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Dienstag, 20. März 2018

ru24 History: Mit dem Auto in den Urlaub fahren (1981)

photo credit: tonylanciabeta Retro Cars  Retro Ford Magazine Track Day Brands Hatch 22nd July 2009  IMG_9411 via photopin (license)

Es begann bereits eine Woche vor Urlaubsbeginn. De Mutter ließ den Vatter die Koffer von ganz oben aus der Abstellkammer holen. „Die Koffer“ waren aus etwas rissigem Kunstleder und in den Farben Schlammbraun und Schwarz, zwei waren weinrot. Aufgrund ihres nur mäßigen Wiedererkennungswertes im Falle einer Flugreise waren sie an einigen Stellen mit roten, kreisrunden Fahrradreflektoren beklebt. Nun standen sie also geöffnet auf dem Boden als Schikanen im Wohnungsflur und Elternschlafzimmer herum und wurden von QM peu à peu und vor allem mit viel Seelenruhe befüllt: Hier mal ein paar T-Shirts, da ein paar Shorts, Rei in der Tube, Schlüpper, Nagelnecessaire, Pflaster usw. Die Katze namens „Katz“ inspizierte die Gepäckstücke ab jetzt regelmäßig und machte von Zeit zu Zeit ihre Nickerchen in ihnen. De Vatter wurde von QM abends turnusmäßig befragt, was er denn an Kledage in den Urlaub mitzunehmen gedenke. Doch diesem Thema stand er grundsätzlich unverständlich ablehnend gegenüber, so brach er jede Befragung ab, als reiche ihm allzeit die Kleidung, die er am Leib trug. Also packte QM für ihn seufzend lediglich ein wenig mit ein. Theoretisch hatte natürlich jeder von uns vier einen eigenen Koffer, aber praktisch hatten wir jeder nur knapp über einen halben Koffer und QM hatte derer zwei. Zusätzlich zu den Koffern sammelten sich noch eine mächtige Reisetasche aus vage ockerfarbenen Kunstleder, Mutters beige Handtasche, diverse Stoffbeutel mit Schuhen, Jacken und Kleinkram wie Kinder-Flugdrachen, der den Wohnungsflur mehr und mehr zusetzte wie eine von Plaque immer enger werdende Herzarterie.

Am Abreisetag holte der Vatter nach dem Frühstück den Wagen aus der Garage. Er wird bereits ein mulmiges Gefühl in der Magengrube gehabt haben, denn diese Hekatomben an Plunder würden nie und nimmer in den Wagen passen! Der frisch gewaschene, inspizierte, kreidegelbe Granada stand nun in der Einfahrt, alle vier Türen, Schiebedach und die Kofferraumklappe geöffnet und Vatter hastete schweigend und mit zusammengebissenen Zähnen von Wohnungstür zu Kofferraum, um ächzend die Polinten zu verstauen. Manchmal stand er sinnierend vor dem Ford, die Arme an den Handrücken in die Seiten gestemmt, dann wieder wischte er sich den Schweiß von der Stirn, nestelte nach der Packung Camel in seiner Hemdtasche und rauchte, oder begann, bereits Gepacktes kopfschüttelnd wieder auszuräumen. Währenddessen zauberte QM noch weiteres Reisegepäck aus Wohnzimmer, Abstellkammer oder Bad hervor, welches Vatters ohnehin hochfragile Kalkulationen am offenen Kofferraum grausam zunichtemachte. Die Stimmung war bis zuletzt immer sehr angespannt, bis letztendlich aller Plunder und die Fahrgäste verstaut waren.

