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Freitag, 16. Mai 2014

ru24 History 49 - Ölkrise (1973)

Anfang vonne 1970er fuhren de Nachbarsblagen auf nem Kettcar stundenlang durch de ganze Nachbarschaft un bei uns ummet Haus. Dat Tretauto hatte wohl en paar Winter im Freien verbracht, deswegen quietschte et sowat von gottserbärmlich. Dat Gequietsche war so dermaßen schrill, dat et allen im Umkreis quasi ununterbrochen durch Mark un Bein ging, abgesehen vonnen völlig schmerzfreien Piloten! De Blagen aufm Dingen strahlten nämlich wie de Dreckeimer, während se abwechselnd fuhren!
De Queen Mom war et ja schon länger am Planen dran gewesen un eines Tages konnte se nich mehr an sich halten. Da isse mitm Ölkännchen vonne Nähmaschine rausgerannt, hat de gerade noch wild grinsenden Blagen vonm Dingen runtergescheucht und en halbes Kännchen Öl an de strategischen Stellen getan. Währenddessen brüllten de Gören wie am Spieß, so als würden se überm Feuer geröstet. De Bälger hatten in dem Augenblick ihre ganz private "Ölkrise 1973"! De Mutter indes war ungerührt. Sowat focht se ja nich an. Als se fertich war, quietschte an dem Kettcar-Dingen nichmal nix mehr!
Aufgedunsen vonne Heulerei un mit riesigen Rotzglocken annen Nasen zogen de Blagen mitm Gefährt lautlos von dannen. Nu war Ruh.

Niemand hat et Kettcar je wieder zu Gehör oder zu Gesicht bekommen, dat war ja nu auch nich mehr interessant für de Nachbarsblagen, die sich nu en anderet Terror-Hobby zulegen mussten, vielleicht Schlachzeuch spielen oder so.


Sonntag, 5. Januar 2014

Nachbarn


Nachbarn hatten wir, als ich Kind und Jugendlicher war, wie Sand am Meer. Es geht um den Zeitraum "Ende der 60er" bis "Mitte der 80er". Nachbarn wohnten quasi in jeder Himmelsrichtung (incl. "oben"). Für meine Eltern war das eine richtige "Nachbarschaft". Für mich und meinen Bruder handelte es sich bei der Ansammlung von (i.d.R.) niederträchtigen, tratschenden, widerlichen Waschweibern um ein Pandämonium!
Hier wurde man 24/7 bespitzelt! Diese Nachbarn waren der Feind!


Frau Wörner, die bei uns im Haus wohnte, war ein prototypischer Hausdrache. Sie führte sich auf, als gehöre ihr der Laden, Grund: sie wohnte ja mit ihrem Mann bereits seit dem Krieg in der gleichen Zweizimmer-Butze ohne Bad. Dies schuf den hinreichend royalen Hintergrund, um sich aufzuführen wie Thurn & Taxis feat. Else Kling (Link). Der Gatte (Willi), der über 50 Jahre urst brutal unter dem Pantoffel gestanden hatte, eman(n)zipierte sich nach seinem Schlaganfall für alle überraschend. Am überraschtesten war wohl die Gattin selbst, denn Willi bekämpfte den alten Drachen notfalls auch mit der Bratpfanne - strike! Ein ganz wunderbares Beispiel dafür, dass Karma zum Bumerang werden kann.

Teskes: Das Ehepaar Teske hatte bis Anfang der 80er eine PIMPI-Tankstelle genau gegenüber von unserem Haus. Als Kind stellte ich mir immer vor, dass sie eines Tages explodiert wie bei "Die Vögel" und alles im Umkreis den reinigenden Flammen übergeben wird. Vorher machte die Tankstelle mit den zwei Zapfsäulen und dem 2,88 m² Verkaufsraum indes dicht. Da Willi Teske es gewohnt war, immer alles im Blick zu haben, schwebte von jetzt an sein von Krankheit madenartig aufgedunsener Schädel wie ein fahler Ballon hinter dem Fenster im ersten Stock. Wann immer wer-auch-immer zu Hause ankam oder das Haus verließ, allzeit verfolgte ihn der geisterhafte, blasse Maden-Ballon -- buchstäblich wie der Fluch in einem japanischen Horrorfilm.

Der Metzger. Wie im Film "Delicatessen" hatte der Metzger keinen Namen, er wurde nur "der Metzger" genannt. Der gekachelte Verkaufsraum war etwa so groß wie eine kleine Eisdiele und hatte eine Mörder-Akustik. Das hinderte den allzeit rotgesichtigen Fleischerei-Fachverkäufer nicht daran, stimmlich jederzeit alles zu geben: Der Kunde an sich wurde mit überbordender Freundlichkeit in Grund und Boden gebrüllt: "JAAA!!! UND AUSSERDEM??? NOCH ZERVELAT??? JA!! GERNE, SEHR GERNE!!!... UND AUSSERDEM??? " Mein jüngerer Bruder beschloss eines Tages aufgrund seines großen Unbehagens, dort einfach nicht mehr hinzugehen. Dies geschah sehr zum Leidwesen von Queen Mom, die ihn jetzt nicht mehr schicken konnte! Großer Gott!! Von nun an musste sie (sofern sie meiner nicht habhaft werden konnte) im Notfall die 30 Meter zum Metzger SELBER GEHEN (Google Maps). KRAISCH!!! Soo viel Elend!!!

Familie Mahd: Herr Mahd war Metzger, aber arbeitetet nicht in der Metzgerei, über der er wohnte. Das fanden wir schon als Kinder sehr verdächtig. Herr M.s Haare waren wohl nicht zu bändigen, deshalb versuchte er es gar nicht erst. Einen Ölwechsel hätten sie auch dringender nötig gehabt als irgendwas, was nicht lecker aussah. Später machte der Herr von sich reden, weil er sich bei kleineren Lebensmittel-Diebstählen in der Innenstadt hatte erwischen lassen, was den Tratschenden und Hetzenden in der Nachbarschaft Kaiserstunden mit Schaum vorm Maul bescherte. Frau Mahd war ein Breitmaulfrosch alter Schule. Wenn im Sommer die gesamte Familie M. (incl. des schurkischen Mike und der quäkenden Anja) den Balkon bevölkerte -- jede Minute davon war RTL II für die Nachbarschaft, lange, bevor es die Privaten überhaupt gab. Unterhaltung von Schwachköpfen für Schwachköpfe.

Familie Decker: hatte eine kleine Firma "Extrusionstechnik" in der Nachbarschaft. Niemand konnte sich so recht etwas darunter vorstellen, die Deckers vielleicht auch nicht, denn sie gingen nach einer Weile pleite. Queen Mom war der Meinung, dass die fahle Tochter der Deckers (sie hieß glaube ich "Talg") ein hochreizendes Geschöpf sei, welches als potentielle Schwiegertochter keinesfalls abgewiesen werden würde. Bruder und ich waren entgegengesetzter Meinung: wir simulierten hinter ihrem Rücken "Erbrechen".

