Mittwoch, 10. März 2010

Heimat 14/History 6 - allerchristlichst (1971 & 72)


Poor Teddy-pola02
Originally uploaded by [ henning ]
Der meinem Elternhaus am nächsten liegende Kindergarten war der Katholische Kindergarten St. Marien in der Blumenstraße. Ich war seinerzeit zwar nicht katholisch, dafür meine Mutter praktisch denkend, sie meldete mich dort an.
Et war 1971, et gab ja nix anderes.
Vor allem aber gab es Gebete, Gesang, Vorlesungen aus der Kinderbibel, das komplette Indoktrinationsprogramm, für das man so genannte Sekten so verachtet, als so genannter Christ.
Gefügig gemacht wurden wir mit bösen Blicken, Drohungen, Strafen. Die Strafen für Fünfjährige waren perfide und lähmend: Erbsen-Bohnen-Linsen-Sortieren zum Beispiel. Man bekam eine große Schüssel voller Hülsenfrüchte und musste diese nach Sorten trennen. Wenn man fertig war, wurde vor den Augen des kleinen Zwangsarbeiters alles wieder durcheinander gerührt. In der Ecke stehen war auch eine "beliebte" Strafe, die RAF-Sympathisanten nannten das zu der Zeit "Isolationsfolter" und bezogen sich auf Stuttgart-Stammheim. Besonders unbeliebt war das "Bibellesen": Man bekam eine reine Text-Bibel in die Hand gedrückt und musste eine längere Zeit darin "lesen", mit 5 ein echtes Problem.

Irgendwann kam unserer Gruppenleiterin auf die großartige Idee, uns Kinder "den Heiland am Kreuz" malen zu lassen. Der Vorstellungshorizont von Fünfjährigen zum Thema römischer Folterinstrumente war ein klitzekleines bissi begrenzt. Ich malte also ein Männlein am Gerüst, Punkt, Punkt die Augen und fetter Bogen SMILE!!! den Mund - fertig!
Dann habe ich auch noch Ärger dafür bekommen.

Wenigstens geschlagen wurden wir damals nicht, das war ja kein katholisches Internat.

Heute bin ich froh.
Ich bin damals so überaus wirkungsvoll resistent gemacht worden, so dass ich als Erwachsener niemals in die Verlegenheit gekommen bin, mich irgendeinem Glauben zuzuwenden.

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