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Montag, 30. April 2012

Heimat 19/History 37 - Hausbesuche (1976)

http://goo.gl/cWxU6 
Dr. Stavenhagen war ein HNO-Arzt nach dem Geschmack meiner Eltern: Er machte auch Hausbesuche.
Er war älter als Gott. Bei seinen Visiten parkte er grundsätzlich diagonal in der Einfahrt. Er war ein schrulliges, geschrumpftes Männlein, glatzköpfig, krumm, übersät mit Altersflecken. Die Augen waren ein trübes Hellblau auf dunklem Elfenbein, die Hände waren knotig. Es hieß, er trage von einer Kriegsverletzung eine Metallplatte im Kopf. Seine Stimme, die er wie eine Luftschutzsirene aus der Nase presste, mochte dies bestätigen.
Er führte einen schwarzen Arztkoffer mit sich, aus dem er ein Stethoskop und den Kopfspiegel fischte, allesamt rissige, mit Klebeband geflickte, angelaufene Artefakte aus vergangenen Tagen. Zumeist blieb es dabei, daß er mir mit einem eklig schmeckenden, hölzernen Spatel im Rachen herumfuhrwerkte, bis ich einen Brechreiz kaum noch unterdrücken konnte. Alternativ legte er mir die gichtige Hand auf die von Fieber heiße Brust, versetzte meinen Körper in Starre, um dann wieder zu verschwinden.
Wir Kinder sahen ihn oft, wir hatten uns auf Mittelohrentzündungen spezialisiert - ein "hausgemachtes" Problem in einer Familie, in der beide Eltern rauchten (mehr Info).

Einmal nasaldröhnte Dr. Stavenhagen mir gegenüber: »Spräch näch so dürch dü Nose!« (eine recht skurrile Situation, die zum Widerspruch einlud, aber er hatte ja Metall im Schädel...). Er überredete meine Eltern, dass meine Polypen entfernt werden müssten. So ging eines schönen Tages in 1978 Queen Mom mit dem elfjährigen ich zu seiner Praxis in der Ispingrader Str., Radevormwald. Die Sprechstundenhilfe war Frau Stavenhagen. Sie war nicht wesentlich jünger als der Gatte und trug als Insignien ihres Alters einen Haarknoten und ein grün-braun-gelb-geblümtes Sommerkleid. Sie saß an einem arg überquellenden Tisch.
Das angrenzende Wartezimmer war quadratisch, es wurde von einem einzigen Nordfenster mit Blick durch Tannen spartanisch belichtet. An der Wand stand ein verstimmtes Klavier. Die ausliegenden Zeitungen waren älter als ich.
Das Behandlungszimmer nebenan lag bis auf den Lichtschein einer 40 W-Schreibtischlampe im Dunkeln. Der Schreibtisch gab dem Wort »überhäuft« eine fantastische, völlig neue Dimension. Ich musste mich auf den Behandlungsstuhl setzen, der aussah wie ein elektrischer Stuhl ohne Elektrik. Der Doktor scharwenzelte unauffällig heran, während er meiner Mutter dies und das zutrötete und schlang angelegentlich einen Lederriemen um mein linkes Handgelenk und die Stuhllehne. Hallo? Kurz drauf war ebenso mein rechter Arm gefesselt. Lächelnd tropfte der Arzt eine Flüssigkeit auf ein Tuch und drückte mir das Ganze ins Gesicht - Äther!
Ich hatte eine sehr intensive, rein grafische, in Graustufen gehaltene Vision von langen, zweidimensionalen Pendeln mit unterschiedlich geformten Pendelmassen (Kreis, Quadrat, unregelmäßiges Vieleck). Sie »kämpften« pendelnd gegeneinander, das eine von rechts, das andere von links. Eines gewann immer wieder gegen alle Anderen, die Verlierer zerbrachen oder stoben davon.
Irgendwann kam ich wieder zu mir. Stavenhagen zeigte mir eine braune Bakelit-Nierenschale, in der blutiger Quabbel schwappte. Strahlend wies er auch auf den blutverschmierten Haken, mit dem er mir das Zeugs aus der Nase gerissen hatte.
Wir gingen, Mutter stützte mich. Im Wartezimmer saßen bleichesten Antlitzes diverse Patienten, sie starrten mich an wie eine Marienerscheinung.
Ich war arg heiser.
»Du hast die ganze Zeit über geschrien wie am Spieß!«, sagte Mom kurz drauf. Das erklärte die Blicke im Wartezimmer.
Ich hatte keinerlei Erinnerung an Schreie.