Das Nicht-bürgerliche Lager:
Herr Gilch hatte zwei Dutzend Mal am Tag Besuch, der nicht mal fünf Minuten blieb. Verkaufte dieser Typ etwa Drogen? Vom merkwürdig eingefallenen Gesicht her hatte dieser Händler mit seltenen Substanzen schon öfter Rohrfrei geschnupft, als in einem ökologisch-dynamischen Haushalt eine Nasendusche zum Einsatz gekommen war. Mehrere Polizeirazzien incl. Drogenhunden sorgten vergeblich für Wirbel und wochenlang für Gesprächsstoff. Die völlig arglosen Vermieter des Herrn wurden von der sog. Nachbarschaft in Sippenhaft genommen und ebenso mit Acht & Bann belegt wie Rohrfreigesicht, der Dealer. Fair geht eben vor in der Nachbarschaft.
Familie Zeisig waren ein komplementäres Paar: Er war groß, hager bis zur Auszehrung mit eingefallener Brust und flammend rotem Haar, sie war klein, dick und straßenköterblond. Parterre wohnend und ohne Gardinen zeigten sie der ganzen Nachbarschaft bei Festbeleuchtung, wie viel Spaß man bei "Hasch mich, ich bin der Frühling" haben kann -- natürlich nackt. Gerade die, die seit 30 Jahren keinen Sex mehr gehabt hatten, redeten sich das Maul schaumig.
Frau Breitenstein war mit weit über 70 eine Quartalssäuferin wie sie im Buche stand. Sobald sie den Sozialamts-Scheck in Händen hielt, gab sie mal so richtig Kette. Die Heimkehr aus der Innenstadt, die gebrochene Reval ohne Filter auf der Lippe, verlief meist in einem Zustand forcierter Ungeordnetheit. Die Wocheneinkäufe, waren oft auf mehrere 100 Meter Nachhauseweg verteilt (wie die Trümmer eines gecrashten Flugzeugs), das Gebiss fand sich in der Regel auf dem Hof wieder - "oben" hier, "unten" da. Manchmal schlief sie auf der Gartentreppe. Frau Breitensteins Sohn, der Dauer-Alk, zog praktischerweise in das Männerwohnheim gegenüber vom EDEKA.
Männerwohnheim: Einst ein ehemaliges Kohlelager wurde es in eine Heimstatt sozial schwacher Männer ab Mitte 40 umgebaut. Jetzt wohnten hier Herren, deren erste Prioritäten nicht Körperpflege oder ein weltmännisches Auftreten waren. Oft kam es zu Schlägereien um die letzten Tropfen Spiritus oder weil jemand ins falsche Zimmer gekotzt hatte. Der Krankenwagen war ein oft gesehener Gast. Im Zuge solcher Konflikte hatte auch jemand den Sohn von Frau Breitenstein erschlagen. Die Polizei ermittelte und ermittelte, aber da quasi jeder der sturztrunkenen Bewohner infrage kam, sperrte man am Ende den ein, der den Stift halten konnte, um das Geständnis zu unterschreiben.

Der kleine 45 m²-EDEKA auf der anderen Straßenseite direkt neben der Post war das Zentrum allen Tratschs, hier liefen am Ende alle Fäden zusammen. Horst und Ulrike Jevers waren die NSA der Nachbarschaft, die Spinne im Netz. Im Grunde reichte es ihnen schon lange nicht mehr, nur zufällig Tratsch zugetragen zu bekommen. Nein, da, wo sie Wissenslücken hatten, begannen sie, ihre Kunden gezielt auszufragen. "Wie konnte Frau Heringer denn stürzen?", "Was soll Herr Mahd denn gestohlen haben?", "Warum stand gestern der Krankenwagen in Höhe der Hausnummer 141?"
Im Grunde waren alle Nachbarinnen hier Stammkunde, steuerten mit weit aufgerissenen Augen und von der Geschwindigkeit verschwommenen Mäulern die neuesten pikanten Details zu jedem noch so belanglosen Tratsch bei.
Wenn wir als Kinder von Muttern dort hin geschickt wurden, dann mussten wir uns allzeit einem peinlichen Verhör unterziehen. Widerstand war zwecklos: Man bekam einfach so lange seinen Kassenbon und das Wechselgeld nicht ausgehändigt, bis alle Fragen zur Zufriedenheit beantwortet waren. Ein Fegefeuer, nicht nur für Kinder, denn die beiden Jevers begannen auch nach guter, alter, christlicher Tradition manche ihrer Kunden aufgrund der Vielzahl unbestätigter Gerüchte wie Scheiße zu behandeln.
Zum Ausgleich gingen sie Sonntags in die Kirche.


Wann immer ich heute zum Haus meiner Mutter oder Tante komme, dann spüre ich die observierenden Blockwart-Blicke noch immer in meinem Nacken prickeln, obwohl fast niemand meiner ehemaligen Nachbarn noch am Leben ist.
Das Unwohlsein bleibt vermutlich für immer.



Siehe zu den "Jevers" auch: Blogbeitrag, mehr "Nachbarn": Blogbeitrag


Samstag, 18. Mai 2013

H30

Wenn man mit mehreren Mietparteien in einem Haus lebt, kann man seine Mitbewohner schon dadurch besser kennen lernen, indem man den Müll in den Keller herunterbringt.
Erster Stock ist zum Beispiel der Meinung, dass man Pizza-Kartonage unzerlegt in das Altpapier geben kann (Rechnung mit korrekt geschriebenem Namen lag anbei. Bei mit steht auf dem Lieferschein immer "Müllekau" als Name des Bestellers - grrr!). Bei einem Gespräch im Hausflur beschwerte sich der junge Herr aus dem ersten Stock indes mir gegenüber darüber, dass die Altpapiertonne des Hauses ja leider grundsätzlich dramatisch überfüllt sei! Da ich die 65 noch nicht erreicht habe, klärte ich ihn freundlicherweise nicht über die Zusammenhänge auf, machte mir aber eine mentale Notiz: Erster Stock - schizophren.

Im grünen Punkt-Müll entdeckte ich heute beim Müll runterbringen - korrekt entsorgt - eine Styroporschale des Pizza- & China-Bringdienstes "Grill Center" (Gathe 42, 42107 Wuppertal, Link), der angeblich wohl auch einen ganz passablen Apfelstrudel zaubert... Auf der Schale stand in rotem Edding "H30". Ich meine: hey! "H1" ist sowas wie Hühnchen mit Gemüse, dann über "H2" Hühnchen süßsauer mit Ananas, "H3" Hühnchen mit Morcheln und Knoblauch usw., usf., ich komme aber beim besten Willen nur bis maximal "H14" und da habe ich schon so abwegiges Zeug wie "Wasserkastanien" und "schwarze Bohnensauce" in Betracht gezogen.
"H30": ein gruseliges Mysterium - brrr!

