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Freitag, 16. Mai 2014

ru24 History 49 - Ölkrise (1973)

Anfang vonne 1970er fuhren de Nachbarsblagen auf nem Kettcar stundenlang durch de ganze Nachbarschaft un bei uns ummet Haus. Dat Tretauto hatte wohl en paar Winter im Freien verbracht, deswegen quietschte et sowat von gottserbärmlich. Dat Gequietsche war so dermaßen schrill, dat et allen im Umkreis quasi ununterbrochen durch Mark un Bein ging, abgesehen vonnen völlig schmerzfreien Piloten! De Blagen aufm Dingen strahlten nämlich wie de Dreckeimer, während se abwechselnd fuhren!
De Queen Mom war et ja schon länger am Planen dran gewesen un eines Tages konnte se nich mehr an sich halten. Da isse mitm Ölkännchen vonne Nähmaschine rausgerannt, hat de gerade noch wild grinsenden Blagen vonm Dingen runtergescheucht und en halbes Kännchen Öl an de strategischen Stellen getan. Währenddessen brüllten de Gören wie am Spieß, so als würden se überm Feuer geröstet. De Bälger hatten in dem Augenblick ihre ganz private "Ölkrise 1973"! De Mutter indes war ungerührt. Sowat focht se ja nich an. Als se fertich war, quietschte an dem Kettcar-Dingen nichmal nix mehr!
Aufgedunsen vonne Heulerei un mit riesigen Rotzglocken annen Nasen zogen de Blagen mitm Gefährt lautlos von dannen. Nu war Ruh.

Niemand hat et Kettcar je wieder zu Gehör oder zu Gesicht bekommen, dat war ja nu auch nich mehr interessant für de Nachbarsblagen, die sich nu en anderet Terror-Hobby zulegen mussten, vielleicht Schlachzeuch spielen oder so.


Mittwoch, 22. Mai 2013

Star Trek Into Darkness - Das Krokodil bekommt die Klatsche

http://goo.gl/0s3ll
Seit den 60ern verkloppten sie Plüschmonster und irrten phaserschwingend durch Pappmachéelandschaften. Der Typ im roten Leibchen (Link), den keiner kannte, ging bei der Außenmission leider hops - aber hey, ich sag nur: "400 Mann starke Besatzung", da war noch Spielraum nach oben. Ich war damals sowas von die Zielgruppe, als "Raumschiff Enterprise" in den 70ern im Fernsehen lief! Ca. ab 1973 hockte ich bibbernd hinter der Lehne des Cocktailsessels, saß buch-stäb-lich in der ersten Reihe. Seitdem bin ich Trekkie.

