Mittwoch, 31. Juli 2013

Vatter 2: Heiliger Zorn

http://goo.gl/AHglyH
De Vatter sammelte Briefmarken. In den 80ern waren alle paar Wochen Briefe mit den Neuerscheinungen in der Post. De Vatter nahm dann Alben, Lupe und Pinzette zur Hand und sortierte am Wohnzimmertisch sitzend de Marken ein. Seine Sammlung "postfrischer" Briefmarken der BRD war lückenlos (hier).
Irgendwie hatte er "im Hinterkopf gehabt" (seine Redewendung), dass das Sammeln von Briefmarken nicht nur beschäftigt, bildet und beruhigt, sondern auch als Geldanlage "irgendwie rockt" (er wird es anders formuliert haben).
Eines Tages beschloß de Vatter, das zu prüfen. Er nahm den Taschenrechner zur Hand und addierte in buchstäblicher Kleinstarbeit seine postfrischen Marken auf. Nach Stunden, Tagen kam er auf so etwas wie 2.207,85 DM.
Mit den Alben in einer großen Tüte fuhr er in ein Spezialgeschäft für Numismatiker (Münzsammler) und Philatelie (Briefmarkensammeln).
Der Ladeninhaber blätterte die ihm zum Kauf offerierten Alben mit gekonntem Desinteresse und in Teilen professionell angewidert durch und bot meinem Vater dann aus "reinem Gutmenschentum" 600,00 DM.
Dem Vatter schwoll 'ne Ader. Er sammelte seine Kleinodien etwas überhastet ein und verließ knappen Grußes recht steifbeinig das Etablissement.
Zu Hause angekommen überfiel ihn ob dieser vermeintlichen "Geldanlage" sein berühmter "Heiliger Zorn". Er kündigte das Sammler-Abonnement und klebte von nun an (bis zum 01.07.2002) hoch-exotische Briefmarken auf jede noch so banale Korrespondenz - weil er es konnte. Oft waren zwei Marken und eine leichte Überfrankierung nötig, um den aktuellen Frankaturwert zu erreichen, hier trafen sich "Kirchentag 1967 in Hannover" und der "100. Geburtstag von Joachim Ringelnatz" (1983) zu einer zornigen Collage, um an einem Prisma-Kreuzworträtsel-Wettbewerb teilzunehmen.
Die einst so vollständige Sammlung ist nun ein Leerdammer.

Manchmal, wenn mich "Heiliger Zorn" überfällt, dann weiß ich, von wem ich das habe.