Es wird wohl für immer ein ungelöstes Rätsel bleiben, wer hier im Haus "Voodoo-Hühnchen mit Polonium und Werwolftränen" bestellt hat.
Ich bleibe wachsam.


Mittwoch, 11. April 2012

Frau Buckelbach

http://bit.ly/Is4Nn0
Mit den Mietern, die über einem hausen, kann man Glück haben.
In meiner alten Wohnung hatte ich mal Leute über mir wohnen, die waren nie da - großartig! Danach zog ein minderbemittelter Schwachmat ein, der gerne mal nachts besoffen durch die Straße zog und dabei "Olé, olé-olé-olé - BVB!!!" brüllte. Ich habe mein gesamtes Voodoo-Repertoire aufwenden müssen, dass er mit seiner leprösen Freundin irgendwo anders hin zusammengezogen ist, wohin war ja egal. Mittlerweile haben sie ihre prachtvoll-rustikalen Gene zusammengeworfen - meinen Glückwunsch!
(Wird sicher ein Genie.)

Als wir in die neue Wohnung im dritten Stock nach Wuppertal-Elberfeld zogen, wohnte Frau Buckelbach bereits im Vierten. Frau B. war in etwa in unserem Alter, hatte diverse Rennkatzen und einen 6-jährigen Sohn. Alles gut! Im Treppenhaus grüßten wir, Frau B. grüßte, das übliche, belanglose Zeugs.
Am liebsten hätte ich sie beglückwünscht, dass jetzt zwei wunderbare Hochleistungsnachbarn unter ihr wohnten! Hach!
Die Tage flogen dahin.
4-6-8: Frau B.s vier Rennkatzen galloppierten umher, von ihrem sechsjährigen Sohn war kein Laut zu vernehmen, wahrscheinlich spielte er im Schneidersitz und mit Kopfhörern Konsole, dafür saugte sie achtmal täglich akribisch die gesamte Wohnung.

Erstmalig schellte sie an der Tür, um sich zu beschweren, als wir Spielbergs "Super 8" sahen. OK, da explodiert schon eine ganze Menge.
Wir stellten sofort leiser, nahmen Bässe raus.
Einige Tage später die nächste Beschwerde.
Wir stellten leiser, nahmen die Bässe ganz raus. An den stilleren Passagen musste ich meiner Freundin nun die Dialoge soufflieren.
Kurz drauf die nächste Beschwerde.
Wir gewöhnten uns an, sobald ein Film lauter wurde, aufzuspringen und sofort leiser zu drehen, dann an den leisen Stellen wieder etwas lauter zu stellen, weil man ja plötzlich nichts mehr verstand.
Als wir mal im Kino saßen, zuckten wir beide an einer lauten Stelle zusammen - wir hatten das Gleiche gedacht: "Leiser stellen!"
Einmal Samstags Nachmittags haben wird ein wenig Schnittchen-Jazz gehört., schon flogen oben Gegenstände durch die Wohnung und kurz darauf stand sie wieder auf der Matte, bleich vor Zorn.
Meine gute Erziehung hätte mich an dieser Stelle ruhig mal kurz im Stich lassen können, aber nein...
Machte aber nix: Wann immer wir ihr nun im Treppenhaus begegneten, war ihr Gesicht eine Wasserspeier-Fratze, mit der man hätte Türen abbeizen können.
Gestörte Person.
Brrr!

Nun ist sie ausgezogen.
Hurra!
Hoffentlich wohnt sie jetzt mit ihren ganzen Katzen und dem ausgestopften Kind in einem schalldichten Tonstudio im 6. Untergeschoss eines stillgelegten Wehrmachtsbunkers.
Man muss auch gönnen können.


Montag, 26. September 2011

Umzug

"Ich kann hier niemals ausziehen!", sagte ich damals zu einer Freundin. Gemeint war meine Wohnung in 42477 Radevormwald, 50 m² mit Garten, Parkplatz vorm Haus für 190,00 EUR, die ich schon seit 10 Jahren bewohnte.
Ich meine hey!
Bei der Miete!?
Die Freundin schaute damals etwas sparsam. Nun, sie war meine damalige Freundin.
Aber, wie de Omma schon immer sagte: "Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen". Nun, sie sagte es auf französisch, was sich anhörte wie "Musche-musche-musche-awek-ö". Also, wie sich quasi alles auf französisch anhört, aber ich wusste ja, was sie meinte.
Die Zeiten haben mich dann irgendwann auch mal erwischt und spülten mich an neue Gestade, vulgo: ich zog der Liebe halber nach Wuppertal.

Zwischenspiel: Auf einer Garten-Party in Oberhausen. Meine Freundin und ich erzählen einer uns Unbekannten, dass wir gerade nach Wuppertal gezogen seien. Sie: "Seid ihr geistesgestört?"
So viel dazu.

Ein Umzug könnte ein Riesenspaß sein, wenn das Aussortieren, Kisten besorgen, Einpacken, Renovieren, Herumschleppen, Auspacken, Anschließen, Aufbauen und Kisten sowie Müll entsorgen nicht wäre. Ich hatte schon auf vielen Umzügen geholfen und da das ganze Spektrum der Möglichkeiten erlebt, von einer völlig ungepackten Wohnung, Motto: "Ach, Kistenpacken, das geht doch schnell! Kommt rein!" bis hin zur totalen Organisation nebst Empfangsgirl im Flur mit Klemmbrett, Motto: "Karton 68 gehört laut Liste hinten links ins Schlafzimmer, da weist dich dann jemand ein!"
Doch es ist immer eine ganz eigene Sache, wenn man selber umzieht...

Hier ein paar auf die harte Tour erarbeitete Tipps:

