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Dienstag, 10. Dezember 2013

Aachener Weihnachtsmarkt

Aachener Weihnachtsmarkt by Max Mayorov
Aachener Weihnachtsmarkt, a photo by Max Mayorov on Flickr.

Wer seiner Liebsten oder seinen Lieben zur allerbesinnlichsten Vor-Weihnachtszeit etwa ganz Besonderes bieten möchte, kommt um den Aachener Weihnachtsmarkt fast nicht herum.
Schalalalala--la--la-lala!!!
Hach!
Schon beim Eintreffen in Aachen fällt auf - Mannomann, die Parkhäuser sind ja ganz schön voll! Aber kaum hat man ein paar Runden gedreht, hat man einen Parkplatz. Beim Heraustreten aus dem Parkhaus steht man kurz etwas fassungslos vor dem Straßenschild "Henger Herrjotts Fott" (vornehm: Hinter dem Hinterteil des Heilands, Info), aber nicht rumgestanden, los geht's, wir sind ja nicht zum scheiß Spaß hier!
Am Rande des Weihnachtsmarktes kam uns ein Ehepaar entgegen, sie sahen etwas knittrig und aufgerieben aus, die Knitter-Madame lamentierte mit leiernder Stimme: "Isch hab de Stände gar nisch gesehen!"
Wir kicherten haltlos - was für Vollpfosten! - und stürzten uns ins Getümmel.

Das besagte Getümmel: alles ist schwarz von Menschen. Es wimmelt, schiebt, drängt. Jeder Schritt ist ein Schritt im frontalen Gegenverkehr einer Prozession, eines Martinszuges, man kann es nicht besser beschreiben. Man wird umwimmelt, geschoben, gedrängt. An Glühwein, Reibeplätzchen und gebrannte Mandeln stelle man sich in erkleckliche Schlangen, dann geht es weiter mit dem Wimmeln, Schieben, Drängen. Da man sich ständig entweder aufwändig gegen den Strom vorankämpft oder auch mal energiesparend mit dem Strom schwimmt, kommt man den Buden und Ständen des Weihnachtsmarktes nicht einmal nahe, weil sie sind Inseln im Strom, in dessen Mitte man strampelt oder dahintreibt. Keinen Schimmer, was die da feilbieten in den zusammengezimmerten Hütten außer Glühwein, Reibeplätzchen und gebrannten Mandeln!
Am Ende, nach Stunden, ist man erschöpft im Geiste und die Kledage ist irgendwie knittrig und aufgerieben.
Wir machen uns auf in Richtung Parkhaus.
"Ich habe die Stände gar nicht gesehen!", sagt jemand.
Wir kichern haltlos.
Wir ja auch nicht!

Aber irgendwie sind wir ganz beseelt, sind geradezu aufgeladen von fast schon ekstatischer, allerchristlichster Besinnlichkeit, dass uns der Moloch nicht verschlungen hat wie ein Stück Fettgebackenes.
Schalalalala--la--la-lala!!!
Hach!


Oder elegant auf den Punkt gebracht (Zitat): "Weihnachtsmärkte dienen dazu, unsere Vorstellungen vom Ablauf einer möglichen Zombie-Apokalypse zu konkretisieren", "@MannvomBalkon, Twitter


Mehr Weihnachtsmarkt: Blogbeitrag


Freitag, 11. November 2011

Ich sag nur: Ostbahnhof!

