Freitag, 31. Oktober 2014

TW 7 - Der Brot-Zwischenfall


Letztens Mittwochs hatte T.W. (Tante Waltraud) nur en paar Kleinigkeiten einzukaufen. Danach "wollten" wir Tante Walburga im Krankenhaus besuchen. Gesagt, getan. Am Krankenhaus angekommen nahm de Tante ihren Beutel mit den Einkäufen mit und alsbald fanden wir uns im Krankenzimmer ein.
"Hallo!", sagte ich zu der elend darniederliegenden Tante Walburga.
"Ich muss mal eben!", verkündete T.W. un verschwand.
Die nächsten 20 Minuten vergingen wat zäh, während ich versuchte, mit der arg maladen Tante Konversation zu machen. T.W. blieb währenddessen verschollen wie seinerzeit der Polarforscher Scott Anno 1912.
"Wo isse?", fragte ich nach einer Weile ratlos innen Raum.
"Och, se verläuft sich ja neuerdings schon mal!", hellte sich die Leidensmiene der Besuchten auf, se kannte dat wohl schon. Kurz bevor ich einen Suchtrupp mit Hunden losschicken wollte, tauchte T.W. gottlob wieder auf.
"Ich hatte mich verlaufen", sagte se.
Das wäre jetzt eigentlich gemäß meiner Uhr der Augenblick gewesen, an dem ich gerne "Arrivederci, Claire" gesagt vulgo "die Biege gemacht" hätte, aber de Tante war ja quasi justament erst eingetroffen. Jubilate! Se wühlte in ihrer Einkaufstasche und förderte ihre traditionellen Gaben, de Gold-Weihrauch-und-Myrrhe-Pendants Vollmilch-Schogetten, Tempo-Taschentücher un de Apotheken-Rundschau zutage.
Nach einer Weile brachen wir auf, ich fuhr de Tante nach Hause, froh, dass ich an dem Tag auch noch irgendwann Heim kommen würde. Beim Aussteigen fuhr de T.W. de Schreck durch de Glieder!
"Gottogott! Ich hab de Einkäufe stehen lassen!"
"Tantchen, wat war denn noch drin inner Tasche?"
De Tante konsultierte ihren Einkaufszettel. Abzüglich der Gaben, die sie verschenkt hatte, handelte et sich bei "ihren Einkäufen" um ein (1) Brot zu 1,27 EUR.
"Würdest du mir de Einkäufe noch holen?", fragte se als Angehörige einer Generation, die urst spendabel mit der Lebenszeit ihrer jüngeren Anverwandten umging.
"Tante. Du hast noch Brot zu Hause. Am Sonntag fahrt ihr doch wieder hin zu de Walburga, dann holste dir dat Brot einfach ab, dat ist dann auch noch gut!"
Wat wiederwillig stimmte se zu.

Auf der Fahrt nach Hause kamen mir erste Zweifel: Würde de Tante weitere vier Tage ohne ihr Brot zu 1,27 EUR leben können, zumal sie laut Google Maps 220 m vom Penny-Markt entfernt wohnt? Konnte dat wohl gutgehn?
Kaum zu Hause angekommen, rief ich en Bruder an und erklärte ihm die Sache.
"Ich weiß", sagte er. De Tante hatte wahrhaftig schon bei ihm angerufen, ob er ihr nich "de Einkäufe" ausm Krankenhaus holen könnte, Neffe Henning hättet ja nich gemacht.
Herr im Hemd! Man glaubt et nich!
Tags drauf hat der Bruder auf dem Rückweg vonner Arbeit nen Umweg am Krankenhaus vorbei gemacht, dat verdext kriegswichtige Brot zu 1,27 EUR abgeholt un ihr vorbei gebracht, damit de arme Seele endlich Ruh hatte!
Wat en Theater!