Donnerstag, 22. Oktober 2009

Lifestyle 21 - Kosmopoliten im Grunch-Fieber


Making Guacamole
Originally uploaded by blmurch
Im Spätsommer des Jahres war ich zu einem „Grunch“ eingeladen. Das ist - wie ich in Erfahrung bringen konnte - die Zusammenziehung aus Grillen und Brunch, natürlich. Auch möglich wäre ja theoretisch ein Racstück (Raclette zum Frühstück), Dicknick (Dinner als Picknick) oder Frühdue (man kann es sich sicher schon denken).
Kaum in der Wohnung des gastgebenden Pärchens angekommen, irrte mein Blick über die zum Verzehr ausgestellten Nahrungsmittel. Brr!
Was waschechte Kosmopoliten im 3. Jahrtausend so alles anbieten: Allerlei Avocadopasten (u.a. Guacamole), Bulgursalat (sieht aus wie verdurstete Graupensuppe), some kind of Petersiliengeshredder (ich hoffe, daß es Petersilie war), diverses Eingelegtes, gesprenkeltes Brot, undefinierbare rote Pampe. "Das Wort „Guacamole“ stammt von dem Nahuatl-Wort „ahuacamolli“, was so viel wie „Avocadosauce“ bedeutet." (Link)
"Gibt es hier nichts Völkisches?", fragte ich mit meiner Führerstimme.
Die Gastgeberin signalisierte einer mir Unbekannten: "Der Onkel macht bloß Spaß".
Na ja. So richtig nicht.
Als wäre ich mit meinem Panzerspähwagen vorgefahren und hätte, eine Reitgerte unter den Arm geklemmt, schneidig "Karrrtoffelsalat mit Würrrstchen, aberrr zack-zack!" bestellt! Kartoffelsalat wirkt möglicherweise zwar altbacken, aber gegen Speisen, die vielleicht in Papua Neuguinea während Mannbarkeitsritualen durch die Nase gelöffelt werden, ist er eine Erleichterung. Auch wenn Essiggürkchen drin sind. Durchaus.
Vielleicht bin ich ja gegen vietnamesischem Senfgras-Salat mit Koalabruststreifen und Lamakäse mit Kumquat-Dressing allergisch.
Die Zusammenstellung auf meinem Teller sah zuletzt aus wie die Hobby-Malpalette eines Hals-Nasen-Ohren-Arztes, der sich farblich von seinem Job inspirieren läßt. Ein fahler Fleck in grüngrau. Ein Fleck in freundlichem rostrot, einer in kräftigem steingrau, drei oder vier Oliven gefüllt mit – ja was zum Teufel eigentlich? (vom Geschmack her faule Perlzwiebeln, ich hatte Abends um 10 noch Aufstoßen davon), ein Stück Brot mit bunten Einsprengseln, vielleicht kleinen Käfern, ein Häuflein grüner Schnipsel. Türkisches Sigara Börek habe ich ja noch erkannt, Allah sein Dank. Ich war ganz erleichtert!
Dergleichen ambitionierte Gäste brachten später selbstgebackene Muffins mit, die in der Tradition der exotischen Polywürzung keinen Wunsch offen ließen (Kardamom mit Ingwer plus ein Geheimgewürz von dem indischen Kumpel von Peter von Frosta).
Was the fuck ist gegen Marmorkuchen einzuwenden!?
Wieder daheim habe ich erst einmal eine Schinkenstulle gegessen um meinem Körper zu signalisieren: alles wird wieder gut.
Fast hätte er mir geglaubt.

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