0) Bevor ihr irgendwo hinzieht, fragt VORHER die Nachbarn, wie es da im Winter ist.
[Wir beide sind jetzt SEHR gespannt auf den Winter, nachdem uns diverse Nachbarn über die Zentralheizung im Hause und den nicht stattfindenden Winterdienst in unserer steilen, schmalen Straße aufgeklärt haben]
1) Leute, kommt aus den Puschen und packt euren Kram selbst, bevor es andere für euch tun.
[So fand ich dann im Arbeitszimmer drei Wochen nach dem Umzug eine Kiste, aus der Wolken von Fruchtfliegen aufstiegen. Sie enthielt neben Bürokrimskrams originellerweise eine Obstschale mit in Verflüssigung befindlichen Birnen, eine Art Phantasialand der Drosophila.]
2) Beschriftet eure Kartons auf beiden Schmalseiten UND dem Deckel.
[a) kistenschleppenden Freunden ist es eh scheissegal, was du auf die Kartons geschrieben hast. Und: 2. Stock: (scheissegal)², 3. Stock: (scheissegal)³ etc. b) Beschriftungen von einseitig gekennzeichneten Kisten werden von den rekrutierten Hilfskräften grundsätzlich zur Wandseite gestellt. Mein Besteck ist noch immer Missing in Action. Gewöhne mich langsam ans Fingerfood.]
2b) Schreibt auf die Kisten nicht nur K, D, B, WZ, SZ, AZ.
[Wenn plötzlich und unerwartet die TAN-Liste benötigt wird, sind trotzdem noch 8 Kisten "AZ" zu durchsuchen. Ich hatte Glück im Unglück und musste nur eine komplette Raumecke freiräumen.]
2c) Bitte nehmt einen wasserfesten Stift!
Kaum hatten die Helfer alle Kisten zum Einladen in die Autos an die Straße gestellt, öffnete der Himmel des Bergischen Landes seine Schleusen für einen kurzen aber heftigen Schauer. Aus der Umzugskistenbeschriftung "Akten, Wii, Deko" wurde im Handumdrehen "$% ,,&/ /²²". Wenn etwas schief gehen kann, geht es schief.
3) Demontiert eure Möbel selbst, bevor es andere für euch tun.
[Tütet eure Schrauben und Möbelverbindungsteile ein, nebst Zettel, für was das zum Teufel eigentlich ist. Klebt euch diese Tüten an den Körper wie Sprengstoffgürtel. Bis alles aufgebaut ist. Glaubt mir, es ist sinnvoll, auch wenn es juckt. Alternativ kann man natürlich auch 3x zu IKEA fahren und die lieben Leute am IKEA-Kundenservice-Schalter besser kennenlernen. Klaus und Irene sind übrigens dufte!]
4) Macht euch einen Ordner mit allen wichtigen Papieren.
[Wie hieß nochmal der Auto-Versicherer? Granata? Hungaria? Weiß die Fröhn-Versicherung gegen Arbeitsscheu eigentlich schon die neue Adresse? Und die scheiß TAN-Liste fürs Überweisen der Miete, siehe 2b)... Just do it.]
5) Wo entsorge ich was?
[Ein Umzug enthüllt erbarmungslos, wieviel grausam unnützes Zeugs du eigentlich hast. Und wenn man zusammenzieht, hat man den ganzen Scheiß auch noch mindestens doppelt! Entsorgung tut not. Intime Kenntnisse über Entsorgungskalender, Standorte von Altglas-, Papier- sowie Altkleidercontainern, Diakoniestationen (zur Abgabe von sonstigem Plunder), Sondermüll-Sammelstellen und Müllverbrennungsanlagen sind idealerweise VOR dem Umzug zu erwerben.]
Dann passiert lange nichts.
6) Die Telekom schaltet DSL frei.
[Der Telekom-Fritze erscheint einige lange Wochen nach dem Umzug irgendwann zwischen 8.00 Uhr und 14.00 Uhr, steckt seinen Schraubvenzieher in die Telefondose und geht wieder. Dann stehst du da mit deinen Kabeln und Geräten. Das Geschlöngels ist unbeschreiblich! NTBA, Splitter, Fritz-Box, AB, ISDN-Telefon, Netzteile und Kabelage - Technik kann so viel Spaß machen, wenn sie auf Anhieb funktioniert! Schaut vor dem Umzug ins Internet und druckt euch was aus. Die Seite kommt in den Ordner, siehe 4).]

OK, Leutz, jetzt kann nur noch alles Andere schiefgehen!

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Freitag, 17. Juni 2011

ru24 Special: Camping*

*) ein aufpeitschender Erlebnisbericht aus dem Jahre 2004

"Zelten?", fragte eine Arbeitskollegin, "das macht man doch nur mit 14!"
Quatsch. Das ist nach den ganzen gestylten, All-Inclusive-Pauschalurlauben in DomRep oder MeckPomm, die aus Kostengründen dann doch nicht stattgefunden haben, genau das Richtige.
Camping bei Petten, Nordholland (Link).
Jetzt mußte man nur noch das Equipment bei Freunden zusammenschnorren.
Tipp: Wenn die einem sagen: "Die Luftmatratze müßte eigentlich in Ordnung sein", auf jeden Fall dankend ablehnen.
Nicht so ich.
Was für ein Spaß!

KINDER.
Ein Spaß ist es, wenn man sich an Freunde mit Kindern hängt. Da wird schon die Hinfahrt mit dem Auto zum Abenteuer, wenn die beiden Jungs bei der Rast mit der Kinderversion des Klappspatens den mittlerweile klo-losen und verwahrlosten Grenzübergang BRD/NL umbuddeln, derweil die Erwachsenen zwischen Flohknöterich, Spitzwegerich und Wiesenschaumkraut urinieren, ein Omen, wie sich zeigen sollte. "Können wir jetzt fahren?" – "Neiiin!" Die geben nicht eher Ruhe, bis sie vergammelte Drogen gefunden haben.
Jede Familie, die campt, hat mindestens drei Kinder. Gegen Abend kehrt dann auch langsam Ruhe ein, die Zeit zwischen Grillen und der Kinderzubettgehzeit wird nur hie und da durch schrilles Schreien aus der Ferne unterbrochen. Das wird emittiert, wenn z.B. in Reihe M der kleine Jantje (5) während des Kartenspiels im Kreise der Familie beim Mau-Mau mischen mit dem Kopf zwischen die Karten gekommen ist.
Abends Punkt 22.30 Uhr werden die übermüdeten Recken mit viel Überredungskunst in die Kinderschlafsäcke bugsiert. Kurz drauf dröhnt Bibi & Benjamin in der Lautstärke eines startenden Airbus aus 1.200 Walkmen – alle Knöpfe auf 10 – voll auf die Ohren: Die schöne Tradition der Gutenachtgeschichte mit Auto-Reverse, bis die Batterien ihren Geist aufgeben.
Die Kleinen haben mit der Masche sogar ein apokalyptisches Gewitter verpennt. Ich nicht.
Überraschung für den kinderlosen Singlemann: Kinder sind irgendwie ganz anders als die Miniatur-Erwachsenen, als die ich mir sie immer vorgestellt habe ...

WETTER.
03.10 Uhr Regen, das Zelt hält, die geliehene Luftmatratze ist nur noch bei 33%. 08.15 Uhr Wind, das Zelt hält, 10.20 Uhr Sonne, Frühstück im Freien, beim zweiten Brötchen (Salami ist wasserabweisend, ich Fuchs!) wieder Regen – und ich habe kein Drei-Wetter-Taft dabei. Witterung ohnehin allenthalben. Vor dem Frühstück, während des Frühstücks, nach dem Frühstück. Das lehrt Demut. Jetzt hockt man im Zelt und überlegt sich, was draußen wohl aus den zurückgelassenen Sachen wird: Den Lederschläppkes, den Brötchen, der Tasse Kaffee.
Neuer Tag, neues Glück. Sturm ab 6.00 Uhr, die Zeltwand drückt einem ins Gesicht, die strukturelle Integrität des Zelts liegt noch bei 12%. Gott, ich hab' zuviel Star Trek gesehen. Als ich vom Duschen wiederkomme, ist die Integrität meines Zelts im Arsch. Plunder, aus dem verbogene Stangen ragen, die lustig im Wind flattern (Windstärke 7 beaufort). Haha! Was für ein Spaß. Aber dafür hat man ja Freunde: Die halten einen davon ab, den Sprit-Ersatzkanister drüber auszugießen und den ganzen Klumpatsch so irgendwie fast im Affekt anzustecken. Plötzlich bin ich als Taifunbetroffener auf die Hilfe von Pater Rodriguez, der Mutter Theresa von Asien, angewiesen (Blogbeitrag).
Neidisch hocke ich im VW LT eines Nachgereisten und genieße den Luxus der Schönen und Reichen in einer beruhigenden Decefix-Atmosphäre aus Kieferholzimitat im Inneren. Vor allem kann man trocken und windstill sitzen.

