Donnerstag, 26. Januar 2012

Queen Mom 13 - Das Grabmal des unbekannten Soldaten (2004)

http://bit.ly/w7lcrj
Novembersamstag, de Tag vor Totensonntag, et hatte geschneit. Ich fahre zu Mom, mein Chauffeur- un Einkaufen-Gehen-Job.
»Wir müssen mal eben noch zum Blumenladen«, sacht se.
Ich mach en fragendes Gesicht.
»Für beim Papa auf'm Grab«, sacht se.
»Hm. Meinst du, dat der da wat von hat?«, frag ich zweifelnd. Meinen Atheismus un de Verneinung det ganzen Brimboriums hab ich ja von em.
Mutter zieht nen Flunsch.
»Die Leute fragen doch, ob wir wat hingelegt haben«, sacht se.
Sicher, sicher.
Wir fahren.
Am Blumenladen deutet se auf en riesiges Gesteck aus Tannenzweigen, Zapfen un Zeugs.
»Dat da sieht aus, als würd et lange halten«.
Mysterien. Ich nick. Queen Mom geht zahlen. Ich nehm derweil dat Dingen, pack et int Auto.
Mal eben zum Friedhof.
Keine Parkplätze vorne, aber et gibt ja nen Hintereingang. Ich parke.
»Ist de Wagen auch wirklich zu? Ich hab gelesen, de klauen hier wie de Raben!«
»Jip, ist zu«, attestiere ich.
Ich oberkellnere dat Gesteck in de Linken, de Mom hab ich am rechten Arm. De Friedhof ist reinweiß.
»Kuck mal, mein Gott, de Otto Schurichs!«, sacht se.
Da hier außer uns niemand is, vermute ich richtig, ein Grab.
»Wer war Otto Schurichs?«, frag ich.
»Der hat nach'm Krieg mit deim Papa Bäume gefällt un so«.
Ach, echt? De Vatter!
Wir zuckeln weiter.
»Jo, de olle Frau Celm!«
»Aha. de hat früher bei de Omma unten ein gewohnt, ne?«
»Jo. Mein Gott, ist dat schon lange her!«
Das Todesdatum ist von 1982, vor dem Geburtsdatum wächst ein Lebensbäumchen. Wir zuckeln weiter. Mein Oberkellner-Arm rumort. Hätte ich mal besser nachm Krieg wie de Vatter Bäume gefällt un so, statt immer nur am Schreibtisch zu hocken.
»Hier rein?«, frag ich.
»Nee.«
Weiter gehts.
»So! Ich glaub da hinten!«, sacht se wie immer ohne auf wat zu zeigen, »ich orientier mich immer an dem Dingen da... oder vielleicht an dem Dingen... ?«, wieder ohne auf wat zu zeigen.
Dat Gesteck wird langsam wat lästig.
»So!«, sacht se, »Wir müssen uns hier links halten!«
»Sieht irgendwie nich danach aus«, sach ich.
»Mein Gott!«, sacht de Mutter. »Von der Seite vom Friedhof her findse ja nix!«
»Vielleicht da hinten?«, frag ich. De Gesteckarm wird innen wat warm.
»Nee!«, sacht Mom nachdrücklich, »Aber haste dein Dingen dabei?«
Wie gewohnt gehe ich de Pfade vonne Möglichkeiten durch. Nach ein paar Sekunden fummel ich mein Handy aus de Tasche.
»Jo! Ruf mal eben de Waltraud an!«, sacht se, aber ich wähle schon de Nummer.
»Ja-haa?«, so meldet sich de Tante, de Schwester meiner Mutter immer.
»Hi, ich bin's«, sach ich. So melde ich mich immer.
»Ah, ja!«, sacht de Tante nach einigen Sekunden.
»Hörma', wir sind gerade auf em Friedhof un wollen en Gesteck auf Papas Grab legen, et hat aber geschneit un wir finden et nich!«, sach ich.
»Ah, hmm!«, sacht de Tante, dann nach einer Pause: »Ihr müsst links an dem Brunnen reingehen, dann auf de linken Seite«.
»Ja, un dann?«
»Ein oder zwei Gräber neben Habermann, ich hab auch schon en Gesteck draufgelegt«.
»Ja, danke Tantchen, finden wir ... tschö!«, sach ich un leg auf.
Ich laufe mit dem mittlerweile tonnenschweren Gesteck vor, de Mutter geht vorsichtig hinterher.
Langsam begreif ich, warum sich de Investition von nem Grabsteins vielleicht gelohnt hätte.
»Hier!«, ruf ich, an em Grab neben 'Habermann' stehend, Mom kommt hinzu.
»Is da denn dat Gesteck vonne Waltraud?«, fragt se.
Dat Grab is bucklig verschneit, ich grab an verschiedenen Stellen en Schnee weg, aber en Gesteck kommt nich zutage.
»Dat kann et ja auch gar nich sein – dat ist ja gar kein Familiengrab!«, sacht de Mom.
Puh! Ich jogge zum Nächsten, grab im Schnee.
»Hier is vielleicht wat Gesteckartiges«, ruf ich.
Se kommt hinzu, dat Gesicht drückt Zweifel aus.
Ich beschließ, dat dat Grab vor mir Papas Grab is.
'Fumm!' landet dat Gesteck auf ner halbwegs ebenen Stelle, mein Arm dankt et.
»So hier!«, sach ich.
»Biste sicher?«, fragt se.
»Nee«.
Wir stehen beide nebeneinander un starren auf dat Gesteck.
»Wir könnten dat Dingen auch alternativ auf dat 'Grabmal det unbekannten Soldaten' legen«, sach ich un kicher en bissken irr.
De Mutter kuckt wat missmutig.
»Der Papa hätt dat jetz aber auch lustig gefunden«, sach ich.
»Ich weiß«, sacht se un drückt meinen Arm, an dem se sich wieder untergehakt hat.
Wir gehen ganz langsam zum Auto, steigen ein.
»Können wir mal eben noch zum Penny?«, fragt se.
Sicher.