"Es ist tiefste Nacht. Im Umkreis von 10 km ist nur ein einziges Auto unterwegs. Es kommt an eine rote Ampel, hält an und wartet. In welchem europäischen Land befindest du dich?"Ich fahre sehr oft nachts durch die Menschenleere der Hügel des Bergischen Landes und denke mit gefletschten Zähnen an diesen Witz, mit dem sich Resteuropa über uns Deutsche lustig macht. Dann komme ich an eine rote Ampel. Stehe herum mit laufendem Motor. Der nicht existente Querverkehr hat auch rot, weil nicht existente Fußgänger erst einmal Vorrang haben. Dann springt die Fußgängerampel um auf rot. Einen magischen Moment lang darf niemand nix: rot-rot-rot-rot. Dann bekommt der nicht existente Querverkehr grün. Meine Fingerknöchel am Lenkrad werden weiß. Manchmal brülle ich meinen Frust heraus.
Hört ja keiner.
Irgendwann springt auch meine Ampel wieder um auf grün. Dann fahre ich vor bis zur nächsten Ampel.
In Wermelskrichen sind alle gefühlten 12 Ampeln so geschaltet, dass man an jeder wenigstens mal ganz kurz warten muß. Die Polizei hat mal einen festgenommen, der im Grunde völlig legitim einfach durchgefahren ist. In meinen Augen kein "Verkehrsrowdy", sondern ein verdammter Held! Ich würde ein T-Shirt mit seinem Konterfei tragen, darauf der Text: "Free Marcel Kampmann" oder so.
Vielleicht ist das die Crux, das Wesen des Deutschen: Gezwungen zu sein, sich hündisch an Regeln halten zu müssen, die im Augenblick ihrer Anwendung völlig widersinnig sind.