Irgendwann war es so weit: Die Operation galt als gelungen, wenn der Kofferraumdeckel beim fünften Versuch tatsächlich zu ging. Wir Kinder saßen hinten auf der Rückbank, meist noch mit reichlich Gepäck und Kühltasche zwischen uns, den Fußraum vollgestellt, die Hutablage dermaßen vollgestopft, dass der Rückspiegel für die Dauer der Fahrt nur Deko sein würde. Endlich war es soweit: Von Radevormwald aus ging es häufig über Halver, Kierspe, Meinerzhagen auf die sogenannte „Sauerlandlinie“ (A45).
a) Bereits bis Meinerzhagen dauerte die Fahrt eine verdammte Ewigkeit!
b) Ich habe übrigens diese „Linie“, die ich mir immer wie eine auf die Landschaft aufgepinselte Äquatorlinie vorgestellt habe, nie zu Gesicht bekommen. Stattdessen gab es ausschließlich öde, endlos-selbstähnliche Autobahnkilometer. Was für ein erbärmlicher Etikettenschwindel. Kein Wunder, dass diese sogenannten Sauerländer so hießen!

„Sind wir bald da-haa?“, schrien die Kinder im Chor.
„Es ist schon da hinten!“, wies de Mutter auf einen imaginären Punkt irgendwo am Horizont.
De Vatter steckte sich erst mal eine an.
Ob QM eine Karte lesen konnte, habe ich nie erfahren. De Vater hatte wie ein Kranich ein eingebautes Navigationssystem, ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns je verfahren hätten. Aber vielleicht ist genau das der Trick: Wenn man sich verfährt, einfach mal die Schnute halten.

Im Auto selbst gab es mehrere, sehr mächtige Faktoren: 1) Die Stimmung war schon per se angespannt, also nicht so dolle. 2) Mein kleiner Bruder Frank und ich waren fünf Jahre auseinander und keine Fans voneinander. Das gab ständig Streit um nichts aus dem Nichts. 3) Eine Anschnallpflicht auch „hinten“ gab es erst ab 1984, aber Muttern setzte diese bereits mit dem Auftauchen des ersten Gurtes an der Rückbank in den Jahren vorher rigoros durch — ade paradiesische Zustände! Die Gurte schnitten uns in den Hals, wären im Falle eines Unfalls Todesfallen gewesen und fixierten uns gleichzeitig in unseren Ecken wie Fliegen an einem Fliegenfänger. Sitzerhöhung, Kindersitze oder Gurtpolster waren damals noch Science Fiction. 4) De Vatter, ein passionierter Raucher, quarzte sich während einer Tagesfahrt gut & gerne mal seine 50 bis 60 Kippen „Camel ohne Filter“ weg. QM verinhalierte in der gleichen Zeit vier „Lord Extra“. 5) Queen Mom, die obwohl sie ein Halstuch trug, ständig Zug im Nacken bekam, verbot aufgrund dessen das Öffnen von Seitenfenstern, Ausstellfenstern und Schiebedach — auch nur einen Spalt breit — vollständig für die Dauer der gesamten Fahrt.

„Sind wir bald da-haa?“, schrien die Kinder im Chor.
„Es ist schon da hinten!“, wies de Mutter auf einen imaginären Punkt irgendwo am Horizont.
De Vatter steckte sich erst mal eine an.

Wenn wir Kinder also nicht gerade wegen nichts oder irgendeinem Scheiß stritten, gerieten wir aufgrund des Zigarettenrauchs mangels Lüftung regelmäßig in toxische Todeszonen, die unsere Körper mit reichlich Übelkeit konterten. Was hatte ich als kleines Kind gekotzt wie ein Reiher! Aber jetzt wurde uns wenigstens nur noch übel. Meine Mutter, die lebenslang keinerlei Zusammenhang sah zwischen Rauch und Kinder-Übelkeit, empfahl uns allzeit sehr eindringlich, während der Autofahrt „immer schön nach vorne auf die Straße zu schauen“. Es gibt, glaube ich, bis heute, kaum etwas Langweiligeres als diese endlosen Autobahnkilometer! Aber trotzdem blinzelten wir, der Empfehlung folgend, stundenlang mit tränenden, zusammengekniffenen Augen durch den Smog nach vorne, wo seinerzeit noch große Mengen Insekten auf der Windschutzscheibe zerplatzten und ihren semitransparenten Schleier des Todes hinterließen.