http://bit.ly/uz42k1
Bahnreisen kann, um eine Redewendung von Max Goldt zu bemühen, ein "Jumbo-Pläsir" sein.
Wenn einem Fortuna hold ist. (Gemeint ist jetzt die römische Glücks- und Schicksalsgöttin und nicht irgendein Fussball-Quatsch.)
Im Herbst 1999 zum Ende der NRW-Herbstferien hatte ich einen damaligen Freund in Berlin besucht und war nun auf der Heimreise in Richtung Wuppertal.
Ich bin beim Bahnfahren kein Danger-Freak. Ich hatte also eine Fahrkarte mit Sitzplatzreservierung. Und da das nicht meine erste Bahnfahrt von Berlin nach Wuppertal zurück war, stieg Schweinchen Schlau am Ostbahnhof ein. Mit mir zusammen waren noch etwa 15 weitere Reisende im gesamten Zug. Ich tappte durch den leeren Wagen, suchte und fand anhand der Platznummerierung, die auch nach Jahren noch so wirkt, als sei sie von Geistesgestörten ausgewürfelt worden, meinen Sitzplatz, verstaute meinen Kram, holte mein Buch und meine Wasserflasche heraus und fing an zu lesen. Währenddessen lief der ICE in Berlin Zoo ein. Auf diesem Bahnsteig ging es zu wie in Kalkutta zur Rush-Hour, er war ein Vorhof der Hölle. Alles war schwarz vor Menschen, sofort schmierten quietschend einige Gesichter an den Scheiben vorbei und hinterließen hässliche Streifen - die Herren fettige, die Damen bunte. Der Zug wurde von den Andrängenden etwas eingedrückt. Als sich die Türen öffneten, quollen die Heimreisenden sofort wie eine biblische Plage in das gerade noch so stille Reisegefährt.
Staunend legte ich mein Buch zur Seite.
Da die Bahn ja nicht dazu in der Lage ist, die Sache mit der Sitzplatznummerierung für menschliche Gehirne nachvollziehbar hinzukriegen, stiegen nun statistisch gesehen 50% der Hereinströmenden auf der falschen Seite des Waggons ein. Menschen mit riesigen Gepäckstücken, Paketen, Kindern, Hunden brachen sich unter großen Tosen und Lärmen bahn. Gepäckbeladenes Pressfleisch quetschte sich ächzend durch den 63,6 cm breiten Mittelgang, überbreite Rollkoffer scheuerten die Sitzreihen entlang. Taschen bollerten an die Ärmel, Schultern, Köpfe der Sitzenden. Kinder schrien, Hunde bellten. Rufe wurden laut. In der Mitte des Wagens trafen sich die ersten direkten Kontrahenten, die aneinander vorbei wollten, aber nicht konnten.
Hinter ihnen stockte die zuckelnde Menschenkette überhitzter Beladener.
Der Zug war seit längerem angefahren.
Ich hatte mein Buch nicht wieder aufgenommen, sondern starrte auf die Szenen, die sich mir boten. Es war wie Loriots Flugzeug-Sketch auf Droge.
Erstes Kinderweinen machte darauf aufmerksam, dass bei der Stampede beim Besteigen des Zuges Kinder von ihren Familien getrennt worden waren - schrecklich! Am schlimmsten trifft es ja immer die Kinder!
Ein Organisationstalent fing an, Gepäckstücke über Kopf von Mann zu Mann durch den Mittelgang schaffen zu lassen, auf die Art wurden einige Koffer und Taschen von einem Teil des Wagens in den anderen verfrachtet und umgekehrt, was half, zuletzt reichte man das weinende Kind weiter, eine Art juveniles Stage Diving. Die Familienzusammenführung war tränenreich und anrührend.
Eigentlich hätte man nun auch den DB-Schaffner durchreichen können!
Jemand kam auf die Idee, die kläffende Teppich-Hupe vom falschen Ende ebenso zu ihrem Herrchen zu verschaffen. Das klappte gar nicht. Vom Geräusch her klang schon der Versuch, das Vieh hochzuheben, als habe ein Werwolf einen epileptischen Anfall, dann Schluckauf.

Langsam, ganz langsam diffundierten die beiden gegensätzlichen Strömungen aneinander vorbei, jeder Schritt eine Balance- und Kraftakt.
Erst als der Zug Hannover erreichte, saßen alle auf ihren Plätzen und ich konnte endlich zu meinem Buch greifen.

Ich sag nur: Ostbahnhof!

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P.S.: Hier noch ein kleiner aber wichtiger Ratgeber zum Bahnfahren: Blogbeitrag