Sonntag, 29. Juni 2014

"Nothing to fear but fear itself" (Franklin D. Roosevelt)

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Der Bürger an sich ist ja eigentlich schon schwindelig genug, fährt zur Arbeit von Pontius nach Pilatus, Abends von der Arbeit zum Pilates. Kochen, Kinder, Kneipe, Freunde, Facebook, zwischendurch im Job mehr leisten, mehr Sport treiben. Bio einkaufen, den Bälgern Nachhilfe geben, mit dem verflohten Flokati zum Tierarzt, dann Gassi und nach Hause. Bis die Blagen im Bett sind, ist es fast elf und die Hütte sieht aus wie Sau. Die meisten Menschen haben in diesem Augenblick nicht mehr die Muße, sich jetzt noch sechs Stunden lang durch die Bleiwüste einer Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu wälzen. Die überaus differenzierten Berichte zur Lage der Nation zu lesen und vor allem zu verinnerlichen. Stattdessen sitzen sie, mattgepaukt von des Tages Knechtungen, vor der Glotze und ziehen sich zu Bier & Chips Schrott rein, den ihnen eine zu stark geschminkte, sog. "Journalistin" (Muhaha!) vorsülzt. Hier wird nach erprobtem amerikanischen Vorbild die Angst des Bürgers gezeugt und geboren, ihm eingetrichtert, wenn er am wehrlosesten ist.
Klappt!


Es ist die Angst davor, von asylsuchenden Fremden überrannt zu werden, vor dem Islam allgemein, vor E10-Sprit, vor Killerbienen, vor neuen Allergenen, Jobverlust, Russland, multiresistenten Keimen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Islamisten. Es ist die Sorge vor der zu erwartenden Winz-Rente (die uns alle zu Obdachlosen machen wird), NSA, Ärztepfusch, wieder Jobverlust (aber aus anderen Gründen), Gift im Trinkwasser, Inflation und Deflation und den Pollen neu eingeschleppter Pflanzen. Es wird Furcht in die Köpfe gesät vor Meteoriten, Chlorhühnchen, Aluminium im Deo, Genmais, Veränderungen allgemein, neuen Stromtrassen – die Liste ist endlos – gut für die, für die Angst ein Riesengeschäft ist.
Aber was wäre der Bürger denn ohne diffuse Ängste? Ohne diese Ängste würde er ja viel weniger konsumieren. Das geht ja gar nicht!

Siehe z.B. den GAU in dem japanischen AKW Fukushima: Ein paar Stunden nach der Meldung waren in den deutschen Apotheken die Jod-Tabletten ausverkauft (Blogbeitrag). Und E10 hat sich drei Jahre nach Einführung 2011 auch noch nicht so recht durchgesetzt (Blogbeitrag). Die ängstlichen Herrschaften tanken nach entsprechender Berichterstattung lieber weiterhin spei-teures Shell Super Plus Racing Mango Chutney (Blogbeitrag), infizieren sich aber im banken-finanzierten Auto immerhin nicht mit Bus-Killerkeimen. Gegen das Gift im Trinkwasser hilft es, Sprudelkisten zu schleppen, gegen den Rentenschock kann man schon jetzt so allerlei ansparen und gegen sich verteuernden Strom kann man sich Solarzellen aufs Dach pappen. Um das alles bezahlen zu können, kann man man ja (ebenso nach amerikanischem Vorbild) einen Vielzahl "günstiger" Kredite aufnehmen, das machen ja alle so. Die Sparkasse bietet mittlerweile an, alle Darlehen, die man hat, zu einem Einzigen zusammenzufassen - damit man noch klar kommt. Das nennt sich "Kreditoptimierung" und kostet natürlich extra.
"Alles was du hast, hat irgendwann dich", heißt es in Fight Club.
Es wurde selten wahrer gesprochen.