40 Jahre später sind die Helden meiner Kindheit Kirk (William Shatner) und Spock (Leonard Nimoy) beide 82, also fast so alt wie meine im Altenheim lebende Mutter (Queen Mom) - Gottogott!
Heute heißt die Serie ums "alte Raumschiff Enterprise" "Star Trek TOS" (The original series). Und da das Franchise etwas lahmte, war es im Grunde eine Bomben-Idee, die erfolgreichste Raumschiffcrew aller Zeiten einer Frischzellenkur zu unterziehen, was Regisseur J. J. Abrams in 2009 mit "Star Trek" eigentlich ganz gut gelungen ist.
Vorgestern war ich dann im aktuellstenTeil der Saga: Star Trek Into Darkness.
Leider (1) war es eine 3D-Zwangsveranstaltung (Blogbeitrag).
Leider (2) bot der Streifen soviel charakterlichen Tiefgang der Darsteller wie Kasperletheater. Aber hey! Die Charaktere sind schließlich seit den 60ern hinlänglich bekannt! Warum also sollte ein Regisseur überhaupt Zeit darauf verschwenden, den Protagonisten mehr Tiefe zu verleihen als einer durchschnittlichen Pfütze, wenn man dafür fette Action haben kann?
Handlung: +++ SPOILERALARM +++
Kasperle (Kirk) verliert das Kommando über die Enterprise, weil er Regeln doof findet. Das findet die Großmutter (Sternenflotte) wiederum mal total doof, also setzt sie den Oberförster (Admiral Pike) als Kommandanten des Schiffes ein, Kasperle spielt nun nur die zweite Geige, was ja per se gar nicht sein kann! Und dabei hatte Kasperle doch seinem Kumpel, dem spitzohrigen Teufel (Spock) extra das Leben gerettet! Gretel (Uhura), die eine nicht näher ausgeführte Beziehung mit dem Teufel hat, findet das dufte, funkt aber schon beruflich dazwischen. Bei einem Anschlag des bösen Krokodils (Khan) stirbt der Oberförster voll 'in echt'. Aber Kasperle ist dadurch wieder Käptn der Enterprise - so ist's recht! Sehr, sehr viele Dinge explodieren. Im weiteren treten noch Seppel (McCoy), Seppel (Sulu), Seppel (Checkov) und Seppel (Scott) als Knallchargen und reine Stichwortgeber auf. Am Ende besiegen aber alle gemeinsam das gar garstige Krokodil, das urst kräftig mit der Klatsche aufs Maul bekommt. +++ SPOILER ENDE +++
Oh weh!
Ich bin nicht mehr die Zielgruppe!


Samstag, 10. November 2012

ru History 40 - Der böse Schatten (1973)

goo.gl/IXJcc
Im Sommer 1973 war ich sechs und mit meinen Eltern und Bruder im "Schurkenstaat" Spanien in Urlaub.
Ein aufpeitschender erster Satz!
"Generalissimo" Francisco Franco führte 1936 den Staatsstreich gegen die demokratisch gewählte Regierung Spaniens an. Nach dem blutigen Bürgerkrieg regierte er Spanien  von 1939 an zusammen mit rechten Militärs als Diktator "El Caudillo" - "der Führer" - bis zu seinem Tod im November 1975. Dann erst begann eine Phase friedlicher Demokratisierung.
Im Sommer 1973 war die paramilitärische Guardia Civil sicherlich noch drastisch badassmäßiger drauf als heute...
"Unter Franco wurde die Guardia Civil als Repressionsinstrument gegen politisch Andersdenkende genutzt. Im Allgemeinen war sie für das Regime das Instrument, um der Landbevölkerung Präsenz und Stärke zu demonstrieren." (Quelle)
Eine meiner eindringlichsten Erinnerungen an diesen Urlaub sind weder Sonne, Strand noch Meer, sondern ein an einer Straßenecke stehender Guardia Civil-Mann. Während wir mit dem Auto an ihm vorbei fuhren, drückte ich mir (natürlich unangeschnallt auf der Rückbank) die Nase an der Scheibe platt.
Dunkle Uniform, sehr gerader Rücken, dieser merkwürdige, glänzende Hut von undeutbarer Form und ein riesiges Pistolenhalfter incl. Riesenknarre. Die gesamte statuengleiche Ausstahlung war streng, herrisch, stolz und vor allem - gefährlich. Alles an diesem Ordnungshüter/Repressionsinstrument schrie laut und überdeutlich: "Don't fuck with me, buddy".
Insgesamt ergab sich eine außergewöhnliche, unverwechselbare Silhouette, im spanischen auch "la mala sombra" - "der böse Schatten" genannt.


Samstag, 5. Mai 2012

ru History 38 - Queen Mom flucht (1979)

http://bit.ly/INUus6 
Mit der ersten Ölkrise 1973 (Link)  kam es zu einem satten Preisanstieg der Benzinpreise, mit der zweiten Ölkrise 1979 (Link) schossen die Preise durch die Decke. Irgendwann in '79 überstieg der Spritpreis dann erstmals die "magische Grenze" von 1,00 DM (0,51 EUR).
Mon dieu!
"Das sind doch Arschlöcher!!!", fluchte Queen Mom aufgebracht. Es war wie ein Peitschenhieb, weil QM grundsätzlich nie fluchte oder Kraftausdrücke verwendete.
Bei diesen Preisen würde sich doch bald niemand mehr leisten können, Auto zu fahren!