CAMPER.
Vor x-tausend Jahren wurde im alten Ägypten der Stuhl erfunden. Dann kam später in Europa sogar der Heilige Stuhl dazu. Was Menschen von heute wohl dazu bewegt, wieder am Boden herumzukriechen? Wahrscheinlich das Zeugs aus der Marlboro-Werbung: "A warm camp fire, a hot pot of coffie and a good smoke" – klar, das gibt's alles – teilweise exklusiv – hier in Holland.
Allerdings leben hier auf dem Campingplatz 90% der Camper luxuriöser und komfortabler als 90% der Weltbevölkerung in ihren regulären Wellblech- und Pappe-Behausungen. Denn der Campingplatz sieht nur auf den ersten Blick aus wie ein Slum. Der deutsche Profi-Camper an sich nämlich beherrscht die Lage. Die professionalisierten Heeresverbände benutzen mittlerweile Ausrüstungsgegenstände aus Mylar, Kevlar, teflonbeschichteten Arachnidfasern und Gore-Tex mit Lotosblüteneffekt. Gelkissen. Gasgrill (mit piezoelektrischem Zünder), Grill-Mikrowellen-Kombi, elektrische Kaffeemühle, Satellitenantenne und Mückenverdampfer sind bereits unterste Standards.
Nur der Gelegenheits-Camper kann sich mit seinem von Freunden zusammengeschnorrten Equipment vorstellen, wie es wäre, auf einem fremden Planeten notgelandet zu sein.
Oder zumindest in einem Flüchtlingslager zu leben.
Doch zwischen zwei Wolken räkelt man sich wohlig in der Sonne. Die Frage ist: Wer macht den nächsten Kaffee? Auf diese existentielle Frage schrumpft nach wenigen Tagen das gesamte Universum des Gelegenheits-Campers zusammen. Lässig mit der Tasse in der Hand grüßt man die von gottweißwo heimkehrenden Nachbarinnen.

NACHBARN.
Natürlich gibt es auch beim Camping Nachbarn. Der Nachbar an sich, so zu Hause, ist normalerweise die Geißel der Menschheit (Blogbeitrag). Hier, unter freiem Himmel, am Busen der Natur ist der Nachbar hingegen ein Kamerad, ein Wettermitleidender, ein Slum-Mitbewohner, der Nächste aus der Bibel.
Man kann sich gegenseitig Tipps geben, wie man Zelte aufbaut, welche Dusche in welchem der Duschhäuser den sattesten Strahl hat, oder sich gegenseitig informieren, dass die Frittierfischbude mit dem Kibbeling wieder da ist.
Und: Man kann Nachbarn zu einem Wein einladen, ohne daß man gleich aufräumen, saugen und fensterputzen muß.
Unsere beiden wirklich netten Nachbarinnen und Wettermitleidenden aus Ingolstadt kamen auch mal auf einen Wein vorbei, wurden aber von unserem aus der Heimat nachgereisten Besuch (der mit dem VW LT) dermaßen brachial mit der Methode "guter Bulle/böser Bulle" verhört (er: "Ich unterhalte mich doch nur!"), daß sie den Rest der Zeit erst spät nachts auf den Campingplatz zurückschlichen und sich im dunklen Zelt zur Kommunikation nur Zettelchen mit einem phosphoreszierenden Stift schrieben, damit niemand sie hörte oder sah.
Schade.

HYGIENE.
Viele Männer sind der Überzeugung, daß 300m zum Klohäuschen eine Zumutung sind und zeigen auch ihrer nachwachsenden Chauvi-Brut, wie man prima neben das Zelt ins Gebüsch pinkelt. In zwei Wochen werden hier Harnsteinkristalle wie Dornen aus dem Gesträuch ringsum wachsen, Ruhr und Cholera ausbrechen.
Doch es gibt auch Lichtgestalten wie mich, die immer zur Toilette gehen. Für jede verstreichende Stunde, die nach der rituellen Reinigung der Klohäuschen durch brachiale Reinigungsfachkräfte ins
Land gezogen sind, legen die Herren ein weiteres Schamhaar auf den Rand des Pissoirs, wie eine säuberliche Strichliste. In diesem Augenblick mußte die letzte Reinigung hier bereits sieben Stunden her sein.
Die Duschen laufen genau 5 Minuten im Warmwassermodus, der Umwelt zuliebe, haben aber eine Zwischenstopp-Taste. Wenn man sich im Zwischenstopp-Modus zu lange einseift, springt die verbleibende Restzeit auf Null. Nur kann ich als Schaummonster nicht raus aus der Dusche, der Umwelt zuliebe. Da tappt man dann frierend 5 Minuten bis zum nächsten Reset der Uhr in Fußpilzgefilden herum und flucht, Pustefixbläschen ausstoßend.
Nach einigen Tagen ist man abgehärtet. Das Immunsystem läuft eh jenseits des roten Bereichs auf Vollast. Dinge, die im richtigen Leben sofort Krätze, Herpes oder Pilzinfektionen verursachen würden, werden fast schon nicht einmal mehr ignoriert. Man schmiert sein Brötchen mit einem Messer, das tagelang nur zwischen ungewaschenen Fingern unter einem Wasserhahn gereinigt wurde, an dem das Schild "Kein Trinkwasser" bereits weggefault ist. Der Pappteller ist ebenso weich wie das Brötchen und krustig von den Generationen der Mahlzeiten, die über ihn hinwegzogen wie lepröse Heuschreckenschwärme. Sand knirscht zwischen den Zähnen. Die Kinder nuckeln kauend wahlweise mit Ketchupschnute oder Nutellamündchen an Flaschen und rülpsen nach Jungenart dabei hinein. Haha! Ihr lustigen Kinder! Schwebstoffe reichern sich an. Doch man ist bereits jenseits des Ekels.
Schmeckt gar nicht übel. Irgendwie isotonisch.
Auch gibt es interessante Hygiene-Projekte: Ein Löffel, der in einem Topf mit Raviolis steckt, wird in der Sonne binnen Stunden zu einer Einheit verschweißt – so was kann doch keine Sau ahnen. Oder: Die Kleinen sammeln halbtote Krebse und Muscheln am Strand, die dann in einem Eimerchen an der Hecke neben dem Zelt dumpf vor sich hin wesen, wie ein maritimes Zombieheer.
Lockt wahrscheinlich Aasfresser und Insekten an.

