheit sagen: Ihr seid zu spät! Vielleicht bekommt man noch nach einigem hektischen Gegurke und zehn Minuten Stop & Go einen Parkplatz ganz hinten. Dann lässt man sich vom Strom hochwinterlich gekleideter Menschen in den Tempel der zerlegten Glückseligkeit treiben. Alles ist schwarz vor Menschen, Kinder wimmeln, wenn sie nicht winseln. Die labyrinthischen Wege kanalisieren die Shoppenden wie Vieh, das langsam voranstrebt. Arme greifen im trägen Getümmel rechts und links mechanisch nach Tand und Schnickes, der in riesigen, gelben Umhängesäcken verschwindet. Die Anspannung steigt.

Am Restaurant angekommen, fällt die Wahl nicht schwer. Köttbullar mit Rahmsoße und Pommes sind jetzt das ideale Pflaster für die waidwunde Seele. Nach dem Schlangestehen an Essensausgabe und Kasse kann man nun seine nicht mehr ganz warmen Schweinebällchen in einer der hinteren Ecken des Restaurants hinunterschlingen. Und weiter geht’s: Wir sind ja nicht zum scheiß Spaß hier!

In der sogenannten "Markthalle" bewaffnen sich alle mit Einkaufswagen, weil niemand mehr Lust hat, weiterhin wie ein Flüchtling den gelben Sack mit sich herumzuschleppen und sich die Körperhaltung ein für alle Mal zu versauen. Schon drei Meter weiter kommt es zum ersten Einkaufswagenstau, an den man sich schnell gewöhnen sollte, denn die nächsten 1,2 Gebäudekilometer legt man ausschließlich mittels Stop & Go zurück. Dabei hat man genug Zeit, sich mehr Tand und Schnickes zu greifen, als einem lieb ist.
Kaum eine Stunde später ist man sogar durch die Kasse, zahlt einen überraschenderweise dreistelligen Betrag für überbrachial parfümierte Kerzen in Gläsern und allerlei Gegenstände, an die man keine Erinnerung mehr hat, dass man sie je in den Einkaufswagen gelegt hat. Bevor man zu viel darüber nachdenkt kann man sich jetzt noch direkt hinter den Kassen nach bester IKEA/Kamprad-Tradition ein Hotdog aus hochsynthetischen Zutaten selbst zusammenbauen und es selbstverständlich lauwarm herunterschlingen.

Achtung: Wenn man die Kofferraumklappe noch geschlossen bekommt, dann hat man es nicht richtig gemacht. Zur Strafe muss man dann am nächsten Adventssamstag wieder hin.

Wer nun denkt, er hätte das Schlimmste hinter sich, darf zu Hause noch Möbel schleppen, zusammensetzen und dabei wie ein Schwein schwitzen, wie es seinerzeit Herr Erik Brantgaard vorgemacht hat.


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