Vor 20 Jahren skandierten die Menschen im Osten: "Wir sind das Volk, wir sind das Volk!" und Müller-Westernhagen sang: "Freiheit, Freiheit, ist das Einzige, was zählt". Pink Floyd ließ live unter dem Aufschrei "Break down the wall" ihre "The Wall" einstürzen. Ich saß am Abend der Wiedervereinigungsfeier 1989 mit Freunden in einer Wuppertaler Kneipe namens "Agathe", hatte ein Fladenbrot und einige Milchkaffee und Geschichte tat das, was sie immer tat: Sie zog irgendwie an uns vorbei.
Zwanzig Jahre später gab es wieder "die Kappelle rum-ta-ta".
Zeit für ein Resumée:
1) Die von Helmut Kohl damals vollmundig versprochenen "blühenden Landschaften" für die fünf neuen Bundesländer gibt es heute tatsächlich - auf den Industriebrachen der stillgelegten Werke. Der aufmerksame Wanderer findet dort Sumpf-Labkraut, Kohldistel, Wiesen-Glockenblume und Gemeines Hornblatt, Krauses Laichkraut, Weiße Seerose, Großer Wiesenknopf und die Kuckucks-Lichtnelke.
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2) Zu wählen gab es damals im Osten die SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Man ging zur Wahl, machte sein Kreuz, am System änderte das nichts, alles blieb beim Alten, die Lage verschlechterte sich zusehends. Jetzt in der Demokratie geht man zur Wahl, hat die Freiheit, sein Kreuz zu machen wo immer man will, am System ändert das nichts, alles bleibt beim Alten, die Lage verschlechtert sich zusehends.
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3) Eingesperrt in der DDR, träumte der Bürger von der Reisefreiheit des Westens. Nun in der BRD hat man die Freiheit zu reisen wohin man will, leider fehlt dazu das nötige Kleingeld, man zeltet vielleicht ein paar Tage im Jahr auf der Insel Rügen - Herrgott, das ist ja genau wie damals!
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4) In der DDR hatte man genügend Geld, konnte sich aber quasi nichts dafür kaufen. In der BRD gibt es Ware im Überfluss, die Werbung weckt Begehrlichkeiten, leider ist am Ende des Geldes noch so wahnsinnig viel Monat übrig, so dass es unterm Strich auf das Gleiche hinausläuft. Man hat aber die Freiheit, jede Menge Kredite aufzunehmen.
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5) Es gibt aber auch Verbesserung: Die Städte des Ostens wie Dresden und Leipzig sind nun dank Soli herausgeputzte, architektonische Juwelen. Leider verfallen Duisburg, Dortmund und Gelsenkirchen stattdessen rasch.
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Fazit: naja.
Und mit Herrn Müller-Westernhagen habe ich ohnehin noch nie 100%ig übereingestimmt.