Hey: Warum sollte man seine Kinder einer zeitgemäßen, nicht-traumatisierenden Medizin aussetzen, wenn man hie und da auch Hausbesuche haben kann?


Mehr: (Blogbeitrag)


Donnerstag, 26. April 2012

ru History 36 - Super-GAU (1986)

http://bit.ly/An5HCe 
Heute vor 26 Jahren.
"Die Katastrophe von Tschernobyl (auch: Super-GAU von Tschernobyl) ereignete sich am [Samstag, den] 26. April 1986 im Kernkraftwerk Tschernobyl nahe der Stadt Prypjat, Ukrainische Sowjetrepublik, als Folge einer Kernschmelze und Explosion im Kernreaktor Tschernobyl Block 4. Sie gilt als die schwerste nukleare Havarie und als eine der schlimmsten Umweltkatastrophen aller Zeiten." (Link)

1986, das war das Jahr 9 vor Internet.
Das gabs für Hans & Franz nämlich erst ab ca. 1995.
Also, wie immer, wenn von "damals" die Rede ist: Et gab ja nix!
Kein Twitter, kein Facebook, kein SPON, kein Wikipedia!
Die Leute hatten ja nicht einmal Handys - geschweige denn Geigerzähler.
Die Informationen, die man bekam, waren widersprüchlich und verwirrend, allerlei Einheiten wie Bequerel, Curie, Sievert etc. (Link) verschleierten mehr, als dass sie aufklärten. Also saß man vor der Glotze oder schaute in die Zeitung. Bei uns zu Hause gab es leider nur die "Bergische Morgenpost". Die "BM" liest Queen Mom bizarrerweise noch heute, natürlich "wegen der 'besseren' Todesanzeigen" - im Vergleich zum Konkurrenzblatt "Remscheider Generalanzeiger" ("RGA")...

Grenzwerte für Spinat und allerlei Gemüse wurden ausgegeben.
Pilze und Wild galten plötzlich als zu belastet, um noch "Nahrung" genannt zu werden. Wir als Familie stellten daraufhin für immer das Pilzesuchen ein, Stockschwämmchen und Hallimasch: ade!
Wildpilze sind noch heute belastet, über ein Vierteljahrhundert später (Link).

In der Schule war der Super-GAU natürlich Top-Thema.
Das war ja alles sehr verstörend.
Da wird man als "Kind der 80er" während des Kalten Krieges mit der absoluten Gewissheit groß, eines Tages in einem Atomkrieg zu sterben - und dann das! Der unsichtbare Fallout erzeugte so eine Art "The Day After"-Light-Stimmung - der Film war drei Jahre zuvor im Kino gelaufen.

Am Tage des größten Fallouts, es war der erste schöne, warme Tag des Jahres, saß ich mit meinem damaligen Schulfreund Frank auf der Terrasse seines Elternhauses. Wir trugen unsere Ray-Ban(!)-Sonnenbrillen und strahlten in den wundervollen, blauen Himmel zurück, anstatt uns im Haus zu verschanzen.
19-jährige Jungs können überraschend  □ trotzig / □ hirnrissig sein (Zutreffendes bitte ankreuzen).

