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Mittwoch, 24. Dezember 2014

Wunder der Weihnachtszeit 4

photo credit: Kotah and Santa in the Evening via photopin (license)
Heiligabend bin ich zur Mittagszeit im Geniesel kurz zum EDEKA gelaufen, die Reste besorgen. Am Fuße der Rathaus-Galerie in Wuppertal-Elberfeld begegneten mir zwei alte Frauen mit nikotingegerbten Pekinesengesichtern. Sie husteten beide was das Zeug hielt und würgten dabei offenbar faustgroße Klumpen Sputum aus den Untiefen ihrer Lungen nach oben. Es klang wie "Der Zauberberg", letztes Kapitel
"Raucht euch mal eine!", murmelte ich für sie unhörbar.
Eine der beiden hatte fertig gewürgt.
"Wir müssen noch Zigaretten kaufen!", sagte sie zu ihrer Mithustenden mit John-Wayne-Synchronstimme.
Yay!
War ich nicht gerade in diesem allerprofansten Moment Zeuge des Wunders der Vorweihnachtszeit geworden?
Wunder schafft die Weihnachtszeit.
Vor dem Dorf, darin verschneit
jeder Hof und jedes Haus,
Vogelbeerbaum, Nacht für Nacht
hundert Lichtlein trägt, entfacht,
die da leuchten weit hinaus.
Achtet seiner Herrlichkeit
niemand auch im Wintergraus,
bläst der Wind doch keins ihm aus,
alle strahlen dicht gereiht -
Wunder schafft die Weihnachtszeit.

(Martin Greif, 1839 - 1911)
Meine Güte!


Mehr "Wunder der Vorweihnachtszeit": hier.


Dienstag, 24. Juni 2014

ru24 History 50 - EDEKA (1976 ff.)

photo credit: penjelly via photopin cc

Ich hatte das Thema im Blogbeitrag "Nachbarn" schon einmal angerissen, aber es gibt Geschichten, die einer gewissen Länge und Breite bedürfen ...

EDEKA, das sind für mich auch heute noch vor allem die kleinen Tante-Emma-Läden, die es während meiner Kindheit in den 70ern bis in die 80er-Jahre einen auf 5.000 Einwohner gab. Von "Supergeil" waren diese Läden damals noch geradezu grotesk weit entfernt. Die inhabergeführten "Supermärkte" waren kaum größer als 50 m², dafür so mit Regalen und Lebensmitteln vollgestopft, dass es einem chinesischen Antiquitätenhändler den Atem verschlagen hätte. Natürlich gab es keine Einkaufswagen, sondern nur Körbchen aus Stahlgeflecht mit einem roten Griffbügel. Und Linoleumboden.

