Natürlich habe ich laut Hauskalender nur Winterdienst, wenn es sich auch lohnt.
Nachdem mich das pingelige, nachbarschaftliche Gekratze ab 6.15 Uhr zermürbt hatte, schwinge ich mich mit rotgeäderten Augen aus dem Bett, dann schwinge auch ich den Schieber.
Im Anschluß daran mache ich mich an die Befreiung meines Autos. Der Wagen steht ca. 100 m weiter die Straße rauf als sonst. Der Gehweg vor dem Haus an dem ich parke, ist penibel auf eine Breite von 59,4 cm (2x Länge A4) geräumt, akkurat!
Rentner, vermutlich.
Ich stakse also durch den von Schneepflügen mutwillig zusammengeschobenen Mist rund um mein Auto und entschneee es (hübsch so mit drei e!). Dabei sind auch wohl im Eifer des Gefechts 2,3 g Flöckchen auf den geräumten Bereich geraten. Während ich also noch an der Frontscheibe herumkratze, öffnet sich hurtig die Tür des zum Bürgersteig gehörigen Domizils. Da hätte ich natürlich schon beim Parken drauf achten müssen: Niemals vor dem Haus deutscher Spießer-Rentner! So Leute hängen ja ständig am Fenster.
"Sie machen den Bürgersteig voll", quakt der rüstige Herr, perfekt rasiert im gebügelten Freizeitanzug (sprich: "Yogga"). Ich stutze, lasse von meiner unerquicklichen Tätigkeit ab, schaue mich um.
Ah, 2,3g, die die mit dem Lineal gezogene Akkuratesse nun grotesk verunstalten!
Hihi!, denke ich noch.
"Ah, ja, Entschuldigung", sage ich stattdessen. 'Ehre das Alter' und so. Das reicht aber nicht. Der Herr beobachtet jetzt mit geschultem Auge jede meiner Bewegungen, wartet wohl drauf, dass ich mit einem Matchbox-Schneeschieber das Micro-Desaster wieder richte, in mir brodelt es, ein genetisches Erbe väterlicherseits.
"Wenn es jetzt zu schneien anfängt, stellen Sie sich dann mit 'nem Schirm auf den Bürgersteig?", frage ich meines Erachtens völlig berechtigterweise.
"Unverschämtheit!", blökt der Koronargefährdete, er mache hier nicht alles so ordentlich, damit jemand alles wieder voll mache.
Alles!
2,3 g!
"Ich ruf' beim Ordnungsamt an!", zetert die hinzugekommene Gattin.
"Ich bitte darum!", belle ich zurück.
"Außerdem können Sie ja demnächst woanders parken", poltert der Gatte.
*brodelbrodel*
"Sie können ja auch umziehen!", schlage ich nur logisch vor.
"Dat is' Eigentum, dat is' nich' zur Miete ... Unverschämtheit, murmelmurmel", kreischt die Gattin. Das Rentnerehepaar entfleucht ins Haus, man glotzt nun aus den Fenstern, und beobachtet mich, als schändeten draußen die Hell's Angels diverses Nutzvieh.
Im Grunde können sie mir dankbar sein, weil ich für mindestens drei Tage Abwechslung in ihr ansonsten ereignisloses Dasein gebracht habe.