TIERWELT.
Insekten ohnehin allenthalben. Wespen: Schleierhaft bleibt, was the fuck alle Wespen in meinem linken Ohr suchen, zumindest grofeln sie drin herum. Natürlich sagen die dann noch allen anderen schwarzgelben Tussis in ihrer Papier-
WG bescheid. Das mit meinem Ohr. Der Trick ist still halten. Cool bleiben. Leider kennen die Wespen den Trick nicht und stechen trotzdem. Die Invasion der fliegenden Ameisen startete Dienstag um 18.00 Uhr MEZ.
Libellen brausen herum wie aufgeregte Helikopter. Ameisen in der Margarine, Ohrenkneifer im Zelt, im Gebüsch irgendein stechendes Mistzeug, abends umschwirren Motten die Gaslampe und Mücken die unbedeckten Stellen der Körper – natürlich entzünden sich die Stiche. In den heidekrautbegrünten Dünen hingegen perfekt getarnt: Freilaufende, urwüchsigste Rinder, die den Beweis ihrer Existenz nur indirekt durch Fladen antreten, die an Jurassic Park gemahnen.
Und dann der Campingplatz als Ornithologen-Paradies: Völlig enthemmte Amseln laufen einem um die Beine, wie es nur völlig enthemmte Amseln können. Möwen stochern im Morgengrauen in Müllsäcken wie Ratten mit Stechahle: POK! - POK! Tauben rülpsen ihr geistloses Gru-hu -- gru-hu -- gru-hu, Elstern knattern im Gebüsch, Krähen 'singen' ihr Krah! – Krah!
Nach 2 Tagen kann man durch ein Wunder sogar bei dem ganzen Irrsinn schlafen.
Das einzige, was man hier gegen Vögel unternehmen kann, ist: jede Menge Kipfrikandeln essen.

KÖRPER & GEIST.
Kipfrikandel. Kip ist Hühnchen. Sieht aus wie eine schlecht selbst gebastelte Zigarre. Schmeckt wie grobe Currywurst. Enthält nur Fett, gemahlene Hühnerköpfe und Hühnereingeweide. Gar nicht übel. Dazu Pommes mit Pindasauce (Erdnußsauce) und eine Limo namens Rivella oder ein flesje Dubbel Frisss witte druiven & citroen, allesamt mit lustigen Zutaten.
Der Himmel ist in Holland.
Als Nachtisch ist im Supermarkt (SPAR – Haha!) ein Produkt mit Roombotter (Rahmbutter) auszuwählen, wie z.B. diese extrem zart schmelzenden Käsekuchenklontjes. Oder Flamingos, grell flamingofarbene Küchlein, die komplett aus E-Zutaten (E332, E373 etc.) gebacken werden. Nachmittags macht man Halt an einem Fischwagen. Frituur, so weit das Auge reicht. Hier ißt selbst Frau Antje nur noch Fisch am Stück, natürlich in der typisch enthemmten Auf-Ex-Fischreiher-Pose. Zwei Familienboxen Kibbeling für insgesamt 10 EUR mit der guten, gelben Mayo sind für die Körper der gesamten Reisegruppe jetzt wie ein Ölwechsel, hmm!
Der Himmel ist in Holland.
Dann vielleicht noch auf die ganze Glückseligkeit einen Koffie verkeerd – Milchkaffee (Parkeren verkeerd ist, wenn man so wie ich sieben Tage auf dem Kurzparkerparkplatz steht). Abends Ravioli und/oder Grillgut. Ab 18.00 Uhr liegt ein dichter Rauchschleier über dem Campingplatz. Papas benutzen die Luftmatratzenpumpe, um die Glut anzufachen, schmelzen dabei die Plastiktülle, die Kinder zündeln. Irgendwann ist fertig. 1.200 Camper verdrücken dann binnen 20 Minuten das Getier eines kompletten Bauernhofs im Erstschlag. Dazu ein Grolsch. Später Käseflips (Cheetos) oder abgefahrene Kartoffelchips mit Hühnchenaroma. Oder Käsewaffeln.
Der Himmel ist in Holland.
Der Körper hingegen ist mittlerweile eine Baustelle aus Blessuren, Abschürfungen, Schwellungen die teilweise entzündlich nässen von diversen Insektenstichen und -bissen, Rötungen von der sporadisch vorbeihuschenden Sonne. Ob das da an den Füßen jetzt wirklich Fußpilz wird, bleibt abzuwarten.
"Gib mir mal bitte was von dem Grolsch oder von dem Rotwein, ... jaja, ruhig in die Kaffetasse."

Fazit: Für all das läßt man doch jeden Pauschalurlaub glatt sausen!
Und völlig korrekt, liebe Kollegin: Zelten macht man nur mit 14.

Und so schließt sich elegant der Kreis.


Mehr "camping" gibts noch hier: Kügelchen, Urlaubserinnerung.


Mittwoch, 1. Juni 2011

Nachbarn

Eine Kollegin gestand mir letzten Montag, dass sie, egal, wie lange sie die Nacht vorher gefeiert habe, Samstags oder Sonntags spätestens um 9.15 Uhr die Rollläden hochziehe, damit ihre Nachbarn nicht denken, sie schlafe bis in die Puppen.
Autsch!
Das ist durchaus diskutabel... .

Während meiner Kindheit hatte ich dramatisch mehr Nachbarn als mir lieb war. Denn obwohl ich im Westen Deutschlands aufgewachsen bin, waren die Nachbarn fast alle bei der Stasi. Ihre fahlen Visagen klebten ständig an den Innenseiten der Fenster ihrer Wohnungen wie leichenblasse Ballons.

Hätte ich als Jugendlicher ein Tagebuch geführt, ich könnte heute folgendes darin finden:
22.05.1985
Stehe vor dem Haus Ich warte auf Michael. Der Himmel hat sich weiter zugezogen. An den in Abständen zuckenden Gardinen der umliegenden Häuser kann ich sehen, dass ich von dem neugierigen Pack beobachtet werde.
Ich sehe sie vor meinem geistigen Auge. Sicher werden Werbegeschenk-Abreißblöcke aus der Apotheke mit Beobachtungsdaten gefüllt. Oben steht so etwas wie "Ixofloxo retard – stark gegen Altersdemenz und Harndrang", darunter steht in gestochener Sütterlin-Handschrift, noch in einer Nazi-Kaderschmiede eingepaukt: "16.00 Uhr. Nachbarsjunge, viel zu lange Haare, Kleidung unseriös. Hat eine billig aussehende Tasche dabei. Steht vor Hausnummer 141." Später dann: "Bewegt sich nicht weg. 16.05 Uhr: Alter, gelber Opel Ascona hält, äußerst langhaariger Fahrer, vermutlich Bombenleger. Zielperson steigt ein."
Nachbarn, das sind die Leute, die jederzeit bereit sind, jeden Schwachsinn über ihren Nächsten zu glauben, so lange es nur keine positiven Nachrichten sind. Nachbarn, das sind die Leute, die meine Eltern nicht mehr grüßten, nachdem es in deren Haus bei einem Mieter zwei Drogenrazzien gegeben hatte. Nachbarn, das sind die Leute, die meinen Eltern nicht erlaubten, in ihrem eigenen Garten ein Gartenhäuschen "auf der Grenze" zu errichten - man wolle das nicht, wegen der Erben. Nachbarn, das sind die Menschen aus "Was sollen die Nachbarn denken?"