Schräg gegenüber von meinem Elternhaus gab es auch einen, geführt von unseren Nachbarn Horst und Ulrike Jevers. Horst stand an der Kasse und Ulrike lauerte hinter der kaum ein Meter breiten Fleisch-Käse-Theke, manchmal war es umgekehrt. Der Fleischtresen hatte einen elektrischen Edelstahl-Wurstschneider und eine Kaufmannswaage mit einem riesigen Skalenfeld in Form eines auf der Spitze stehenden Tortenstücks. An der Rückwand zur Theke ging eine Tür ins Treppenhaus zur Privatwohnung der Jevers. Dort lebte auch ihre gemeinsame Tochter Susanne, deren Mimik allzeit absolute Ausdruckslosigkeit zur Schau stellte.
Im "EDEKA-Supermarkt" gab es für uns Kinder damals eine sinnverwirrende Vielfalt an Leckereien wie Bonitos, Lecker-Schmecker und Brauner Bär-Eis. Aber vor allem die "losen Süßigkeiten" hatten es uns Blagen angetan: sogenannte "Negertaler" (Lakritzmünzen zu je 1 Pfenning), Salinos (zu 5 Pf.) und Lakritzschnecken (zu je 10 Pf.).
Das einzige Problem waren die Inhaber.
1976: Das Kind (9, moi) bezahlte bereits mit einem mulmigen Gefühl. Horst Jevers tippte die Preise in die elektromechanische Kasse, zuletzt: Kaschinggg! Dann aber behielt der Ladenbesitzer das Wechselgeld in der gehobenen rechten Hand als Geisel, auf dass der juvenile Kunde nicht fortlief. Nun begann das gezielte Verhör. Immer ging es darum, entscheidende Wissenslücken im Tratsch und Klatsch rund um die Nachbarschaft zu füllen. Hatte man genügend "gute Antworten" geliefert, gab's auch das Faustpfand-Geld. Das war ein Gefühl kindlicher Ohnmacht. Aber auch die Erwachsenen kriegten ihr Fett weg: Die wussten nämlich genau, dass, wenn sie ihre Einkäufe woanders tätigten, verbotenerweise sogar beim Discounter, dann würde das von den Jevers keinesfalls unbemerkt bleiben. Auf gar keinen Fall. Gegebenenfalls ließen die Ladenbesitzer ihnen solches ein- oder zweimal durchgehen. Aber wenn so etwas öfter vorkäme, dann geriete jedes Familienmitglied der Missetäter unweigerlich in den Fokus der Einzelhändler. Unter Umständen verbreiteten sie ja anfangs nur harmlose, unbestätigte Gerüchte, als Warnung quasi. Zum Beispiel dass die 14-jährige Tochter der Familie R. raucht. Solches ließ sich dann steigern, z.B. dass sie sich mit drogensüchtigem Gesindel herumtreibt, so traurig! Und machen wir uns mal nichts vor: Jede Familie hat einige "echte Leichen" im Keller, man müsste nur schamlos genug sein, selbst bei Kindern danach zu graben. Und Scham war Mangelware in jenen Tagen.
Nur wenige waren bereit, den gesellschaftlichen Tod ihrer gesamten Familie hinzunehmen. Also kauften sie weiterhin überteuerte Lebensmittel, machten gute Miene zum bösen Spiel und tratschten mit. Die einzige Alternative war: Sie fielen ab von der Gnade der Einzelhändler. Dann aber gab es kein Zurück mehr: Die Jevers begannen, diese Kunden wie Scheiße zu behandeln, wagten sie es, einen Fuß in den EDEKA zu setzen. Schlimmer noch, die Nachbarn dieser Kundschaft bekamen gezielt Informationen gesteckt oder Fragen gestellt, die gewisse Vermutungen nahelegten. Natürlich nichts, was man vor Gericht hätte verwenden können. Bald aber schon grüßte diese armen Seelen nur noch der Briefträger - und manchmal nicht mal mehr der. Sie hätten eben nicht bei ALDI kaufen sollen.

Eine ältere Dame in den mittleren 50ern, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnte, hatte es böse erwischt: Allzeit war sie eine Person von großer Tugend gewesen, rackerte sich redlich ab, hatte ihre Mutter lange gepflegt, war sogar noch immer ein "Fräulein". Doch dann das: In einem Anflug von spätem Frühling liierte sie sich mit einem Trinker, der sich eines Tages in einer ans Gebäude angeschlossenen Lagerhalle erhängte. Überall Polizei! Was für ein unerhörter Skandal! Wen hatte die alte Schachtel da nur angeschleppt? Hatte sie vielleicht sogar selbst Hand angelegt? Und, weitaus schwerwiegender noch: Die Dame beging ja schon seit einiger Zeit den Fehler, sich von Schwager und Schwester preiswerte Lebensmittel von Discounter mitbringen zu lassen.
Mehr brauchte es nicht: Die Jevers grüßten diese ihre langjährige Kundin nicht einmal mehr, wenn sie den Laden betrat, ließen sie auch gerne mal über Gebühr warten und raunten ihr Schnippisches hinterher.

Aber alles hat einmal ein Ende. Eines Tages in den 90ern schloss der EDEKA für immer seine Pforte: Horst und Ulrike gingen in Rente. Dann passierte länger nichts. Und plötzlich verstarben beide holterdipolter einer nach dem anderen, vor ihrer Zeit.
Tochter Susanne verzog keine Miene.

