Mittwoch, 17. Dezember 2014

Die Zukunft

photo credit: Man holding object via photopin (license)
In meiner Kindheit war ich umgeben von 60er-Jahre-Büchern wie "Das neue Universum", deren "Themenwahl und inhaltliche Gestaltung (sich) durch einen starken Zukunfts-, Wissenschafts- und Machbarkeitsoptimismus aus(zeichnete)" (Link). Kaum ein Titelbild, das nicht einem Aspekt der Raumfahrt gehuldigt hätte. Das war die Zukunft! Der Held meiner Jugend war James T. Kirk. Als ich als Schüler, um 1980 befragt, mir die Zukunft des Jahres 2000 vorstellen sollte, gab es in dieser fernen Zukunft natürlich eine Station auf dem Mond und eine auf dem Mars, mindestens. Der Kontakt zu Außerirdischen war zu diesem Zeitpunkt fast schon gezwungenermaßen eingetreten. Ich las dutzende und aberdutzende Romane wie "Der Mond ist eine herbe Geliebte" von Robert A. Heinlein (Link), "Wasser für den Mars" von Isaac Asimov (Link) und Ray Bradburys "Mars-Chroniken" (Link).
So würde die Zukunft werden!

Doch da die NASA aber aus Kostengründen seit 1972 keinen Menschen mehr auf den Mond geschweige denn auf andere Himmelskörper gebracht hatte, wandte sich die SF bald anderen, inneren Themen zu – Cyberpunk & Cyberspace. 1982 erschien die noch heute absolut sensationelle Kurzgeschichte "Chrom brennt" (Link) von William Gibson, ein Meilenstein. Das Cyberspace war geboren, Gehirn und Maschine gehen in absehbarer Zeit eine nicht immer ungefährliche Beziehung ein. Das war die Zukunft! Im gleichen Jahr brachte Intel seinen 286er Prozessor auf den Markt (Link), der bis in die frühen 90er gebaut wurde, Disney brachte "Tron" (Link) in die Kinos. Ich las dutzende und aberdutzende Romane wie die "Neuromancer-Trilogie" von William Gibson (Link), "Snow Crash" & "Diamond Age" von Neil Stephenson (Link) und Walter Jon Williams "Hardware" (Link).
So würde die Zukunft werden!

Dann kam alles anders. Das SF-Genre wanderte weiter. Jetzt, in Zeiten, in denen Kühlschränke eine IP-Adresse haben und Handys einen Vierkernprozessor, soll eines Tages am Horizont der beständigen, sich beschleunigender Entwicklungen die Singularität (Link) aufscheinen. Dies ist der Augenblick zu Bewusstsein kommender künstlicher Intelligenzen, die bei dem ganzen Fortschrittsgedöns quasi zusätzlich noch die Turbo-Taste drücken, sodass ein "Danach" im völligen Vorhersage-Dunkel liegen muss. Das war die Zukunft! Außerdem hatte Mitte 2014 erstmalig die Maschine "Eugene Goostman" den Turing-Test bestanden (Link). Ich verschlang die Bücher des britischen Autors Charles Stross, allen voran den Kick-Ass-Technologieroman "Accelerando" (Link).
So würde die Zukunft werden!

OK, ich geb's zu, ich habe mittlerweile den Verdacht, dass auch das nichts werden wird.

Die Briten haben schon ein neues SF-Genre in der Mache, die "mundane Science Fiction" (Link). Dabei handelt es sich um eine realtiätsnähere SF als die der vergangenen Jahrzehnte. Man gibt sich erschreckend realistisch: Es wird (wegen Einstein) keine interstellare Raumfahrt geben, deshalb wird es auch nicht zu einer Kontaktaufnahme mit Außerirdischen kommen (weil die auch nicht da wegkommen, wo sie gerade sind, wenn es sie überhaupt gibt). Und Parallelwelten sind auch gestrichen. Konsens: Machen wir uns nichts vor, wir sitzen hier fest. Diese SF prognostiziert nur das Mögliche. Oder man geht dabei sogar so weit wie William Gibson, der gereift, nunmehr statt der Zukunft in seiner aktuellen Bigend-Trilogie nur noch "die Gegenwart vorhersagt" (Link). Ironischer- oder konsequenterweise sind die Bände dieser Trilogie (Mustererkennung, Quellcode, System Neustart) Stand 12/2014 nicht einmal als Kindle-E-Book erhältlich, sondern nur als gutes, altes Buch.

Um den großen Karl Valentin zu zitieren: "Die Zukunft war früher auch besser".


Ein Labsal: http://vimeo.com/108650530