Interessanter Link.


Mittwoch, 8. Februar 2012

ru24 History 32: Hertha BSC vs. Star Trek (1973)

http://bit.ly/14a45y
1973. Es war eine Zeit, in der Ersten, Zweites, Drittes völlig ausreichte, die Fernsehlandschaft vollständig zu beschreiben. Sonntags nachmittags um 17.15 Uhr auf dem Ersten schaute mein Vater Fußball.
„Papa, für welchen Verein bist du denn?“, fragte ich.
„Für keinen. Ich gucke nur so“, sagte er.
Ich wusste, dass Väter meistens „für“ einen Fußballverein waren, ich wusste aber nicht warum. Papa war für „keinen“. Wie ich später erfuhr lag das daran, dass er mit 16 zum Kriegsdienst eingezogen worden war und nach 1945 geschworen hatte, niemals wieder einem Verein anzugehören, ein Abzeichen zu tragen oder eine Fahne zu schwenken.
Da war er lebenslang sehr konsequent.
Und weil während meiner Kindheit vor der Glotze kein Vater brüllte, hyperventilierte und dabei trank, wurde ich nicht geprägt. Der ganze Wirbel um EM, WM, Champions-League blieb mir also bis heute hochgradig suspekt.
Zudem: Auf dem Zweiten lief parallel zur gleichen Zeit wie Sportschau „Raumschiff Enterprise“. Ich musste also immer ewig quengeln, bis Papa sein „nur so Fußball-gucken“ zugunsten von Kirk, Spock, Scotty, Sulu und Uhura aufgab. Meine Güte, was konnte es denn Spannenderes geben als „Enterprise“?
Fußball war also der natürliche Feind von Star Trek!

Als Kind war ich im Schwimmverein, dem RTV - Radevormwalder Turnverein. Freitags um 19.00 Uhr ging ich in einem Hallenbad schwimmen, das auch genauso hieß und und kein Schnicki-Schnacki-Funbad war. Es gab vier 25m-Bahnen und sonst nada. Keine Tropenpflanzen, keine Rutsche, keine Wellen, keine Gastronomie.
[Sie haben es abgerissen und das AquaFun dafür gebaut, als das nicht genügend Defizite einfuhr, haben sie es wieder abgerissen und das life-ness auf gleicher Stelle errichtet, das macht jetzt wenigstens 1,2 Mio. EUR Miese pro Jahr - Respekt!]
Damals in der Umkleide unterhielten sich die Jungs nach dem Schwimmen über Fußball. Die Jungen, deren Väter schlechte Zähne hatten, waren für „Schalke 04“, die Jungs, deren Väter CDU wählten, waren für „Bayern“. Dass „Bayern“ mal gar nicht ging, wusste ja sogar ich! Ein paar waren auch für Leverkusen oder Köln.
*gähn*
„Für welchen Verein bist du denn?“, fragte mich einer. Ich hatte mir für so einen Fall etwas überlegt.
„Hertha BSC!“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. Plötzlich war Ruhe. Über allen Wipfeln. Ich blickte in ratlose Gesichter. Niemand von denen fragte mich jemals wieder, ein zufriedenstellendes Ergebnis.

1996 fuhr ich nach Berlin. Irgendwann, irgendwo dort ging mir auf, dass „Hertha BSC“ ein Berliner Fußballverein war. Es hatte nur etwa 23 Jahre gedauert.