Dann endlich Mittagszeit, ein Rastplatz! Der Wagen wurde randvoll mit dem guten Super verbleit betankt, dann ein Tisch mit Bänken gesucht und die Kühltasche aus dem Auto gewuchtet. Von orangefarbenen Papptellern spachtelten wir neben dem knackend auskühlenden Wagen Mutters Kartoffelsalat mit am Abend zuvor gebratenen Frikadellen! Meine Güte, das entschädigte für Vieles!

Die Fahrt in den Urlaub in Richtung war für uns Kinder endlos, lähmend, toxisch! Aber Meer, Sand und Sonne (alternativ: Berge, Almen & Bauernhof — „Ich will Kühe!“) entschädigten dann auf der Stelle für alles.

In der Regel hatten wir einen Bungalow mit Küche und Muttern bekochte uns jeden Tag mit aus der Heimat mitgebrachten Lebensmitteln, die dann immer aus lokalen Supermärkten wieder aufgefüllt wurden. Umso aufregender, wenn wir mal ein Restaurant aufsuchten! Essen zu gehen war so exotisch für uns Kinder, dass ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit reflexartig Wiener Schnitzel mit Pommes frites bestellte.

Klassischen Sonnen- bzw. Strandurlaub gab es bei uns so gut wie nicht. Selbst bei hochsommerlichen Temperaturen machten wir sehr häufig Touren, besuchten Sehenswürdigkeiten, de Vatter machte die Fotos dazu. Schon aus Frack trug er den ganzen Urlaub lang mehr oder weniger ein und dieselbe verblichene Jeans-Shorts mit selbst abgeschnittenen Beinen — er hatte ja auch nicht viel. De Mutter wechselte ihre Kleidung ständig, denn hier konnte jemand aus den Vollen schöpfen.

An Strandtagen bekamen wir ein- bis zweimal täglich eine Ganzkörpereinreibung mit einer Sonnenmilch mit damals als „hoch“ geltenden Lichtschutzfaktor 16 und gut war. De Vatter, der dem Thema „Sonnenschutz“ grundsätzlich eigenartig ablehnend gegenüberstand, verweigere sich trotz Halbglatze völlig und sah dafür wochenlang aus wie ein Spanferkel auf dem Grill — inklusive Kruste.

Aber auch der schönste Urlaub geht einmal zu Ende. Nun stand uns Kindern wieder die endlose, lähmende, toxische Rückfahrt ins Haus. Ausufernde deutsche Autobahnbaustellen mit rhythmisch blinkenden, gelben Lichtern machten aus der späten Heimkehr oft eine Stau-Nacht mit hypnotischer Lichtshow, als deren Zentrum man sich selbst wähnte.

„Siegen!“ (alternativ: „Gießen!“), knurrte de Vatter, der seit 18 Stunden hinter dem Steuer saß.
„Sind wir bald da-haa?“, schrien die Kinder im Chor.
„Es ist schon da hinten!“, wies de Mutter auf einen imaginären Punkt irgendwo am Horizont.
De Vatter steckte sich erst mal eine an.
Wir Kinder schliefen irgendwann ein.


Gottlob flogen wir auch häufig in Urlaub. Aber selbstverständlich saßen wir da im Raucherabteil des Fliegers — wir kleinen Vögel wären sonst noch völlig entwöhnt worden oder hätten Hubba-Bubba-Nikotinkaugummis kauen müssen.


Mittwoch, 29. Juli 2015

Heißgetränkeautomaten

photo credit: Choose wisely via photopin (license)

Im Wort "Heißgetränkeautomaten" steckt ganz hinten das Wort "tomaten", was kein Zufall ist.