Der Angstbürger kann jetzt zu den horrenden monatlichen Zahlungen nicht auch noch Veränderungen im Wohnumfeld ertragen (Blogbeitrag). Er kann ja nicht mehr weg, das Haus muss er schließlich bis 2045 abbezahlen. Atomkraftwerke & Atommüll-Endlager in nächster Nachbarschaft gehen aus nahe liegenden Gründen nicht, aber Windkraftanlagen oder neue Stromtrassen zum Transport der Energien aus Windkraftanlagen gehen widersinnigerweise aber auch "irgendwie" nicht! Da bricht der Angstbürger nämlich aus seiner Angststarre aus und wird zum Wutbürger aka Mitmachbürger. Hey! Wenn man sich ja sonst nix mehr leisten kann: Protestieren geht immer! Und ständig ist ja was: Die Mächte der Finsternis wollen bauen, bauen, bauen: einen Golfplatz, Windkraftanlagen, einen Jugendknast, einen IKEA, eine Forensik, um nur die großen Nöte der Wuppertaler Bürger zu benennen. In Grimma konnten die Wutbürger immerhin schon erste Erfolge erzielen: Rechtzeitig vor dem Jahrhunderthochwasser konnte der Bau einer Hochwasserschutzmauer verhindert werden! Glückwunsch an Grimmas Wutbürger, sie sind komplett abgesoffen. Die Schuld tragen natürlich die Anderen (Focus-Artikel).

Drittes Jahrtausend - hey! - die Energiewende rollt an, die Offshore-Windparks könnten bald Energie in alle Teile der Republik liefern, doch ach! Erstmal muss eine neue Nord-Süd-Trasse für Strom her, die sog. „Suedlink“-Stromtrasse. Und plötzlich sind wieder tausende Bürger auf der Straße, wollen mit allen Mitteln verhindern, dass diese Stromleitung bei ihnen auch nur am Horizont entlang gebaut wird! Man hört ja so viel, man muss an die Zukunft der Kinder denken! (Na, wer hat da wohl zu viel ferngesehen und sich von übertrieben geschminkten Nachrichten-Medusen mit diffusen Ängsten aufladen lassen?)
„Mögliche gesundheitliche Auswirkungen bewegen die Menschen besonders“, greift Landrat Spieker Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern auf. Daher plant der Landrat gemeinsam mit dem heimischen Bundestagsabgeordneten Christian Haase eine zentrale Informationsveranstaltung im Kreisgebiet, die gesundheitliche Fragestellungen zu der geplanten Gleichstromverbindung zum Thema hat. (Quelle)
"Mögliche (...) Auswirkungen (...) bewegen die Menschen": Genau. Keinen Plan von nix aber auf diffusen Verdacht hin mal Randale machen und ne Bürgerinitiative raushauen, so sind se, unsere Wutbürger!

Jetzt mal in echt: Direkt unter einer Hochstromtrasse wollte ich auch nicht leben. Aber, lieber Gott, man kann sich doch informieren. Das ist doch keine Alien-Technologie oder ein Geheimprojekt der US-Regierung! Dann recherchiert man mal in diesem Internet und findet ganz schnell heraus (Hände weg von Eso-Seiten, Indiz: Werbung für Orgon-Strahler), dass 200 m Abstand zu einer Hochspannungsleitung reichen (Quelle). Jetzt könnte man das mal einfach nicht glauben und nimmt forsch das Fünffache an, also 1.000 m. Auch gut! Aber das war's doch jetzt, oder? Herrgott, da muss man doch nicht extra an einem Mittwochabend zu einer "zentralen Informationsveranstaltung im Kreisgebiet" gehen. Es sei denn, sie bieten lecker Schnittchen und O-Saft an.

Fazit:
Leute, Leute, Leute! Wenn euch jemand Angst macht, dann doch nur, weil mit dieser Angst Milliarden umgesetzt werden. Ihr seid das Melkvieh der Nation, vergesst das nicht. Und sie tun alles, damit ihr die Milchquote übererfüllt. Aber ihr könnt euch schützen. Lasst einfach die Glotze aus. Ich sehe seit dem 12. September 2001 nicht mehr fern (schaue aber gerne noch Serien von DVD und von Festplatte). Fast dreizehn Jahre später habe ich meine Momente, an denen ich weder Angst vor "möglichen Auswirkungen" noch irgendeinen Konsumwunsch hege.
Yay!!!
Diesen paradiesischen Zustand werde ich nicht mehr hergeben.
(You have) "Nothing to fear but fear itself" (Franklin D. Roosevelt)

Und lasst endlich diesem lärmenden Bürgermitmachquatsch, das ist sowas von peinlich!

Hier ein paar Tipps und ein weiterführender Link zum fernsehfreien Leben (Blogbeitrag).