Montag, 12. Dezember 2011

ru24 History 29 - Meisenknödel-Abrechnung (1973)

http://bit.ly/vM9b9X
Es war 1973. Mein Freund Frank aus der Nachbarschaft spielte mit mir bei uns, er war acht, ich war sechs. Ein Berg LEGO war nach gauss'scher Normalverteilung im Kinderzimmer ausgebreitet.
Mein Vater war ins Industriegebiet gefahren und wieder zurückgekommen, er hatte Streusalz geholt und ein Großgebinde Meisenknödel für Tante Waltraud.
Wir Kinder nutzten den langen Flur, um unsere LEGO-Autos fahren zu lassen, als Tante Waltraud auftauchte, um das Vogelfutter abzuholen.
"Wir müssen noch abrechnen", sagte sie zu meiner Mutter.
Freund Frank schaute bleichesten Antlitzes auf meine Mutter, dann auf meine Tante, übergangslos sprang er wie von der Tarantel gestochen auf, zerrte an der Haustür und verschwand ohne Jacke mit wehendem Haar in der Dunkelheit.
Das war alles sehr rätselhaft!
Einige Minuten später schellte das Telefon, Franks Mutter war dran, der Junge sei kaum zu beruhigen gewesen...
Nach einigen Hin und Her klärte es sich.
Frank hatte einfach zu viele Western gesehen. Wenn da Hank zu Wyatt sagte "Jetzt rechnen wir ab!", kam es immer sofort darauf zu einer tödlichen Schießerei...
Eine Mexikanische Posaune setzt ein, spielt eine getragene Melodie. Auntie "Calamity" Waltraud läßt die Meisenknödel in den Staub fallen, wirf ihren Poncho zurück, damit ihre Schusshand nicht behindert wird. Queen "Rattlesnake" Mom, spuckt ihren Zigarillo aus. Kalte blaue Augen fixieren sich unter großkrempigen Hüten, der Eine schwarz, der Andere weiß. Ein humorloses Lächeln umspielt Queen Moms Lippen. Auntie lockert ihre Schusshand. Ein Skorpion quert hastig die Straße. Schweiß rinnt von Stirnen. Ein 100 m entfernter Sargtischler fängt nach Augenmaß an, eine neue Kiste zusammenzuzimmern. Ein Busch rollt vorbei. Dann fallen plötzlich fast gleichzeitig zwei Schüsse.
Die große Meisenknödel-Abrechnung.

Montag, 31. Oktober 2011

ru24 History 26: Frau Hübner (1973-76)

http://bit.ly/uXuddi
Zwischen 1973 und 1975 bin ich in die Städtische Grundschule Radevormwald gegangen. Meine Mom ist damals die ersten Male mitgegangen, kurz drauf durfte und musste ich alleine zur Schule gehen. Mein kurzer Schulweg (290m, keine Straßenüberquerung, Link) führte mich an einer Postfiliale, einer potentiell spannenden Polizeiwache und dutzenden Metern Jägerzäunen vorbei, die je nach Jahreszeit stark nach Carbolineum (Teeröl, Link) rochen, das heute nicht mehr in dem Maße eingesetzt werden darf wie damals. Wäre ich 30 Jahre später geboren worden, hätte mich meine Mom die Winzstrecke wahrscheinlich jeden Morgen und Mittag mit dem SUV gefahren, was heute ja allgemein zum guten Ton gehört (Blogbeitrag).
Meine Grunschullehrerin war Frau Herma Hübner, in meiner Erinnerung sieht sie aus wie ein Ally McBeal-Double - Anfang bis Mitte 30 mit hohen hellbraunen Lederstiefeln, die die knorpeligen Knie freiließen, gelbem Minikleid und Außenwelle. Meine MitschülerInnen hießen Anja, Dorothée, Heike, Arif, Ralph "mit ph" und Georg (Link). Und da 1967 ein sehr geburtenstarker Jahrgang gewesen war, platzte die Klasse mit 40 Schülern aus allen Nähten. Da wurde es auch schon mal laut und es ging recht hoch her. Wenn Frau Hübner meinte, genug geschrien hatte, stellte sie sich in Anwesenheit der Klasse auch schon mal ans offene Fenster neben das Lehrerpult und rauchte sich eine, aber hey: das waren die 70er!
1976 musste die ganze Klasse die Grundschule wechseln, wir gingen dann zusammen noch ein Jahr auf die Lindenbaumschule (Blogbeitrag).
Frau Hübner ist später nach Australien ausgewandert um Schafe zu züchten statt Kinder zu unterrichten, woran wir sicher alle nicht ganz unschuldig waren.
Voll schroff: Ich habe sie seit 35 Jahren nicht mehr gesehen!