Mein erster Heißgetränkeautomat begegnete mir im Foyer der Turnhalle des Gymnasiums in Radevormwald, vielleicht 1981. Für Kinder war dieser schwarz-braune, flächig mit Holzimitat beklebte Klotz in der Größe eines Kleiderschrankes in der Regel nur Deko, denn für uns rangierten eisgekühlte Cola, Fanta, Lift, Sprite und Mezzo Mix haushoch vor allem anderen -- es sei denn, es war Winter. Dann stapften wir mit unseren Moon-Boots in das grausam überheizte Foyer, um uns Kakao -- und nur Kakao zu ziehen. Man warf sein 50-Pfennig-Stück in den Geldschlitz, drückte die KAKAO-Taste, schon brummte und summte das Gerät, wackelte auch ein wenig, ein ockerfarbener, geriffelter Becher plumpste in den Ausgebeschacht, dann Summ-Summ-Summ ergossen sich die diversen Komponenten des Kakaos (Heißwasser mit Milchpulver, Heißwasser mit Kakao und das Ganze retour). Zuletzt: das fertige Getränk. Traditionell umklammerte man die heißen Becher und blies hinein, sodass die Metallrandbrillen dick beschlugen. Aber: Wenn man jetzt Pech gehabt hatte, dann hatte sich der (zu allem Überfluss nur marginal sympathische) Hallenwart fünf Minuten zuvor eine Tomatensuppe gezogen -- und so schwammen jetzt etwa 30 grellorange Fettaugen auf dem Kakao.

Deshalb steckt im Wort "Heißgetränkeautomaten" ganz hinten das Wort "tomaten".


Sonntag, 27. Juli 2014

DAF: "Der Räuber und der Prinz" (1981)

"Deutsch Amerikanische Freundschaft“ von Tilman Brembs - http://goo.gl/yCkaGg. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
1981 hat die Band DAF "Deutsch Amerikanische Freundschaft" das LP-Album "Alles ist gut" herausgebracht, es enthielt die Ausnahme-Hits "Der Mussolini" (Seite A, Track 2) und "Der Räuber und der Prinz" (Seite A, Track 5). Das Cover zeigte verschwitzt und mit nacktem Oberkörper die Herren Gabi Delgado-López (Vorderseite) und Robert Görl (Rückseite). "DAF gelten als Pioniere und Inspiration für die Genres Electropunk, Electronic Body Music und Techno." (Wikipedia)
Für das Album erhielten sie den Deutschen Schallplattenpreis.

1981 wusste von uns 13- bis 14-jährigen Blagen niemand so genau, was er mit den Textzeilen "Tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler" anfangen sollte (war das nicht 'verboten'?). Und war "Der Räuber und der Prinz" nicht irgendwie 'schwul' (will meinen ein Lied über das 'Tabu Homosexualität')?
Gottogott! Aber die Mucke war natürlich grandios!

1981 auf der Realschule Radevormwald fand der Werken-, aber auch der Handarbeits-Unterricht im Untergeschoss statt. Die Jungen hatten Werken, die Mädchen Handarbeit und es handelte sich hierbei um homogene Gruppen - wie es sich gehörte. Die Räumlichkeiten für Werken und Handarbeit lagen im Kellergeschoss am Ende eines langen, schlauchförmigen Flures mit fast quadratischem Querschnitt und waren immer abgeschlossen, die Schüler mussten vor Unterrichtsbeginn im Flur warten. Wenn jemand das Licht ausschaltete, dann fiel nur noch ein indirekter Schein aus einem Treppenhaus ein und der Flur lag in einem stimulierenden Halbdunkel. Manchmal spielten die Jungs so etwas wie Squash mit Tennisbällen - weil es sich anbot und weil es so toll knallte. Die Akustik in dem Schlauch war auf jeden Fall 1A, alles hallte und machte dumpfe Echos.

1981 hatte mein Mitschüler Stefan "Kanne" Kanitz einen Mono-Kassettenrecorder, bei dem man mit einem Drehregler die Bandgeschwindigkeit stufenlos verändern konnte. Wow!

