Samstag, 16. Januar 2010

ru24 Mysterium 4: Artensterben durch Illustratoren


Escher Pavers
Originally uploaded by Ben Lawson
Als Kind verbringt man schon recht viel Zeit auf den diversen Schößen der Familie: Mutter, Vater, Onkel und Tanten, Großeltern. Bücher anschauen wurde immer gerne gereicht. Und wenn die Kinderbücher irgendwann mal allesamt zu Ende geblättert waren, dann kamen die großformatigen Bildbände auf den Tisch.
Zum Beispiel »Die Welt in der wir leben« in der Knaur Volksausgabe (1957) »mit noch nie gesehenen farbigen Bildern«. (So etwas war 1972 so etwas wie heute das Internet.) Das Buch ist ein Durchmarsch durch die »komplette Naturgeschichte unserer Erde« und wurde für mich ab Seite 76 richtig interessant: »Die Zeit des Unter-Silurs« mit Riesen-Nautilus (4,5 Meter) im Meeresgewimmel, »Die Zeit der Kriechtiere« mit einem 15-köpfigem Dino-Getümmel. Weiter gab es riesige Klappseiten wie »Die Säugetiere des Miozän« auf denen sich dicht an dicht dutzende von Tieren drängten, als seien sie eingepfercht. Weiter hinten gibt es eine Doppelseite »Tiere des Waldbodens«, ein Gewusel ohne Gleichen! Wären es nur doppelt so viele Waldbodentiere gewesen, man hätte vor lauter Viechern den Wald nicht mehr gesehen!
Hier bekam man illustriert, wie der Wald zu sein hatte!
Irgendwann stellte ich kurz darauf im richtigen Leben fest, dass zumindest der Wald, in dem ich mit meinen Eltern spazieren gehen musste, im Gegensatz zu den Abbildungen quasi tierlos war.
Beklemmend!
Ein Mysterium!
Denn: Eigentlich hätten sich doch die Waldbewohner, wie oben im eingebetteten Bild illustriert, geschlossene Texturen bilden, sich quasi übereinanderstapeln müssen! Vielleicht sind auch die Anfänge der Öko-Bewegung auf dieses dem Betrachter unheimliche, unbegreifliche Lebens-Vakuum im Wald zurückzuführen!
War das das Artensterben?
War das das Waldsterben?
Jahrzehnte mussten ins Land ziehen, bis ich begriff, dass es sich hier um ein Mißverständnis zwischen dem Illustrator und seiner Leserschaft handelte.
Das war nicht irgendwann mal so!
Was uns die Illustratoren nämlich mit diesem Gewühl hatten sagen wollen, war:
Es ist/war schon so, aber doch nicht gleichzeitig, du Depp!
Irgendwann lugt ein Lurch hervor, igendwann fliegt eine Waldamsel durchs Bild, irgendwann hoppelt ein Hoppelhase von hier nach da, irgendwann klopft der Buntspecht und irgendwann ist da auch mal ein äsendes Reh!
Ach so.