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Montag, 19. April 2010

ru24 History 14: Omas 71. Geburtstag (1973)


2009_05_29
Originally uploaded by thatblog
Sonntag, 26. August 1973: Oma ist an ihrer Geburtstagsfeier hypernervös, denn normalerweise lebt sie ja sehr zurückgezogen. Dabei muss sie gar nichts machen, den Job erledigt ja komplett ihre Tochter Waltraud. Die Erdbeer-, Stachelbeer- und Marmorkuchen sind gebacken, die Sahne ist geschlagen, der Tisch im Wohnzimmer ist gedeckt.
Das Wohnzimmer ist im wahrsten Sinne des Wortes die "gute Stube". Die Mitte des Raumes nimmt ein Mahagonitisch ein, dazu sechs passende Stühle. Der Tisch ist jetzt mit einer schweren Damast-Tischdecke bedeckt und mit 50er-Jahre-Porzellan mit zartem floralem Dekor eingedeckt. Würfelzuckerbehälter mit Silberzange. Milchkännchen. Porzellankaffeekannen mit einem Schwämmchen unterhalb der Tülle zum Auffangen von Rest-Tröpfchen. Das ganze Programm.
Die Gäste trudeln ein, mit ihnen Wolken aus 4711, Birkin Haarwasser, Uralt Lavendel und Mottenkugeln. Onkel Karl und Tante Adele erscheinen zeitgleich mit Onkel Franz und Tante Henny. Die greisen Gäste tragen schwere Wollkleidung in schwarz und grau und übergroße Jaruzelski-Hornbrillen und Hüte. Tante Henny finde ich wegen ihrer Hörgeräte total spannend. Meine Eltern, beide Mitte 40, erscheinen, haben meinen Bruder dabei, er ist eineinhalb und der Star der Veranstaltung.
Opa taucht auf. Ohne seinen verschlissenen Kittel, in Anzug und Weste, sieht er fremdartig aus. Es schellt wieder, Onkel Karl und Tante Käthe erscheinen. Noch mehr weiße Haare, noch mehr Hornbrillen. An der übervollen Garderobe hängen jetzt etwa 30 kg Mäntel, obwohl es Sommer ist.
Oma legt nochmal an Nervosität zu, sie sitzt am Kopf des Tisches. ihr Lid zuckt. Sie trägt ein formloses, schwarzes Kleid. Tante Waltraud ist ein hin und her huschendes Schemen, sie kocht Kaffee, brüht ihn in der Küche manuell auf. Kuchenstücke werden verteilt mit zierlichen, silberschnörkeligen Kuchenhebern. Die Sahne die Tante Waltraud produziert hat, ist so fest, dass sie sich kaum vom silbernen Löffel mit Schnörkelrosengriff löst und auf dem Kuchen mit einem satten Whopp! aufschlägt. Ich habe außerhalb dieser Realität niemals vergleichbare Sahne gesehen und gegessen.
Opa, stoisch und fast taub, ist so alt wie das Jahrhundert, er lächelt in die Menge, meint es aber nicht so.
Tante Waltraud holt Kaffe, wieder und wieder. Wenn sie sitzt, dann auf einem gepolsterten Hocker, so dass sie jederzeit aufspringen kann.
Mein Vater scherzt aus der Mottenkiste, es kommt sehr gut an. Mutter kichert dies begleitend ein wenig zu aufgesetzt.
Alte Leute lachen über 60 Jahre alte Geschichten.
Meine Eltern sind hier "die jungen Leute".
Mein kleiner Bruder, auf jemandes Schoß, brabbelt vor sich hin.
Onkel Franz der Unsympath, angeheiratet, ein ehemaliger Bahnbeamter, sabbelt irgendetwas Missgünstiges, seine Mundwinkel weisen wie immer nach unten. Seine Gattin Tante Henny regelt endlich etwas an ihren beiden Hörgeräten, so dass es pfeift.
Das ist der Moment, auf den ich gewartet habe! Toll! Wie das schrillt! Aber leider gehen die wirklich großen Augenblicke einer Kindheit immer viel zu schnell vorbei!
Ich schaue mich im alten Wohnzimmer um und warte darauf, dass das schrille Pfeifkonzert wieder losgeht. Wenn man mit dem Fingernagel an die dünne Silberschale stößt, klingt der Ton ganz lange nach. Mit den Mini-Wäscheklammern, die die Servietten gehalten haben, kann man auch ganz passabel spielen.
Nach für mich endlosen Stunden ist alles vorbei.
In dem kleinen Flur ist Gewusel, die Herren helfen den Damen oldschool in die Mäntel, auch Onkel Franz, er hält Tante Henny den Mantel hin und sagt: "Da, du blöde Kuh!"
Henny, die nichts gehört hat, bedankt sich freundlich lächelnd.
Die Erwachsenen schauen sich stumm an.
Ich staune.
Darf der das?