1981 kam all das zusammen: Während wir in diesem Akustik-Schlauch auf unsere Werken-Lehrerin warteten, packte Kanne seinen Kassettenrecorder aus und spielte gehörig laut DAFs "Der Räuber und der Prinz" (youtube). Das ohnehin schon leiernde Lied mit den blechernen Doings!" und "Dongs!" wurde mal schneller, mal langsamer, Echos kollerten durch den Gang und kamen wie Brandung zurückgerollt.
Eigenartigerweise ist das mit Abstand die intensivste Erinnerung, die ich an meine gesamte Schulzeit habe.


Mehr Realschule Radevormwald: Blogbeiträge.


Donnerstag, 17. Oktober 2013

Tebartz-van Elst, weiter so!

Kein OBI-Kunde (http://goo.gl/6ynmex )
Was haben die Chinesische Mauer, der Petersdom/die Sixtinische Kapelle und das Tadj Mahal gemeinsam?
Bei der Errichtung dieser Bauwerke wurden weder Kosten noch Mühen gescheut.
Hätte man in Zeiten der Ming-Dynastie die Große Chinesische Mauer mit Billo-Zement ausm Hornbach errichtet, es gäbe sie heute einfach nicht mehr. Hätte man den Petersdom seinerzeit dank einer 20%-Aktion bei Praktiker komplett mit Baumarktmitteln errichtet und die Sixtinische Kapelle hätten von Innen nen Dutzend Obdachloser mit Abtönfarben aus der "Creativ-Ecke" bemalt, niemand hätte jemals von diesen Gebäuden gehört. Desgleichen gilt für ein Tadj Mahal aus OBI-Dauerniedrigpreis-Rigips.
In der Moderne wird aus Kostengründen nun einmal billig gebaut und kaum 30-50 Jahre später reißen sie die spillerigen Teile (z.B. Sony Center, Potsdamer Platz) wieder ab.
Wir befinden uns im Jahre 2013 n.Chr. In ganz Europa hält man sich an diese Regel... In ganz Europa? Nein! In einem von unbeugsamen Klerikern bevölkerten Dorf namens Limburg hat man gerade erst angefangen, die fette Kohle rauszuhauen. Der neue Bischofssitz des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst (53) war mit 5,5 Millionen Euro veranschlagt worden, das Ganze könnte aber aufgrund einer völlig überraschenden Kostenexplosion noch die 40 Millionen-Latte reißen (Quelle).
Respekt.
Alle so: *aufreg* (als wäre es ihr Geld).
Hey, Leute, das sind doch keine (Lohn-)Steuergelder, die hier verballert werden, sondern Kirchensteuern! Wer (wieso auch immer???) noch Kirchensteuern zahlt, sollte nicht rumheulen, wenn eine seltsam unzeitgemäße Institution (Kirche) diese Kohle einer verschrobenen Verwendung zuführt. Doch von der Katholischen Kirche erwartet der Gläubige anscheinend, dass sie mit ihren unvorstellbaren Reichtum von 270 Milliarden Euro (Quelle) Gutes tut - wie weltfremd ist das denn? Denn leider wird Reichtum in aller Regel angehäuft und nicht für "Gutes" verwendet - wie naiv seid ihr denn?
Exkurs: In der Zeit von 1981–1985 war der Sektenführer Bhagwan Shree Rajneesh Eigentümer von 93 Rolls Royce. Da ihm diese technisch antiquierten Gefährte anscheinend sehr gefielen, beschloss er, sich insgesamt 365 Stück davon zuzulegen, einen für jeden Tag des Jahres (Quelle). An Schaltjahren wäre er am 29. Februar vermutlich mit nem BMX-Rad die Reihen seiner Jünger abgefahren, aber Schaltjahr ist ja nicht so oft. Die, die nicht Sannyasin = "Jünger des Bhagwan" waren, fanden diese geplante Anschaffung sicherlich ein bissi diskutabel - aber hey! War ja son spinnerter Sektenfuzzi!
In Limburg indes werden wirkliche, bleibende Werte geschaffen, die auch in 30, 50 oder 100 Jahren noch Bestand haben. Es werden Architekten und Bauunternehmen (Hoch- & Tiefbau) beschäftigt, Handwerker aller Couleur wie Parkettleger, Stukkateure, Kunstmaler, Möbelbauer, Kunsttischler, Goldschmiede und Edelsteinschleifer. Der muss sich nicht seinen ganzen Kram bei IKEA zusammenstoppeln! Nein, diese ganze irre Kohle fließt geschlossen ins lokale Handwerk, in lokale Unternehmen und die zahlen davon fette Steuern. DAS ist Entwicklungshilfe, die wirklich etwas bringt! Und eines Tages kann man sogar dafür Eintritt nehmen und staunende Touristen durch die Räumlichkeiten der bischöflichen Prunk-Residenz führen!
Von mir aus hätte Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst 1,5 Milliarden veranschlagen können für einen Bischofssitz, den man vom Mond aus sehen kann, dessen Kosten dann die 4 Milliarden-Latte noch reißen - der Wirtschaft, der Region, dem Bundesland Hessen, dem Steuersäckel hätte es bestimmt nicht geschadet.
Deswegen: Tebartz, weiter so!

