Letztens war ich in einer Bäckerei. Das zumindest ist der Euphemismus ("Schönfärbewort") für den Laden, der eigentlich nur ein "Industrie-Rohling-Aufback-Shop" ist, der sich noch zu allem Überfluss im OBI-Markt Wermelskirchen eingezeckt hat.
Dort gab es nicht einmal Kürbiskernbrötchen, man stelle sich das einmal vor!
Stattdessen werden irgendwelche Frauen angelernt, Industrie-Rohlinge, die aussehen wie blasse Maden, in einen Ofen zu stecken und aufzubacken, bis es piepst. Ganz große Sache! Das kann man mit Knack & Back auch zu einem Viertel des Preises zu Hause haben. Leider bin ich schreckhaft und fürchte mich immer zuckenden Auges und bebender Wange vor dem Moment, an dem das Verpackungs-Rohr mit den Brötchen aufpoppt. Eines Tage bekomme ich noch mal einen Herzriss vom Knacken & Backen.
Sei's drum: so genannte "Bäckereien", in denen es nicht einmal Kürbiskernbrötchen gibt, sollten es quick & dirty mit einer Abrissbirne zu tun bekommen. Eröffnen sollte dort – auferstanden aus Ruinen – eine richtige, altmodische Bäckerei. Ein lichtdurchfluteter Ort, wo mit echtem Mehl (!) gebacken wird und wo es auch Kürbiskernbrötchen gibt, am liebsten mit im Boden eingebackenen Sonnenblumenkernen. Und einen richtigen Bäcker soll es dort geben, mit einer schwarzweiß karierten Hose, weißem T-Shirt und einer weißen Mütze, dessen Händedruck mit Leichtigkeit Mittelhandknochen zermalmt. Auch darf eine liebliche, rothaarige Bäckerstochter dort ein wenig kokett herumscharwenzeln und ggf. an einem Lutscher lutschen, wenn ihr der Sinn danach steht.
Jetzt war ich aber schon einmal in dieser zum Shop degenerierten Bäckerei, ich wippte ein wenig auf den Fersen und blies angesichts des REIN AUF VOLUMENS getrimmten Angebots fragend die Wangen auf. Hier gab es titanische Muzen und elefantöse Puddingbretzeln, gigantische Krapfen und megalomanische Berliner mit Zuckerguss in Leuchtfarben. Die blonde Aufbäckerin aber war gottlob freundlich und hilfsbereit, sie kannte mein Problem sicher schon. Sie empfahl mir als Alternative zu den Kürbiskernbrötchen ein Dinkelbrötchen mit dem Zusatz: "Dinkel, das ist eine alte Getreideart". Hört, hört. Das ist ja fast wie bei Spinat, das ist eine alte Gemüseart! Oder wie bei Apfel, das ist eine alte Obstart! Ich nahm zwei dieser kissenartig aufgeblähten, dunkelbraunen Brötchen mit Körnern aus altem Getreide oben drauf – ein schrecklicher Fehler. In der Firma angekommen nahm ich den Binford-Trennschleifer zur Hand, trennte die Backlinge angetan mit Splitterschutzweste und Schutzbrille auf, strich dann Butter und Marmelade darauf. Die Brötchenhälften schnitten mir beim Reinbeißen in die Mundwinkel, die auf dem Brötchen festgebackenen Körner gaben mir während des Kauens ein Gefühl, als würde ich auf einer Handvoll Lego herummalmen. Nur irgendwie härter. Ich aß die Teile auf, man muss schließlich an hungernde Waisenkinder in aller Welt denken, bevor man solche sog. Nahrungsmittel ihrer tatsächlichen Verwendung zuführt: Türen damit abschleifen.
Vier Tage später waren meine Mundwinkel noch nicht verheilt, Fremde sprachen mich auf der Straße darauf an.
Kollege Raimund berichtete mir, auch ihm sei Ähnliches schon vor Jahren beim Zivildienst widerfahren, sein ganz privates "Nahtoderlebnis mit einem Körnerbrötchen".
Das alles ist nicht so schön.
Aufgepasst ihr Abrissbirnen: Es gibt viel zu tun – packen wir's an!