Der von mir hochgeschätzte Kolumnist Max Goldt nennt ihn "einen der unbrisantesten aber auch schäbigsten Irrtümer unserer Zivilisation". Es soll Menschen geben, die noch nie in einer Wohnung "ohne" gelebt haben. Wenn man z.B. größere Mengen Motten und diverse Trockeninsekten vielleicht für den Biounterricht der Kinder in der Schule benötigt, kann man immer toll oben drin bei den Glühbirnen tütenvoll davon finden. Eigentlich ist er die einzige legitime Altinsektensammelstelle in heutigen Wohnungen, eine Art Renaissance des Fliegenfängers. Klingt geheimnisvoll? Natürlich weiß jeder bereits, wovon ich spreche: dem Allibert-Badezimmerschrank. Ein klobiger Kasten aus Plastik, der nur im Badezimmer hängt weil (und jetzt die kruden Ausreden der Opfer aus einer Selbsthilfegruppe im Internet): 1) dahinter ist nicht gestrichen (34%). 2) den muß ich hängen lassen, der war schon in der Wohnung (22%). 3) das Beige paßt zu den Blumenkacheln (11%). 4) ich wohne hier eh nur übergangsweise (7%).
Allibert hört sich an wie eine Zusammenziehung aus "Alligator" und "Bert", den beiden Spaßbremsen. Aber man soll ja nicht voreingenommen sein. Ich reiste also in eine Hochhaussiedlung nach Castrop-Rauxel um mir so ein Ding mal anzusehen. Im 17. Stock bei Chantal Paschulke (23) wurde ich fündig. Ihre originelle Ausrede war "Wat? Der hing da schon". Jaja. Wenn man nur den rechten Spiegel aufklappt, gehen alle drei Spiegelflächen gleichzeitig auf. Das Plastik hat einen Sprung ("Der war schon") und es klappt nur die linke Lampe ("Da oben komme ich nicht ran). Im Inneren riecht es charismatisch nach 20 Jahre alter Zahnpasta und noch etwas älterer Hämorrhoiden-Salbe, es fliegen Parfumpröbchen einer ganzen Generation (z.B. olfaktorische Widerlichkeiten wie "Joop! Homme") neben hornhautfarbenem Endlosheftpflastern zum selber zuschneiden und einem hornhautfarbenen Hornhauthobel herum. Links stehen alte abgelaufene Medikamente (Tussipect, Wick VapoRub, Thomapyrin), in der Mitte finden sich allerlei Schminkutensilien, also diese Pinsel und so Stifte und so. Der Nagellack wird ja in modernen Haushalten mittlerweile im Kühlschrank aufbewahrt, da können die Lösungsmittel besser ins Essen ziehen. Unten sind noch zwei Schubladen, die klemmen aber.
Wie ein Schlag traf mich damals die Info, daß die Firma Allibert zum 22.11.2002 Insolvenz angemeldet hatte, was für ein Drama! Wie konnte das nur passieren?
Jetzt heißt es also sich bei Ebay auf die Lauer legen und die besten Sammlerstücke einheimsen!