Um es rasant elegant auf den Punkt zu bringen:
"Wenn mir Millionen Katholiken monatlich freiwillig Geld fürs Ministrantenbelästigen überweisen, kauf ich die Badewanne auch nicht bei OBI.", @silvereisen, Twitter

Oder, um mal die Kirche im Dorf zu lassen:
"Der Unterhalt des noch nicht eröffneten Berliner Flughafens kostet PRO MONAT 35 Mio. €. Wie viele Bischofssitze man damit umbauen könnte!" @DerWachsame, Twitter


Donnerstag, 22. Dezember 2011

ru24 History 30 - Konfirmation (1981)

http://bit.ly/sTDzr0 
Ich war noch nie freiwillig in einem Gottesdienst.
Naja, Hans und Franz haben geheiratet in den letzten 20 Jahren, da bin ich dann quasi gezwungenermaßen hin. Die Predigten waren allesamt identisch, Stichwort: "Die Liebe ist dies, die Liebe ist das ... etc., etc." (Korinther 13, 4-8a usw.). "Wenn ich keine Liebe habe, so bin ich ein tönendes Erz geworden oder eine schallende Zimbel."
Sicher, sicher.

Und diverse Konfirmationen habe ich auch über mich ergehen lassen, erst die eigene, dann die von diversen Cousins meiner damaligen Freundin. Am schlimmsten war eine Konfirmation in Thüringen in einer extrem schummrig beleuchteten Kirche, ich glaube in Suhl. Der Pastor sprach des Dialekts halber für mich in fremden Zungen, es war dunkel, deswegen bin ich dann dauernd eingenickt, was allen außer mir sehr peinlich war...

Dann das Singen in Kirchen: Da prallen dann Lieder mit Texten und Melodien, die so zeitgemäß daherkommen wie die spanische Inquisition, auf meine wundervolle Ork-Singstimme: "Roo-Lro-Lroo-Lro---Loooroo!"

