Freitag, 11. März 2011

ru24 Mysterium 7: Unglaublich

Zur Geburtstagsfeier meiner Mutter hole ich Tante Walburga ab.
Weil ich weiss, dass die Tante bereits zehn Minuten vor meiner Ankunft gestiefelt und gespornt mit Kopftuch, Handtasche und schwerem Mantel hinter der Tür wartet, beeile ich mich. Kaum stehe ich mit dem Wagen um drei vor vier am Straßenrand, ist sie da.
»Och, das ist ja doch ein richtiges Auto!«, bemerkt sie anerkennend, »Ich hatte jetzt mit sonem komischen Dingen gerechnet!«, lobte die Tante meinen Smart Fortwo.
»Ja. Hier, sogar mit Steuerrad und allem!«, knirsche ich.
»Toll!«, sagt Tante Walburga ganz aufrichtig.

Wir fahren.
»Wollt ihr heiraten, deine Freundin und du?«, fragt sie unvermittelt.
Ich fahre in einen Kreisverkehr und wieder heraus.
»Och nö, das ist glaube ich nicht nötig«, sage ich, ergänze: »Und wir sind ja beide auch nicht die Allerchristlichsten.«
Tante Walburga aber schon.
In ihr arbeitet es.
»Du könntest dir doch wenigstens ein Hintertürchen offenhalten, so ein bisschen dran glauben. Der liebe Herrgott nimmt es da nicht gar so genau.«
Ich schnaube, will ihr aber nicht auf die Füße treten.
»Na gut. Auch als Existenzialist lasse ich mich ja gerne überraschen«, lenke ich ein.
»Ich will ja nur, dass du gut rüberkommst. Und dir einen guten Platz sicherst«, schließt die Tante
Faszinierend pragmatisch.

Später besichtigen wir zu dritt eine kleine Dorfkirche in Egen, das zu Wipperfürth gehört. Das Restaurant, in dem wir Kaffee getrunken und Waffeln mit Milchreis und Zimt & Zucker gegessen hatten, liegt nebenan.
»An der Monstranz leuchtet das Licht«, sagt Tante Walburga und deutet zu einem kunstvollen Schrein herüber. »Das bedeutet, dass die Hostien geweiht sind.«
Auch gut.
»Durch den Segen sind jetzt aus Hostien und Wein der Leib und das Blut Christi geworden.«
Soso.
»Das ist wissenschaflich bewiesen!«, trumpft die alte Dame auf.
Wow!!!
»?«, kommt es von mir.
»Wissenschaftler haben festgestellt, dass nach der Segnung wirklich Fleisch und Blut daraus geworden sind, allesamt haben sie sich hingekniet und gebetet!«
»!«, sage ich.
Mon dieu!
Solche Wissenschaftler gibt es heute gar nicht mehr ...

Ich stelle mir christliche Missionare bei Menschenfressern in Papua-Neuguinea vor: ›Nein, ihr dürft jetzt keine Leute mehr essen, sondern nur noch euren Heiland, der mit Magie aus Esspapier und australischem Merlot hergestellt werden kann!‹
Unglaublich!

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