Ich war in Jahrgangsstufe 12 des Radevormwalder Gymnasiums "THG", mein Erdkunde-LK-Lehrer hieß Blocksiepen. Aus aktuellem Anlass hatten wir am Dienstag, den 29. April 1986 eine Doppelstunde lang nur über die Havarie gesprochen.
Am Ende der Stunde sagte Blocksiepen: "Ich nehme einen Geigerzähler aus der Physik mit nach Hause. Wenn die Strahlenbelastung zu hoch sein sollte, dann komme ich nicht!"
Schön!
Am Mittwoch fehlte Blocksiepen, ebenso den Rest der Woche.
Das fühlte sich gefährlich an!
Die Woche drauf fehlte er weiterhin.
DAS fühlte sich wirklich VERDAMMT gefährlich an!!!
In der dritten Woche tauchte Freund Sonne wieder auf und behauptete, eine Grippe gehabt zu haben.
Sicher, sicher.


Montag, 16. April 2012

Die lähmendsten Sportarten der Welt

http://bit.ly/J1b84m
Skispringen. Die Fernseh-Übertragung des Neujahrs-Skispringens aus Garmisch-Partenkirchen ist mit Abstand das lähmendste Sportereignis der Welt. Es geht FWUSCHHHHH-Zfit!-Wooooosch ... PADATZ! Und das mit den fünf immer gleichen Kameraeinstellungen gefühlte 500 Mal hintereinander. Alle sehen gleich aus und springen irgendwie gleich weit. Seit 1987 ist man deswegen dazu übergegangen, 500 Mal den gleichen Sprung (Nykänen) vom 01.01.1987 zu zeigen. Der Gewinner wird durch Los bestimmt und ist immer ein Zwerg mit 220 Werbelogos auf dem hautengen, dreifarbigen Leibchen.

Riesenslalom. Ist wie Skispringen ohne richtig abzuheben. Statt FWUSCHHHHH-Zfit!-Wooooosch ... PADATZ! macht es FWUSCH-FWUSCH-FWUSCH-Döng (Fahne)-FWUSCH-FWUSCH-FWUSCH! Ansonsten, siehe Skispringen.

Formel Eins. Wird zu recht auch als "Rennzirkus" bezeichnet. F1 ist die Königin, wenn es darum geht, fossile Brennstoffe in Lärm, Gestank und CO2 umzuwandeln. Hochgerüstete, brüll-laute Gefährte fahren so lange im Kreis, bis alle taub sind oder etwas explodiert. Alle sind in etwa gleich umweltschädlich. Der Gewinner wird deswegen durch Los bestimmt und ist immer ein Clown mit 220 Werbelogos auf dem hautengen, zweifarbigen Leibchen. F1 ist in etwa so zeitgemäß wie die Ausrottung einer Tierart oder das Abholzen der Regenwälder.

Fussball. Ist nur interessant, wenn Papa, als man Kind war, vor der Glotze Bier getrunken und rumgebrüllt hat. Das prägt. Deshalb trägt man noch heute rote, blaue, gelbe oder grüne Schals. Vereins-Simulation: Wenn man aus einem Rommé-Spiel die 110 Karten auf zehn elfer-Häufchen aufteilt, dann aber ständig Karten zwischen den Häufchen austauscht, "für" welches Häufchen bist du jetzt? Antwort: Schaaalke! Facepalm. Mit gesundem Menschenverstand ist das nicht erklärbar. Die Gewinner und der Verlierer dürfen nach dem Spiel atemloses, prägrammatikalisches Gestammel in vorgehaltene Mikros sabbeln und dabei ihre Werbelogos zeigen.

Handball ist Fußball nur mit anderen Mitteln.

Baseball. Inspiriert durch ein Riesenschachspiel mit Menschen statt Figuren, haben die Wissenschaftler des amerikanischen Kernforschungszentrums "Los Alamos" 1942 eine "Protonen-Kollision bei sieben Tera-Elektronenvolt in einem Teilring-System" nachgestellt. Das Regelwerk orientiert sich an den Zuständen in einem Quark-Gluon-Plasma. Eine der wichtigsten Regeln lautet: "Nicht auf das Proton spucken!" (Link)
Außer Kernforschern versteht niemand dieses "Spiel". Dem Publikum gefällt es, denn schließlich gibt es Hot-Dogs, Bier, lecker Cheerleader und man ist an der frischen Luft.


