Mittwoch, 28. August 2013

Photogeschwurbel

http://goo.gl/YwVnVy
Seit einiger Zeit gibt es bei Facebook eine Gruppe "Photogeschwurbel" (Name geändert). Hier treffen sich Photointeressierte (alles mit ph) aus Wuppertal und Umgebung zum Austausch von Photowissen und gelegentlichen Treffen bis hin zu Phototouren und Coachings. Am besten hat man eine digitale SLR für 800,00 EUR aufwärts, besser investiert man mit allem Schnickes an Zubehör bis zu dem 5-fachen. In der Gruppe posten die Vögel (bzw. Phögel) dann ihre Photos mit ph:

Da ist zum Beispiel „Gerhard K.“, der fotografiert am liebsten grausam nichtssagende Gebäude wie die „Sparkassenfiliale Remscheid-Hasten“ oder „marodes Stadthaus Wuppertal-Cronenberg“. Und weil das alles so lähmend uninteressant ist, fummelt er einen fetten HDR-Effekt drauf, bis die Bilder vor Unnatürlichkeit quietschen - als würde man sie durch digitales Bonbonpapier betrachten.
Tipp: Leider wissen das wohl nur Profis: HDR rockt, aber nur, wenn man es nicht sieht.

Da sind die Frauen „Sabine H.“, „Wiebke S.“ und „Ingrid V.“, sie knipsen tapfer was das Zeug hält, am aller-aller-aller-liebsten Gräser mit unscharfem Hintergrund (selektive Unschärfe). Aber wenn es dann darum geht, dass sie ihre Bilder zeigen, dann zieren sich die Damen. Da basteln sie vor der Veröffentlichung im Forum lieber tapfer pastellfarbene Rahmen um die Bilder oder verbauen bis zu sechs ihrer Fotos zu einer Art lavendelfarbener Gräser-Fotoalbumseite, ganz so, als sei ein einzelnes, „nacktes“ Bild es nicht wert, überhaupt gezeigt zu werden.
Tipp: Seid selbstbewusster.

Dann ist da „Martha R.“, die weniger Wert auf das Fotografieren an sich, aber mehr Wert auf trickreiche Bildbearbeitung legt. Da sie von Letzterem leider genauso wenig Schimmer wie von Ersterem hat, postet sie in einer Tour ihre ihre drastischen Fehlversuche wie gewagten Fragen: „Wie kriegt man das hin, dass Gesichter noch unnatürlicher aussehen als mit dem Photoshop Plasticky-Plugin (bei alle Knöpfe auf 10)?“
Tipp: Das alles interessiert doch kein Schwein. Ansonsten gilt das Gleiche wie für HDR, Madame.

Der Rest postet Fotos von übersichtlich bekleideten 17-jährigen M(o)/(ä)dels – Kunststück! Da kommen in aller Regel gelungene Bilder bei herum, es sei denn, man verreißt die Kamera auf den auf der Couch sitzenden, gelbe und unregelmäßige Zähne zeigenden Nackmull.
Tipp: Manchmal ist weniger mehr, aber in diesem Falle ist es gegebenenfalls umgekehrt.

http://goo.gl/mbDOlm (Billoknipse)
Dann kam der große Tag, der erste Photowalk! Es ging zur Henrichshütte nach Hattingen. Ächzend und schwer beladen wie die Sherpas trafen die Photo-Walker am Parkplatz des Industriedenkmals ein. Um ihre Hälse hingen riesige Spiegelreflexkameras mit megalomanischen Tele-Objektiven, auf den original-Tragegurten stand in der Regel CANON oder NIKON. Um noch einige, wichtige Kamera-Zentimeter dazu zu bekommen, waren auf die großen Zoom-Objektive trutzige Sonnenblenden gesteckt worden - trotz sehr übersichtlichen Sonnenscheins. Die ohnehin wulstigen Chassis der Kameras waren mit Zusatz-Batteriegriffen versehen, die nochmal die Klobigkeit des Ganzen um bis zu 45% zu steigern wussten. Nicht kleckern - KLOTZEN!!! Objektivrucksäcke und Profi-Stative waren Pflicht, nicht Kür. Im Grunde waren alle (bis auf wenige) schon vom Equipment her bereit, jahrelang als Kriegsberichterstatter im Gebirge verlorenzugehen. Nur ein paar Looser und Hungerleider trauten sich ernstlich, mit ihren Billoknipsen oder sogar mit dem Handy hier aufzulaufen - tsts!!! Grundgütiger - die haben ja Nerven...
Nach dem Ablichten diverser Nasen und des ehemaligen Stahlwerks traf man sich im Restaurant. Ihre schwarzen, gummierten Riesenkameras legten alle vor sich auf die SEHR lange Artus-Tafel. Gottogott: Es sah aus wie ein grotesker Schwanzvergleich im Lack-und-Leder-Swingerclub - irgendwie eklig.

Kaum zerstreuten sich die Massen, posteten kurz darauf die Ersten in der Facebook-Gruppe "Photogeschwurbel" ihre an dem Tag geschossenen Bilder:
Gerhard K. hatte einen schmerzhaften HDR-Effekt auf jeden rostigen Tank gelegt, den er hatte ablichten können.
Sabine H., Wiebke S. und Ingrid V. hatten total hübsche Fotos von Gräsern vor rostigen, unscharfen Tanks gemacht. Dann hatten sie vage fliederfarbene Rahmen drumherum gebastelt oder Fotoalbumseiten draus gebaut. Voll total nett! Echt!
Martha R. hatte ihre 1.200-EUR-Kamera auch irgendwo hin gehalten, ihre Ergebnisse hatte sie mit diversen Photoshopfiltern zu Antoni Gaudís LSD-Träumen verunstaltet und noch ein Dutzend schlecht ausformulierter Fragen dazu gestellt, die kein Schwein interessierten.
Die Übrigen hatten an der Henrichshütte heimlich ihre 17-jährigen Töchter oder Nichten ausgepackt und diese teilentkleidet vor industriellem Verfall posieren lassen - you can't go wrong with that!


Dito: (Blogbeitrag)