Samstag, 4. Februar 2012

Fragen an ru24: Gehirnwäsche

http://bit.ly/AendMa
Elke R. aus M. fragt wieder.
(diesmal sehr ausführlich) "Lieber Dr. Rundumschlag24, warum hadern Männer mit ihren Bäuchen, wobei die berechtigten Frauen in der Regel diesen haptisch sehr zu schätzen wissen? Ganz von Freunden abgesehen, die zur Begrüßung (oder heimlichen, buddhistischen Ritual) gern mal übers Wohlstandswimmerl streichen? Und warum hadern Frauen mit ihrem Busen, Bauch, Po, Schenkeln, wenn gross angelegte Studien ergaben, dass Männer zwar gerne Covergirls angucken aber im Bett lieber eine weiblich proportionierte Freundin haben? Wer steckt hinter dieser Gehirnwäsche, die uns anscheinend durch Werbung, Kunst und allgemeine Menschliche Abbildungen (meist manipuliert durch Bildbearbeitungsprogramme) manipuliert?"

ru24 antwortet: Liebe Elke,
das Nachfolgende habe ich jetzt mal "aus dem Bauch heraus" geschrieben, ich kann ja aus den Vollen schöpfen:
Wenn man sich in unseren Städten umsieht, stellt man fest: Die meisten Menschen entsprechen überhaupt nicht dem Schönheitsideal. Ich kann mich erinnern, in Remscheid mal eine halbe Stunde im Strom der Passanten nicht einen einzigen Menschen gesehen zu haben, der irgendeinem landläufigen Ideal auch nur nahe kam. Das kann aber auch an Remscheid gelegen haben...

Es scheint ein allgemeines Schönheitsideal zu geben, das alle Menschen teilen: gute Haut und ein symmetrisches Gesicht. Lepra und zwei verschieden hohe Augenhöhlen wie beim Glöckner von Notre Dame kommen also nirgendwo wirklich gut an. Darüber hinaus wird als Ideal in der Regel das angesehen, was die Meisten gerade nicht haben. Wenn der Großteil der Bevölkerung auf Äckern schuftet ist der blasse Adel das Ideal. Malochen die Leute in Fabriken sowie unter Tage während das Jetset Strand und Azzurro genießt, dann ist beim Pöbel eben Bräune angesagt. In Ländern mit großer Nahrungsmittelknappheit ist dick mehr als schick und in Nationen mit Nutella zu 1,99 an jeder Ecke, mag man es perverserweise gertenschlank. Asiatinnen lassen sich europäische Augen machen, Afrikanerinnen glätten sich die Haare und wir westlichen Deppen diäten auf Teufel komm raus und rennen ins Fitness-Studio.
Ideal ist das, was die Meisten nicht haben.

Die Ikonen dieser immer nur aktuellen Strömung sind die Models, hyperideale Lichtwesen (zumindest nach einigen Runden digitaler Bildbearbeitung). (Faustregel für den Herren: Models sind zum Kucken, Modelle zum Anfassen.) Diese filigranen Geschöpfe castet man ja ursprünglich schon aufgrund der Tatsache, dass sie einem gewollten Typus bereits ad hoc überentsprechen. Man möchte nämlich mit ihnen lügen. Für die Werbung, zum Zwecke der Gehirnwäsche. Es geht ja darum, etwas mit ihnen verkaufen. Und genau so wenig real wie die Rama-Familie oder Waschmittel, die ölige Lappen blendend weiß waschen, sind diese dürren Hippchen mit einem Body Mass Index (BMI) kleiner/gleich 18, denen man noch eine digitale Patina aus Bildbearbeitung aufgezogen hat, wie eine zweite Haut.

Ich kann mich an ein Biologie-Buch zum Thema "Verhalten" erinnern, da wurde Amselküken im Nest eine Muttersilhouette aus schwarzer Pappe vorgehalten. Die Küken sperrten die Schnäbel auf, wollten gefüttert werden. Dann hat man diese Attrappe übertrieben. Die Vöglein sperrten die Schnäbel weiter auf. Noch stärker übertrieben. Noch weiter aufgerissenen Schnäbel. Das ließ sich einen Weile weiterführen, bis es Über-Übertypisiert war, dann merkten auch die Küklein, dass da was nicht stimmte.
Die Küken, das sind wir. Und die Attrappe sind die Models.
Wer das verinnerlicht, dem kann Rettung zuteil werden.

Wer nämlich diesem Attrappen-Ideal zu unkritisch nacheifert (anfällig: Jugendliche), dem drohen Gefahren für Leib, Seele und Leben, also irgendwas zwischen Essstörung und Suizid. Man muss schon ein gerütteltes Maß an Reife besitzen, hier mit Bedacht drauf zu pfeifen. Charakterbildung kann helfen. Oder ein christliches Elternhaus.
OK, dann doch lieber Charakter.