Donnerstag, 12. April 2012

@work 11 - technischer Fortschritt

http://bit.ly/HzkkwA
Was hat es seit 1992 nicht alles für technische Fortschritte gegeben!
Aus einem Festplattenvolumen von 120 MB ist 1 T geworden - Faktor 8.738 (Info).
Aus 4 MB RAM Arbeitsspeicher sind 4 GB RAM Arbeitsspeicher geworden - Faktor 1.000.
Aus einem Prozessortakt von 100 MHz sind 2.20 GHz geworden - Faktor 22.
Aus Windows 3.1 (mit DOS 5.5) wurde Windows 7 - Faktor 2,26 (Spaß).
Hurra!

Doch die Probleme von damals sind so aktuell wie nie: Es druckt nicht. Oder der Drucker verarbeitet die Jobs extrem langsam. Die Geschwindigkeit des Rechners kommt einer Arbeitsverweigerung gleich. Lotus Notes ist erst recht urst ultra langsam. Das Plakatdruckprogramm ist so lahm, dass Getipptes erst Sekunden später auf dem Bildschirm erscheint. Datensicherungen sichern keine Daten. Dokumente verschwinden, Datenbanken rauchen ab, Rechner, Monitore und Drucker "in echt". Es schmort.

1992 bis 2012: Es war ein langer Weg, aber wir sind ihn gegangen. 
Abgesehen von dekorativem Schnickes ist eigentlich alles wie immer.
Die zivilisierte Menschheit doktert seit 20 Jahren an den Symptomen herum und hofft, dass mit der nächsten Hardware und der nächsten Software alles besser wird.

Ich gehe felsenfest davon aus, dass in 20 Jahren der PC und Windows rückblickend als lächerlichste Irrtümer der Moderne angesehen werden.
Und wenn nicht, dann sind wir in 2032 schlimmstenfalls exakt genau so im Arsch wie heute.

Persönliche Notiz: Nur noch 22 Jahre bis zur Rente.


Mehr dazu: (Blogbeitrag)


Samstag, 7. April 2012

Bubble-Tea

http://bit.ly/I9GYir
Eines der Highlights meiner Kindheit in den 80ern war der Slush-Puppie-Stand auf dem Marktplatz in Radevormwald. In einen Becher gestoßenes Eis gab es einen schrillbunten Sirup dazu, das Ganze wurde durch einen dicken Strohhalm genuckelt. Danach war die Zunge blau, rot, grün, gelb. Ich nahm immer das Grüne.
Ha! SO fühlte sich die Moderne an!
Seltsamerweise weiß ich nicht mehr, wonach das Zeug eigentlich geschmeckt hat. Ich denke, es ging ohnehin vordergründig um die Farbe, nicht um den Geschmack. Ich tippe aber mal auf "Waldmeister", eine Geschmacksrichtung, die, wenn man sie denn wieder populär machen wollte, als "evil master of the woods" verkaufen müsste.
Den Slush-Puppie-Stand im Rader Stadtzentrum gibt es schon ewig nicht mehr.

Dafür eröffnen jetzt allerorten Bubble-Tea-Läden.
Bubble-Tea ist ein Milchshake mit Tee und Alginat-Kugeln, die man durch dicke Strohhalme nuckelt.
In Berlin kann man keine 15 Schritte mehr machen, ohne an einem solchen Laden vorbei zu kommen (Link). Jetzt haben die Bubble-Tea-Läden sogar bis in die bergische Provinz nach Wuppertal hinein metastasiert und somit meine Aufmerksamkeitsschwelle überschritten.
Also gut!
De Omma hatte damals immer eine sumpfdotterblumengelbe Packung Sidroga "Blasen- und Nierentee" herumstehen. Das aufgebrühte Teegetränk schmeckte irgendwo zwischen "Irx!" und "Argh!", aber es ging so gerade noch herunter. Ein trendiges Modegetränk wäre das nimmer geworden, selbst nicht auf Englisch ("evil bladder- and kindney-tea").
Aber mit Ommas Blasentee hat der Bubble-Tea wohl wenig bis kaum etwas zu tun...