Die Nachbarn meiner Kindheit haben alles mögliche getan, nur eines war nicht dabei: Denken.

Also, liebe, werte Kollegin: Schlaf dich mal richtig aus, dann dreh' dich einfach noch einmal um! Reiße um 16:30 Uhr mit lauten RRRAPSSS-BAZONGGG!!! die Rollläden nach oben, öffne das Fenster und brülle: GOOOD MORNING, VIETNAM!!!
Lass es rocken!
Es ist dein Leben.

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Dienstag, 27. Juli 2010

Undezente Geschäfte


cannabis stencil
Originally uploaded by duncan
Mir direkt gegenüber in einer Dachwohnung wohnt der vielleicht faulste Dealer westlich vom Pecos.
Er hat es in fünf Jahren nicht über sich gebracht, seine Haustürklingel reparieren zu lassen, sodass seine Botenjungen - die ich Lolek und Bolek nenne - immer ohrenbetäubende Pfiffe ausstoßen müssen, um sich bemerkbar zu machen. Dies tun sie mitten auf der Straße stehend. Spätestens jetzt weiß die halbe Gegend bescheid. Wenn Lolek und Bolek sich nicht Gehör verschaffen konnten, beginnen sie mit starkem Akzent, den Dealer ihres Vertrauens zu rufen: "Dhomasch! --- Dhomasch!!!"
Hey! Es gibt auch im Baumarkt selbstklebende Funk-Haustürklingeln zu kaufen. Ich habe schon mal überlegt, als mir das mit der Pfeiferei etwas zu viel wurde, ihm eine zu schenken, aus guter Nachbarschaftlichkeit. Aber er hätte es vermutlich nicht geschafft, sie anzubringen. Er hat ja auch kaum Zeit, so ohne Job, als von Hartz IV lebender Nachtmensch quasi.
Wenn Lolek und Bolek Glück haben, streckt Thomas K. nach dem ersten Pfiff seinen Kopf zum Fenster heraus um zu schauen, was so geht. Schnell wird man sich mit einigen Fingerzeichen handelseinig. Jetzt könnte Thomas K. Lolek oder Bolek die Tür öffnen, oder er könnte herunterkommen. Doch das wäre ja mit minimalen Mühen verbunden. Stattdessen ist es doch viel bequemer, die Ware in ein Papierchen zu wickeln und aus dem Fenster in den Vorgarten zu werfen! Lolek oder Bolek krauchen dann durch die Botanik und sacken die Droge im Papierchen ein.
Nur doof, dass in dem Haus außer "Dhomasch" noch ein halbes Dutzend andere Menschen leben, die das an den Fenstern alles live mitbekommen. Ganz zu schweigen von den ganzen Leuten, die gegenüber wohnen. Zuletzt ziehen die Kuriere auf jeden Fall zu Fuß oder mit BMX-Rad los in Richtung Stadt, das Zeugs zu verticken.
Letzten Dienstag haben Lolek oder Bolek zwar das Papierchen finden können, aber der wertvolle erdbraune Inhalt war in den erdbraunen Vorgarten geplumpst.
Total doof!
"Dhomasch" hatte in seiner Dach-Kemenate ausgeharrt, um dann Punkt Mitternacht mit einer starken Taschenlampe das Gartenstück total unauffällig Zentimeter für Zentimeter zu ergrellen. Ich habe ihm kichernd ein wenig bei seinen Bemühungen zugesehen, musste aber dann doch schlafen gehen. Da hatte der Vogel endlich mal was getan für sein Geld!
Ein Drogenhund hätte ihm sicher ganz toll weiterhelfen können!

Wirklich doof, dass Dealerei von Dezenz lebt.
"Dhomasch" ist in seinem "Job" so unauffällig wie ein Marktschreier.
Ich will ja glauben, der Vogel vertickt nur Shit.
Verpfeifen würde ich ihn, weil er so unglaublich blöd ist.
Weil er so faul ist.

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Dienstag, 20. April 2010

Lifestyle 34 - Deutsche Tugenden


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Originally uploaded by afrank99
Die urdeutschen Tugenden sind Gründlichkeit, Pünktlichkeit, Ordnungssinn und die Reinlichkeit. Der aufrechte Deutsche hat seine Vorgärten zu pflegen, als hinge der Fortbestand des Abendlandes davon ab. Er hat seine Samstagnachmittage darauf zu verwenden, seine Autos zu saugen, zu polieren und zu wienern wie Staatskarossen.
Hierdurch bietet sich für Generationen von Blockwarten die einmalige Gelegenheit, schon beim Anblick a) eines (1) Löwenzahns in einem Nachbargarten oder b) eines (1) ungewaschenen Autos in der Nachbarschaft ihr "Hier verkommt alles!" zu zischen. Und sich gleichzeitig mit ihren übergepflegten Prachtblühergärten und den 3-fach gewachsten Ford Sierras in den Garagen wie Herrenrasse zu fühlen.
Denn einzig darum geht es.

Ich bin mal über ein langes Wochenende mit Freunden nach Hamburg gefahren und habe meinen haselbraunmetallicfarbenen Kadett D vor dem Haus des Freundes, in dem auch dessen Mutter wohnte, abgestellt.
Als wir nach zweieinhalb Tagen wiederkamen, hatten sich bereits drei verschiedene Nachbarn bei der Mutter erkundigt, wem denn "das ungewaschene Auto" gehöre.
Mein Freund gab mir seinerzeit den Tipp, demnächst woanders zu parken.
Na klar.