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Mittwoch, 11. November 2009

Heimat 5/History 3 - "Dort oben leuchten die Sterne, da unten leuchten wir!" (1973)


Martinszug Buxheim
Originally uploaded by Bux
Anno 1973, ich war 6, bin ich mit Mama zum Martinszug gegangen.
Tatsächlich war ich mit meiner im Kindergarten gebastelten, vage kubistischen Laterne in etwa so hoch wie ein Erwachsener. Die Laterne war aus schwarzem Karton, aus dem ich schiefe Rauten und unregelmäßige Vielecke herausgeschnitten hatte, hinter die ich mit Klebstoff verklebtes Transparentpapier geklebt hatte. In der Laterne glomm ein Fahrradbirnchen an einem langen Kabel, das bei jedem Schritt herumpendelte und im Laterneninneren irrlichtete. Es waren geburtenstarke Jahrgänge, die Straße wimmelte, war schwarz von Gören und ihren Eltern. Flankiert wurde das Ganze von Fackelträgern der Freiwilligen Feuerwehren. Blechbläser begannen feierlich zu spielen. Es wurden die einschlägigen Lieder gesungen:
Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin
ritt durch Schnee und Wind,
sein Roß das trug ihn fort geschwind.
Sankt Martin ritt mit leichtem Mut:
sein Mantel deckt' ihn warm und gut.
Als Höhepunkt, kurz vor Versagen der langgezogenen Stabbatterie im verchromten, längsgeriffelten Griff, trafen sich die diversen Martinszüge auf dem Kirmesplatz. Dort, hoch zu Ross, endlich - Sankt Martin himself!
Doch ach!
Der so genannte Sankt Martin war in Wirklichkeit ein reitendes, etwa 16jähriges Mädchen vom Reithof Pieper!
Ich bin sicherlich nicht das einzige Kind, das an diesem Abend traumatisiert nach hause gekommen ist!

Vergleichbar ist das vielleicht nur, wenn in einem modernen, radikalfeministischen Haushalt des Dritten Jahrtausends am 06.12. die Weihnachtsfrau aufscheint - ohne die phallischen Insignien Rute und Sack, dafür mit einer großen Muschel voller Geschenke.