In Wuppertal-Elberfeld gibts am Neumarkt jetzt gleich zweimal die Möglichkeit, Bubble-Tea zu genießen. Ein Bubble-Tea-Marktstand und ein Bubble-Tea-Laden - keine 100 Meter voneinander entfernt - ringen um Bubble-Kundschaft. Das muss echt unheimlich rocken!
Abgesehen davon, dass die Plempe nichts enthält, was ein Körper braucht (Link), er pro Liter bis zu 2.000 kcal enthält (Link), man neben den Farb- und Geschmacksstoffen noch weitere, unerfreulichere Chemikalien darin finden kann (Link) und die Kügelchen von Kleinkindern eingeatmet werden können (Link), scheint der Tee TOTAL GESUND zu sein (Herstellerseite) - surprise!
Muahaha!
Ja dann!
Kopfüber in die Moderne: Ich werde mir mal einen reinziehen.
Einen Grünen.


Mehr lesen: (hier)


Dienstag, 20. März 2012

ru24 History 33: Jesaja 54:10 (1967)

1967 (bei der Heimtaufe: QM, moi, Onkel Heinz und Superintendent Becker)

Im März 1967 erblickte ich das trübe Licht der Welt.
Damals gab es buchstäblich nix, weder Farbfernsehen (ab August 1967), Taschenrechner (ab 1969), Digitaluhr (ab 1971), Bruder (1972).
Mir war das seinerzeit völlig schnuppe.

Meine Eltern beschlossen, eine Heimtaufe zu veranstalten - wer auch immer auf das schmale Brett mit Taufe überhaupt gekommen war. Ich tippe auf die noch junge Queen Mom. Mich hat man nicht gefragt. Unser Nachbar zur Linken war Superintendent Becker (eine Art evangelischer "Über-Pastor"), dieser wurde für die Veranstaltung gedungen, Menschen ohne Zahl geladen - ganz großes Kino wg. "Stammhalter" und so.

Mein Onkel Heinz war ein Spaßvogel. Manchmal zog er bei Familienfeiern sein Jackett falsch herum an (Knopfleiste nach hinten) und begann zur großen Freude aller, wie ein Priester zu salbadern.

Am Abend vor der Taufe saßen meine Eltern, Onkel Heinz und Tante Marianne feucht-fröhlich zusammen. Irgendwann an dem Abend vollzog Onkel Heinz seine Verwandlung, nahm die Bibel aus dem Regal, schlug sie an einer beliebigen (und somit automatisch obskuren) Stelle auf, zeigte mit dem Finger irgendwo hin und zitierte so absolut zufällig wie hingebungsvoll Jesaja 54:10.
"Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer."
Bombenstimmung!
Es wurde feuchter, es wurde fröhlicher. Den ganzen Sermon gab es an dem Abend noch bestimmt ein Dutzend mal.
Am nächsten Tag waren die Herrschaften ein wenig verkatert, alles war hoch feierlich. Superintendent Becker tauchte im vollen Ornat auf. Muttern hatte im Wohnzimmer das große Buffet aufgefahren, inklusive Käsepickern
, Pumpernickel-Käse-Häppchen, Spargelröllchen, Mett-Igel und gefüllten Eiern. Atemlose Stille herrschte, als der Superintendent meinen Taufspruch verkündete: 
Jesaja 54:10: "Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer."
Die vier vom Vorabend wurden von wilder, kaum bezähmbarer Heiterkeit erfasst, standen da mit roten Köpfen und rangen um Fassung. Tränen standen in ihren Augenwinkeln. Die Herren grunzten wie die Paviane. Tante Marianne entfuhr ein krasses Wiehern.
Und weil alles so schön und so feierlich war, hat Superintendent Becker den Spruch noch ein Dutzend mal gebracht.

