Freitag, 16. April 2010

ru 24 History 13 - England II (1985)

[Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung dieses Blogbeitrags]

Irgendwann kamen der Bus mit uns in Scarborough, Yorkshire an (Link). An einem Busbahnhof wurden wir unseren Gastfamilien übergeben. "Leisi" (Andreas Leistner) und ich kamen in die Obhut von Mrs Stead, einer aus heutiger Sicht sicher recht attraktiven Enddreißigerin. Alle Kinder und Jugendlichen wurden abgeholt, bis auf...
Staudi und Hage standen verwaist auf dem Busbahnhof herum.
Beide hießen Thorsten.
Niemand holte sie ab.
Es begann zu dämmern.
Es nieselte etwas.
Es wurde dunkel.
Es regnete intensiv.
Von Ferne hörte man ein Röhren, das schreckliche Geräusch wurde lauter. Eine verbeulte Dreckskarre hielt an, ölige Wolken ausstoßend. Drinnen am Rechtslenker saß ein zerzauster Mann mit Säufernase, der die beiden scheel ansah, sie dann zu sich winkte. Zögerlich luden sie ihr Gepäck in den Wagen und der stark nach Alkohol und Zigarettenqualm riechende Mann kutschierte sie in Schlangenlinien durch die Stadt, bis sie mit einem Linienbus zusammenstießen. Ihr betrunkener Fahrer und Gastgeber sprintete davon.
Um das Unfallfahrzeug bildete sich eine Menschentraube.
Hage uns Staudi saßen noch in der Schrottlaube, als die englische Polizei auftauchte.
Man nahm sie mit aufs Revier und verhörte sie gründlich.
Sie verloren jeder zwei Kilo an Schweiß.
Irgendwann in der Nacht kamen sie tatsächlich beim Heim ihrer Gastgeber an.
Es war eine Bruchbude.
Die Gastmutter, die den Gatten nicht sonderlich zu vermissen schien, trug als einziges Kleidungsstück ärmellose Kittel. Sie servierte den Jungs Kartoffeln und warm gemachtes Hundefutter, wie sie später unter Eid versicherten.
Die Polizei fragte noch ein paar mal erfolglos nach dem Unfallflüchtigen.
Am vierten Abend ihres Aufenthaltes kam der Gatte durch eines der hinteren Fenster geklettert. Er hatte Laub im Haar und roch wie ein nasser Hund. Er ließ sich in seinen Sessel plumpsen, furzte und schüttete den Jungs erst einmal einen Schnaps aus. Nach dem Dritten outete er sich als ehemaligen Deutschen, den es vor fast 30 Jahren nach England verschlagen hatte.
Dann fragte er, ob sie sich gemeinsam einen Porno auf VHS ansehen wollten.
Die Jungs hatten morgens beim vierstündigen Englischunterricht immer eine Menge zu erzählen - mit überbordendem melancholischen Fatalismus.

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