Sonntag, 27. Mai 2018

ru24 Special: Portugal von A-Z (Teil 1 von 3)

Cascais

Auto

Der Portugiese fährt Auto wie Jason Statham. In einer kleinen Gasse im Gegenverkehr in sechs Zügen wenden wird von den betroffenen 33 Verkehrsteilnehmern nicht einmal mit einem Hupen kommentiert. Alle haben einen dicken Nerv und trauen sich was. Den Portugiesen beim Fahren zusehen, da kann man schonmal ne unterhaltsame halbe Stunde mit herumbringen. Mit dem Warnblinker kann man überall herumstehen, gerne warten auch Busse und Straßenbahnen auf unsere Freunde, die Wildparker in zweiter Reihe. Ansonsten: Hupen geht immer.
Auf Autobahnen geht es entspannt zu, alle halten sich an das Tempolimit von 120 km/h, auch Audi, BMW, Mercedes, da könnte Deutschland noch etwas von lernen.
In Portugal gibt es so viele Kreisverkehre, dass das Navi schon vom nächsten fabuliert, während man noch im Aktuellen steckt. Doch ach! Die meisten Kreisverkehre sind für Rest-Europäer zweispurige Todesfallen. Es gelten besondere Regeln in Portugal. Man blinkt links beim Einfahren und rechts beim Ausfahren und nur, wenn man die erste Ausfahrt nimmt, muss man nicht in den inneren Kreis fahren. Deshalb muss man beim Einfahren immer auf beide Spuren achten, auch wenn man die erste Ausfahrt nehmen will. Ich habe mir vorher Skizzen angesehen. Es gibt auch dreispurige Kreisverkehre, aber die sollte man als Nichtportugiese weiträumig umfahren.
Sonst geht’s aber.

Cascais
Reizender, kleiner Küstenort in der Nähe von Lissabon mit der besten Eisdiele ever (Santini). Auf der Terrasse des Restaurants, wo wir zu Mittag aßen, konnte man nicht überall sitzen, da die Holzdielen sich aus dem Lattenwerk lösten. Für einen geübten Handwerker á la Hornbach-Werbung wäre das eine Sache von zwei bis ein paar Stunden gewesen, aber hier ließ man das vorsichtshalber "so". Wenn die Gäste nicht so dolle mit den Stühlen kippeln, geht's ja! Der prekäre Charme, der einem hier entgegenschlägt, hat seinen Reiz.

diphthongisiertes Kaffeheißgetränk

Danke
Damen bedanken sich in Portugal mit „obrigada“, Herren mit „obrigado“.
Man kann auch „gracias“ sagen, aber dann bekommt man eine Eselsmütze aufgesetzt und wird zu Fuß nach Spanien deportiert, während hinter dir eine komische Nonne herläuft, die alle 12 Schritte „Vergonha!“ (Scham!) ruft.
Was das Spanische angeht, da sind die Portugiesen kleinlich.

Diphthong
Schon die Bezeichnung ist der Endgegner beim Buchstabierwettbewerb. Es handelt sich dabei um den Fachausdruck für „Doppelvokal“. „Ei“, „au“ und „eu“ sind Diphthonge. In Portugal gibt es eine etwas unübersichtliche Anzahl davon, was dazu führt, dass man den lokalen Milchkaffee „Galão“ = Galaoh[Ng] ausspricht.
Mehr dazu hier: Link.

Entsorgung
Auf Flaschen gibt’s kein Pfand, deswegen fliegen die in der ganzen Stadt herum. Es gibt ein paar Altglascontainer, aber die Leute stellen die Flaschen einfach daneben, auch wenn die Container leer sind – warum auch immer. Der Müll wird von den Anwohnern täglich in Säcken an die Straße gekippt und jede Nacht mit ziemlich viel Rumpeldipumpel abgeholt. Dabei bleibt der lose Müll liegen.

nur bedingt zum Verzehr geeignet

Essen gehen
Stehen Hanseln mit 6-sprachigen Speisekarten vor den Lokalen und quatschen dich voll: Never ever! Denn das geht niemals gut aus:
Contra: Man bekommt ein Stück Fleisch von etwas vager Provenienz. Fleisch generell hat oft eine angebrannte Note, wenn es auf offener Flamme geröstet wird. Verbrannt-flambierte Chorizo enthält sehnige Fettklumpen so groß wie Kichererbsen und ist dadurch nur bedingt zum Verzehr geeignet. Pro: Keine Angst vor Acrylamid – Pommes werden so fahl wie Fischbäuche serviert und sind so knusprig wie Puddinghaut. Contra: Gemüse wird völlig zerkocht. Wenn „Spinat“ auf der Karte steht, landet ein moosgrüner und ungewürzter Klumpen Kitt von der Größe eines Pingpongballs auf dem Teller, der überhaupt nicht zum Verzehr geeignet ist.
Der überwiegende Teil der portugiesischen Küche sind für den Tourismus entwickelte Rezepte aus den 50ern, die mit der Liebe und Sorgfalt eines Grills-Imbisses der frühen 80er zubereitet und im dazu passenden Ambiente serviert werden. Und im Zweifelsfall zahlt man für diese Art Küche 50-100% mehr, als dort, wo es leider lecker gewesen wäre.
Tipp: Am besten sucht man sich einen Hipster-Laden mit properem Corporate Design und isst Crêpes, einen Burger, was mit Pulled Pork oder moderne portugiesische Küche – zwei Personen mit allen Getränken zu knapp über 20,00 €.
Oder ja, wenn es unbedingt sein muss, Fisch.
Ja, Fisch geht, wenn man Fisch mag.
Meh.

Expresso
Merke: Nur in Portugal heißt der Espresso „Expresso“. Nur hier mit x.
Isso.

Fado
Fado (portugiesisch Schicksal; v. lat. fatum = Schicksal, göttlicher Wille) ist ein portugiesischer Musikstil. (Wiki).
Fado gibt’s in 3 Varianten: Fado Cozinha, Fado Deprimido und Fado Suicídio.
Beim F. Cozinha kommen Köchin oder Küchenhilfe spontan aus dem Kabäuschen und klagen operngleich den im Restaurant speisenden Gästen etwas vor, z.B. über den Stress beim Anlernen der doofen Küchenhilfe, die die Pommes so lange frittiert, bis sie cross sind.
Der F. Deprimido ist vergleichbar mit dem Blues. Es geht um Diskriminierung, Verrat, Verbrechen, Resignation, unerwiderte Liebe, Arbeitslosigkeit, Hunger, finanzielle Not, Heimweh, Einsamkeit und Untreue – Mehrfachnennungen möglich, man kennt das.
Beim heimtückischen Fado Suizidal versuchen Sängerin oder Sänger, emotional instabile Elemente unter den Zuhörern zu einem Selbstmord im Affekt zu motivieren. Nicht selten verletzen sich dabei Gäste spontan mit Steakmessern oder rammen sich einen Löffel ins Auge, viele nehmen später zu Hause Medikamente durcheinander.
Die berühmteste F.-Sängerin war Amália Rodrigues. Sie hatte bereits als Kind an allem etwas auszusetzen.

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