Freitag, 9. März 2012

Deppenapostroph reloaded

http://bit.ly/zJpUaI 
"Dabei ist es so einfach:
Andreas Imbiss gehört Andrea, 

Andreas' Imbiss gehört Andreas,
Andrea's Imbiss gehört einem Idioten."
(sinngemäß zitiert) @Ereschkidal, Twitter
Schöner kann man das nicht sagen!

Leute schreiben jeden Mist mit Apostroph: »CD's«, »DVD's«, »LP's«, »T-Shirt's«, »Snack's«, »Phallu's«, »Fan's«, »Pizza's«, »Kid's«, »Link's« und »Info's«.
»Phallu's« war Spaß.
Natürlich wird McDonald's die Schuld am Deppen-Apostroph rsp. der »Apostrophitis« gegeben. Klar! Die schreiben sich völlig korrekt und versauen so quasi im Drive-by-Shooting unsere Rechtschreibung!
Sicher, sicher!
Die Gegenbewegung rottet sich seit der Jahrtausendwende z.B. bei www.deppenapostroph.info zusammen.
Genützt hat es einen Scheißdreck!

Bäh!: »Heidi's Geburtstag« und »Gitti's Hose« erlaubt der Duden mittlerweile. Demnächst ist laut Duden vermutlich auch »nähmlich« und »dähmlich« voll knorke - Danke Duden!
Weiter so!

Denn wenn das eine erstmal erlaubt ist, dann erschließen sich für unsere »creativen« Mitbürger in Windeseile neue Anwendungen. Es wurden Ungetüme wie den »Bauer'n-Hof«, das »Spielzeug von Damal's« und der »Weihnacht's-Baum« gesichtet.
Aber hey!
Da geht doch noch was!

Der Depp wäre ja kein rechter Depp, benutzte er nicht zu allem Überfluß auch noch die falsche Taste. Die Richtige ist die mit dem #. Drückt man SHIFT+#, ergibt das das erwünschte Hochkomma, wenn auch an der falschen Stelle. Die Steigerung ist, wenn man stattdessen die Taste rechts vom Eszett nimmt. Die Taste ist für die Accents z.B. des Französischen (»Marché« etc.). Das macht dann zusammen: »Steak´s«, »Goethe`s Werke« und »Currywurst-Pomme´s« - Helau!
Manchmal geht halt auch was daneben: »Cafe´ Central«. Die Teile gehören aber über Vokale! Vorgehensweise: Taste rechts vom ß, dann den Vokal drücken. Andersherum: SHIFT und Taste rechts vom ß, dann den Vokal drücken.

Gab man Ende 2002 in Google als Suchwort »New's« ein, bekam man noch 5.480 Treffer. Heute in 2012 sind es »ungefähr 3.120.000 Ergebnisse (0,22 Sekunden)«.
Wow!
Was für eine ungeheure Inflation der Idiotie!
Schauen wir mal in 2022... (irgendwelche Wetten abzugeben?)

Aba, wa`s soll´s, liebe Kid's!
Steht's zu Diensten!
Tschü`'ß denn, eue´r Hennìng


Die komplette Anleitung zur korrekten Apostrophierung: (Link)


Donnerstag, 8. März 2012

Back to the past

http://bit.ly/xpEG2F
Hurra!
Drittes Jahrtausend und so!
Zu früh gefreut, Buddy...

Eines der Hauptmerkmale der Moderne scheint es zu sein, das einem die Antike oder wenigstens das Mittelalter auf Schritt und Tritt begegnen...

