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Dienstag, 20. März 2012

ru24 History 33: Jesaja 54:10 (1967)

1967 (bei der Heimtaufe: QM, moi, Onkel Heinz und Superintendent Becker)

Im März 1967 erblickte ich das trübe Licht der Welt.
Damals gab es buchstäblich nix, weder Farbfernsehen (ab August 1967), Taschenrechner (ab 1969), Digitaluhr (ab 1971), Bruder (1972).
Mir war das seinerzeit völlig schnuppe.

Meine Eltern beschlossen, eine Heimtaufe zu veranstalten - wer auch immer auf das schmale Brett mit Taufe überhaupt gekommen war. Ich tippe auf die noch junge Queen Mom. Mich hat man nicht gefragt. Unser Nachbar zur Linken war Superintendent Becker (eine Art evangelischer "Über-Pastor"), dieser wurde für die Veranstaltung gedungen, Menschen ohne Zahl geladen - ganz großes Kino wg. "Stammhalter" und so.

Mein Onkel Heinz war ein Spaßvogel. Manchmal zog er bei Familienfeiern sein Jackett falsch herum an (Knopfleiste nach hinten) und begann zur großen Freude aller, wie ein Priester zu salbadern.

Am Abend vor der Taufe saßen meine Eltern, Onkel Heinz und Tante Marianne feucht-fröhlich zusammen. Irgendwann an dem Abend vollzog Onkel Heinz seine Verwandlung, nahm die Bibel aus dem Regal, schlug sie an einer beliebigen (und somit automatisch obskuren) Stelle auf, zeigte mit dem Finger irgendwo hin und zitierte so absolut zufällig wie hingebungsvoll Jesaja 54:10.
"Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer."
Bombenstimmung!
Es wurde feuchter, es wurde fröhlicher. Den ganzen Sermon gab es an dem Abend noch bestimmt ein Dutzend mal.
Am nächsten Tag waren die Herrschaften ein wenig verkatert, alles war hoch feierlich. Superintendent Becker tauchte im vollen Ornat auf. Muttern hatte im Wohnzimmer das große Buffet aufgefahren, inklusive Käsepickern
, Pumpernickel-Käse-Häppchen, Spargelröllchen, Mett-Igel und gefüllten Eiern. Atemlose Stille herrschte, als der Superintendent meinen Taufspruch verkündete: 
Jesaja 54:10: "Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer."
Die vier vom Vorabend wurden von wilder, kaum bezähmbarer Heiterkeit erfasst, standen da mit roten Köpfen und rangen um Fassung. Tränen standen in ihren Augenwinkeln. Die Herren grunzten wie die Paviane. Tante Marianne entfuhr ein krasses Wiehern.
Und weil alles so schön und so feierlich war, hat Superintendent Becker den Spruch noch ein Dutzend mal gebracht.

Montag, 31. Oktober 2011

ru24 History 26: Frau Hübner (1973-76)

http://bit.ly/uXuddi
Zwischen 1973 und 1975 bin ich in die Städtische Grundschule Radevormwald gegangen. Meine Mom ist damals die ersten Male mitgegangen, kurz drauf durfte und musste ich alleine zur Schule gehen. Mein kurzer Schulweg (290m, keine Straßenüberquerung, Link) führte mich an einer Postfiliale, einer potentiell spannenden Polizeiwache und dutzenden Metern Jägerzäunen vorbei, die je nach Jahreszeit stark nach Carbolineum (Teeröl, Link) rochen, das heute nicht mehr in dem Maße eingesetzt werden darf wie damals. Wäre ich 30 Jahre später geboren worden, hätte mich meine Mom die Winzstrecke wahrscheinlich jeden Morgen und Mittag mit dem SUV gefahren, was heute ja allgemein zum guten Ton gehört (Blogbeitrag).
Meine Grunschullehrerin war Frau Herma Hübner, in meiner Erinnerung sieht sie aus wie ein Ally McBeal-Double - Anfang bis Mitte 30 mit hohen hellbraunen Lederstiefeln, die die knorpeligen Knie freiließen, gelbem Minikleid und Außenwelle. Meine MitschülerInnen hießen Anja, Dorothée, Heike, Arif, Ralph "mit ph" und Georg (Link). Und da 1967 ein sehr geburtenstarker Jahrgang gewesen war, platzte die Klasse mit 40 Schülern aus allen Nähten. Da wurde es auch schon mal laut und es ging recht hoch her. Wenn Frau Hübner meinte, genug geschrien hatte, stellte sie sich in Anwesenheit der Klasse auch schon mal ans offene Fenster neben das Lehrerpult und rauchte sich eine, aber hey: das waren die 70er!
1976 musste die ganze Klasse die Grundschule wechseln, wir gingen dann zusammen noch ein Jahr auf die Lindenbaumschule (Blogbeitrag).
Frau Hübner ist später nach Australien ausgewandert um Schafe zu züchten statt Kinder zu unterrichten, woran wir sicher alle nicht ganz unschuldig waren.
Voll schroff: Ich habe sie seit 35 Jahren nicht mehr gesehen!

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