Montag, 16. November 2009

Klagen auf höchstem Niveau


Bahn in Mumbai
Originally uploaded by qiv
Gestern fuhr ich mit einem IC von Ulm nach Wuppertal. Man benötigt Stunden und hält auch an so illustren Orten wie Bad Cannstadt. Irgendwo in der Pampa stieg eine lärmend lamentierende Dame zu.
"Unglaublich! Unglaublich!", atmete sie auf dem Platz hinter mir.
Dann hielt sie einen Bahnbediensteten an und stellte ihn zur Rede.
"Wie ist das möglich, dass, wenn ich mein Ticket ein Vierteljahr vorher im Internet buche, der Zug dann elf Minuten Verspätung hat?"
Fassungslos ließ ich mein Buch "Die Lügen des Locke Lamora" sinken. Das war besser als jede Fantasy.
Der Bahnbedienstete, der wie jeder männliche Mitarbeiter der Deutschen Bahn einen Ohrring und doofe Haare, aber in diesem Fall wenigstens keine Minipli-Frisur (Link) hatte, wußte auch nicht so recht. Er sagte etwas von "besser elf Minuten zu spät, als elf Minuten zu früh" und trollte sich.
Die Dame atmete schwer und mopperte vor sich hin.
Da ich weiterlesen wollte, entschloß ich mich, einzugreifen.
Ich drehte mich um.
"Das sind doch alles Klagen auf höchsten Niveau! In Indien hätten Sie drei Tage auf den Zug gewartet und müßten jetzt auf dem Dach mitfahren", sagte ich.
Die Frau überraschte mich mit ihrer Reaktion: sie lachte.
Später erzählte sie mir noch, dass in Indien vor dem Neujahrsfest Pampers-Windeln knapp würden. Das läge daran, dass alle auswärts wohnenden Inder mit den diversen Bummelbahnen wieder zu ihren Familien heimführen. Die Züge seien dann dermaßen überfüllt, dass schon der bloße Gedanke, während der mehrtägigen Reise eine Toilette aufzusuchen, absolut utopisch sei.
Bäh.
Also: Wegen 11 Minuten machen wir uns nicht ins Hemd, oder?

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