Manchmal rufen Kunden an: "Mein Drucker druckt nur Hieroglyphen!"
Soso...
Ich frage dann immer: "Als Monumentalschrift oder eher demotische Hieroglyphen?", dann ist erstmal Ruhe im Karton.

Heute morgen habe ich mich per Fernwartung auf einen Rechner gewählt und der Ansprechpartner und ich starrten minutenlag wie gebannt auf die Sanduhr eines nur sehr mäßig rund laufenden Kundenrechners.
"Ja, hier läuft immer stundenlang die Eieruhr!", freute sich der Kunde, der sich daran schon gewöhnt hatte.
Kunden sagen ja immer "Eieruhr".

Es ist schon bezeichnend, dass die Moderne mit ihren PCs das mittelalterliche Stundenglas erst so richtig populär gemacht hat. Der Sammelbegriff für die PC-Sanduhr und vergleichbare Symbolik lautet übrigens "Fortschrittsanzeige".
*kicher*
Ein Schelm, der Böses dabei denkt.


Dienstag, 6. März 2012

@work 8 - It's magic

http://bit.ly/xWBeye 
Während meines "Jobs out of Hell" (Blogbeitrag) habe ich telefonisch diverse Software vertickt.
So um die 1999 gab es eine Aktion mit einer Zeitungsbeileger-CD-ROM. Kunden konnten eine Software installieren, diese 30 Tage lang testen. Für den Fall, dass sie die Software behalten wollten, mussten sie nur eine Postkarte ("Gebühr bezahlt Empfänger") ausfüllen, dann bekamen sie per E-Mail ein Passwort zur unbegrenzten Freischaltung mitgeteilt.
Kundin ruft an.
"Meine Software ist nicht freigeschaltet worden!"
"Aha! Haben Sie die beiliegende Postkarte ausgefüllt?"
"Ja-haa! Natürlich habe ich die Postkarte ausgefüllt!", sie klang echt schnippisch.
"Ja. Hmm. Seltsam. Wann haben Sie die Postkarte denn ausgefüllt?"
"Vor drei Wochen!"
"Ja. Hmm. Seltsam."
Ich grübelte, währenddessen atmete sie mir wütend in den Hörer.
"Und wann haben Sie die Postkarte abgeschickt?"
"Wie abgeschickt?"
"Äh... Sie haben die Karte gar NICHT abgeschickt?"
"Nein, die habe ich hier neben mir liegen!"

It's magic, Dumpfbacke.


Montag, 5. März 2012

Untot durch Schnupfen

http://bit.ly/wgjMUB
Der Herr hat einen Schnupfen.
Eigentlich keine große Sache.
Naja, aber: Der Herr hat einen Schnupfen.
Also dann ist es irgendwie doch eine große Sache...

Nachdem ich mich niesend durch den Sonntag laviert hatte, befand ich, Fieber zu haben.
In meiner Medizinschublade halte ich für solche Fälle ein elektronisches Fieberthermometer parat. Ich packte es aus, nahm es erstmalig in Betrieb. Ich steckte mir das Teil ins Ohr.
Es piepste.
Es sprach: "Ihre Temperatur beträgt 36,5 °C!"
Mal abgesehen davon, dass sich die Stimme des Thermometers anhörte, als habe Klaus Kinski Helium geatmet... 36,5 °C? Das war ja wohl kaum Fieber!
Hatschi! *schneuz*
Eine Stunde später maß ich wieder: 36,3 °C.
Hatschi! *schneuz*
Eine weitere Stunde später: 35,9 °C.
Gottogott!!!
Ich kühlte langsam aus!
Wir wissen alle, wohin das führt: Körpertemperatur = Raumtemperatur, kein Blutdruck, kein Puls.
Vermutlich bin ich mittlerweile ein Borderline-Zombie (Blogbeitrag).
Mein Kurzzeitgedächtnis ist auf jeden Fall schon das eines Goldfischs.
Äh, wo war ich?

Da sage nochmal einer, ein Schnupfen sei keine große Sache!