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Donnerstag, 7. Januar 2010

Heimat 12 - Nö


2006-06-20 Happy days I
Originally uploaded by [ henning ]
Als ich seinerzeit in meine Wohnung zog, begab es sich, dass sich das Anbringen der Küchenhängeschränke etwas verzögerte. Plötzlich war es 22:01 Uhr. Es waren noch zwei Löcher zu bohren, dann wäre alles fertig gewesen. Als ich den Bohrer ansetzte, kam mahnendes Klopfen aus der Nachbarwohnung. Mist! Um es mir nicht schon beim Einzug mit der mir noch unbekannten Nachbarschaft zu verscherzen, musste ich leider meinen helfenden Bruder nach Hause schicken.
Ich sollte diese spezielle Nachbarin noch kennenlernen.
So lag ich eines Tages auf meinem Liegestuhl auf meiner Gartenparzelle und genoss die Sonne. Die Nachbarin, gepflegt, Mitte bis Ende 50, scharwenzelte angelegentlich heran und zwang mir dann ein Gespräch auf, das ich mir im Anschluss in etwa notiert habe:
"Ich bin ja direkt raus, ich sach immer, wat ich denke. Da kommen se normalerweise alle prima mit klar. Ich bin ja nich von hier, mein Mann, der kam von hier. Der hatte nen Tumor hier an der Stelle im Kopf, der hat mich nachher nich mehr erkannt. Meine Verwandschaft sitzt alle in Essen, die wollten auch immer, dat ich zu denen zieh, nach'm Tod von mein'm Mann, da sind die Leute auch viel herzlicher wie hier, nich so stur, aber ich sach denen immer: ich bleib, hier hab ich mein Garten un alles.
Die Herbstzeitlosen – herrlich! Hanä, abber dat macht alles auch viel Arbeit, manchmal weiß ich ja nich, wenn de Blagen hier alles kaputttrampeln, da könnt ich reinhauen. Sind ja auch viel Türkenblagen un so, die kennen so wat ja alle nich. Da kann mer ja nix sagen, sons hasse direkt de ganze Sippe am Hals, mit em Messer un alles.
Bäh, kuckense!, de Türken, die ham schon wieder en Blag angesetzt, jedes Jahr dat gleiche, wat anders können die auch nich! Un et Treppenhaus sieht aus! Un en Fernseher ham die laufen - Tag un Nacht, in einer Lautstärke!, aber alles son fremdländisches Geplärre, die ham ja ne Riesenschüssel am Dach! Wir ham sowat nich. Wir könn uns so wat gar nich leisten. Un die verdammten Blagen von denen machen einen unglaublichen Lärm und Dreck, dat is denen doch ganz egal, die hauen bald sowieso wieder ab, un wir können solange sehen. Im Garten machen die ja nix, reine gar nix, kuckense, dat blüht jetz schon alles widder, un wir kriegen de Samen ab, dat wird doch alles hergeweht – kuck, da fliecht schon wat! Löwenzahn un so, noch und nöcher. Dat is denen sowat von egal. NIX machen die, NIX!
Ich weiß gar nich, ob die überhaupt deutsch sprechen. Ich würd ja gerne doch mal in so ne Wohnung kucken. Die von de Wohnungsbaugenossenschaft, die tun immer nur ein Ausländer in jedem Haus, könnense sich ja vorstellen, wie dat sons alles aussäh. Gott-o-gott-o-gott! Da könnste sons nie widder vernünftig drin leben. Dat käm ALLES runter, in Nullkommanix, ALLES!
"
Ich raunte hie und da ein paar Entsetzenslaute, die sie als Zustimmung fehlinterpretierte. Lautäußerungen meinerseits waren in diesem Monolog ohnehin nicht vorgesehen. Dann rauschte sie davon.
Für diese Nachbarin schob ich den Regler meiner Menschenbewertungsskala ein klitzekleines bissi nach unten.

Nun hat einer der grenzdebilen Trolle, die sie für die grobe Gartenarbeit einsetzt, Ende Oktober ihren Benzinrasenmäher draußen hinter dem Gartenhäuschen stehen lassen, anstatt ihn wieder in den Keller zu schieben.
Jedes Mal, wenn ich aus dem Toilettenfenster sehe, betrachte ich den Mäher im Wandel der Jahreszeiten - zurzeit mit Schneehaube - und denke so bei mir: "Autsch, das tut dem jetzt mal gar nicht gut!"

Die Überlegung wäre, die Nachbarin davon in Kenntnis zu setzen.
Doch ich sage mir lächelnd jeden Tag auf's Neue: Nö.

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Montag, 21. Dezember 2009

Heimat 10 - Winterdienst


Kein Winterdienst
Originally uploaded by Florian Demmer
Natürlich habe ich laut Hauskalender nur Winterdienst, wenn es sich auch lohnt.
Nachdem mich das pingelige, nachbarschaftliche Gekratze ab 6.15 Uhr zermürbt hatte, schwinge ich mich mit rotgeäderten Augen aus dem Bett, dann schwinge auch ich den Schieber.
Im Anschluß daran mache ich mich an die Befreiung meines Autos. Der Wagen steht ca. 100 m weiter die Straße rauf als sonst. Der Gehweg vor dem Haus an dem ich parke, ist penibel auf eine Breite von 59,4 cm (2x Länge A4) geräumt, akkurat!
Rentner, vermutlich.
Ich stakse also durch den von Schneepflügen mutwillig zusammengeschobenen Mist rund um mein Auto und entschneee es (hübsch so mit drei e!). Dabei sind auch wohl im Eifer des Gefechts 2,3 g Flöckchen auf den geräumten Bereich geraten. Während ich also noch an der Frontscheibe herumkratze, öffnet sich hurtig die Tür des zum Bürgersteig gehörigen Domizils. Da hätte ich natürlich schon beim Parken drauf achten müssen: Niemals vor dem Haus deutscher Spießer-Rentner! So Leute hängen ja ständig am Fenster.
"Sie machen den Bürgersteig voll", quakt der rüstige Herr, perfekt rasiert im gebügelten Freizeitanzug (sprich: "Yogga"). Ich stutze, lasse von meiner unerquicklichen Tätigkeit ab, schaue mich um.
Ah, 2,3g, die die mit dem Lineal gezogene Akkuratesse nun grotesk verunstalten!
Hihi!, denke ich noch.
"Ah, ja, Entschuldigung", sage ich stattdessen. 'Ehre das Alter' und so. Das reicht aber nicht. Der Herr beobachtet jetzt mit geschultem Auge jede meiner Bewegungen, wartet wohl drauf, dass ich mit einem Matchbox-Schneeschieber das Micro-Desaster wieder richte, in mir brodelt es, ein genetisches Erbe väterlicherseits.
"Wenn es jetzt zu schneien anfängt, stellen Sie sich dann mit 'nem Schirm auf den Bürgersteig?", frage ich meines Erachtens völlig berechtigterweise.
"Unverschämtheit!", blökt der Koronargefährdete, er mache hier nicht alles so ordentlich, damit jemand alles wieder voll mache.
Alles!
2,3 g!
"Ich ruf' beim Ordnungsamt an!", zetert die hinzugekommene Gattin.
"Ich bitte darum!", belle ich zurück.
"Außerdem können Sie ja demnächst woanders parken", poltert der Gatte.
*brodelbrodel*
"Sie können ja auch umziehen!", schlage ich nur logisch vor.
"Dat is' Eigentum, dat is' nich' zur Miete ... Unverschämtheit, murmelmurmel", kreischt die Gattin. Das Rentnerehepaar entfleucht ins Haus, man glotzt nun aus den Fenstern, und beobachtet mich, als schändeten draußen die Hell's Angels diverses Nutzvieh.

Im Grunde können sie mir dankbar sein, weil ich für mindestens drei Tage Abwechslung in ihr ansonsten ereignisloses Dasein gebracht habe.