Selbst konfirmiert worden bin ich 1981 in Radevormwald bei Pastor Motte, der seine Predigten komplett mit der linken Hand in der Hosentasche bestritt. Motte bestand nicht einmal drauf, dass die Konfirmanden jeden Sonntag zum Gottesdienst gingen und so habe ich mir das natürlich komplett geklemmt. Selbst mit 14 hat man ja sonntags besseres zu tun. Eine Woche vor der Veranstaltung fuhren Queen Mom und mein 14-jähriges ich nach Remscheid. Mutter zwang mir einen braunen Cordanzug auf und das Thema war quasi sofort durch, vermutlich war er im Angebot. Widerstand war zwecklos. Argumentieren verschwendete Atemluft. Mutter ließ immer schon so gut mit sich reden wie die Borg des Star-Trek-Universums.
Am Tag der Konfirmation wusste ich nicht einmal, in welche der vier Kirchen meiner Heimatstadt ich gehen sollte. Meine Mutter wurde fast ohnmächtig, als sie mich dabei abfing, wie ich gerade Verwandte anrufen wollte, um zu fragen, in welcher Location das Event denn stattfinden solle.
Alle Konfirmanden trugen schwarze oder dunkelblaue Anzüge oder Kleider, nur ein einzelner Narr hatte einen braunen Cordanzug an. Helau! Das Konfirmationsfoto sollte ich echt mal nachreichen - Muahahaha!!!
Nach dem Einsacken der Kohle durch die damals noch überreichlich vorhandene Verwandtschaft (pro Umschlag ein 100 DM-Schein) war das Thema Kirche für mich dann völlig abgehakt (siehe auch: Link).
Der Höhepunkt des Fests: In der Gastwirtschaft, wo sich die einschlägigen Verwandten auf Kosten meiner Eltern zulaufen ließen, stand ein Pong-Automat (Link)! Hell yeah! Das rettete mir echt den Tag!

Jetzt wohne ich mit meiner Freundin in Wuppertal direkt an einem Friedhof, an dessen Ende, surprise, die "Friedhofskirche" steht, ein monumentaler Sakralbau (Link). Die haben quasi ständig Anlass, die Glocken zu läuten - vermutlich, weil sie es können. Aber dank der Moderne kann man jetzt wenigstens nachsehen, warum zur Hölle sie läuten: Online-Predigtplan (Link).
Wie cool!
Danke Moderne!


Mehr zum Thema: (Blogbeitrag), (Blogbeitag) und auf den Punkt gebracht: (Blogbeitrag).


Freitag, 26. März 2010

Heimat 15/History 8: Frau Verhoye (1981)


Drapeau français
Originally uploaded by zigazou76
Rock'n'Roll Realschule Teil 1
In der siebten Klasse der Realschule (Link) bekam ich Französischunterricht. Die Französischlehrerin war Frau Verhoye (sprich: Weh-roo-áh!) und sie ließ bereits bei der ersten Unterrichtsstunde auf sich warten.
Etwa fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn hastete sie in den Raum. Sie war blondiert und touppiert, sie trug ein Kostüm und hochhackiges, farblich zur Kledage passendes Schuhwerk.
"Vite! Vite!", rief sie affektiert, als sie in den Klassenraum stürmte. Ihre allererste Amtshandlung bestand grundsätzlich darin, sich in dem Spiegel über dem Waschbecken zu schminken. Wir Kinder waren fasziniert und nahmen Haltung an, denn Anno 1981 stand man noch stramm hinter den Stühlen, sobald das Lehrpersonal den Raum betrat. Frau Veroye fuhr ein goldenes Mercedes Cabrio und war mit einem belgischen Schokoladenfabrikanten verheiratet - eine, die es geschafft hatte...
"Bonjour chers étudiants!", singsangte sie nasal.
"Gu--ten Mor--gen Frau Weh--roo--ááh!", brüllten wir.
"Asseyez-vous", sagte sie als nächstes.
Wir lernten mit der Zeit dass wir anschließend im Chor "Nous nous asseyons!" zu brüllen hatten. Etwa 25 Jahre später erfuhr ich durch Zufall, dass das "Wir setzen uns" heißt.
Mit der Zeit erlernten manche von uns die Grundzüge der obskuren Sprache Französisch. Und weil Frau V. absolut immer zu spät zum Unterricht kam, lernten wir quasi en passent, dass "Vite! Vite!" = "Schnell, schnell" bedeutet.
Die Jahreszeiten flogen nur so dahin, ich entdeckte mein fehlendes Talent = Nullbock, wählte Französisch ab und wandte mich dem naturwissenschaftlichen Zweig zu, der meinen Neigungen eher entsprach. Kurz drauf schrieb ich die einzige EINS meiner Schullaufbahn: In Biologie bei einem Sexualkunde-Test.

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