Das ist EDEKA für mich, bis heute.
Wen es noch immer wundert, dass immer mehr Menschen ihre Ware im Internet beziehen: Horst und Ulrike Jevers haben auf jeden Fall ihren nicht zu geringen Beitrag dazu geleistet.


Sonntag, 5. Januar 2014

Nachbarn


Nachbarn hatten wir, als ich Kind und Jugendlicher war, wie Sand am Meer. Es geht um den Zeitraum "Ende der 60er" bis "Mitte der 80er". Nachbarn wohnten quasi in jeder Himmelsrichtung (incl. "oben"). Für meine Eltern war das eine richtige "Nachbarschaft". Für mich und meinen Bruder handelte es sich bei der Ansammlung von (i.d.R.) niederträchtigen, tratschenden, widerlichen Waschweibern um ein Pandämonium!
Hier wurde man 24/7 bespitzelt! Diese Nachbarn waren der Feind!


Frau Wörner, die bei uns im Haus wohnte, war ein prototypischer Hausdrache. Sie führte sich auf, als gehöre ihr der Laden, Grund: sie wohnte ja mit ihrem Mann bereits seit dem Krieg in der gleichen Zweizimmer-Butze ohne Bad. Dies schuf den hinreichend royalen Hintergrund, um sich aufzuführen wie Thurn & Taxis feat. Else Kling (Link). Der Gatte (Willi), der über 50 Jahre urst brutal unter dem Pantoffel gestanden hatte, eman(n)zipierte sich nach seinem Schlaganfall für alle überraschend. Am überraschtesten war wohl die Gattin selbst, denn Willi bekämpfte den alten Drachen notfalls auch mit der Bratpfanne - strike! Ein ganz wunderbares Beispiel dafür, dass Karma zum Bumerang werden kann.

Teskes: Das Ehepaar Teske hatte bis Anfang der 80er eine PIMPI-Tankstelle genau gegenüber von unserem Haus. Als Kind stellte ich mir immer vor, dass sie eines Tages explodiert wie bei "Die Vögel" und alles im Umkreis den reinigenden Flammen übergeben wird. Vorher machte die Tankstelle mit den zwei Zapfsäulen und dem 2,88 m² Verkaufsraum indes dicht. Da Willi Teske es gewohnt war, immer alles im Blick zu haben, schwebte von jetzt an sein von Krankheit madenartig aufgedunsener Schädel wie ein fahler Ballon hinter dem Fenster im ersten Stock. Wann immer wer-auch-immer zu Hause ankam oder das Haus verließ, allzeit verfolgte ihn der geisterhafte, blasse Maden-Ballon -- buchstäblich wie der Fluch in einem japanischen Horrorfilm.

Der Metzger. Wie im Film "Delicatessen" hatte der Metzger keinen Namen, er wurde nur "der Metzger" genannt. Der gekachelte Verkaufsraum war etwa so groß wie eine kleine Eisdiele und hatte eine Mörder-Akustik. Das hinderte den allzeit rotgesichtigen Fleischerei-Fachverkäufer nicht daran, stimmlich jederzeit alles zu geben: Der Kunde an sich wurde mit überbordender Freundlichkeit in Grund und Boden gebrüllt: "JAAA!!! UND AUSSERDEM??? NOCH ZERVELAT??? JA!! GERNE, SEHR GERNE!!!... UND AUSSERDEM??? " Mein jüngerer Bruder beschloss eines Tages aufgrund seines großen Unbehagens, dort einfach nicht mehr hinzugehen. Dies geschah sehr zum Leidwesen von Queen Mom, die ihn jetzt nicht mehr schicken konnte! Großer Gott!! Von nun an musste sie (sofern sie meiner nicht habhaft werden konnte) im Notfall die 30 Meter zum Metzger SELBER GEHEN (Google Maps). KRAISCH!!! Soo viel Elend!!!

Familie Mahd: Herr Mahd war Metzger, aber arbeitetet nicht in der Metzgerei, über der er wohnte. Das fanden wir schon als Kinder sehr verdächtig. Herr M.s Haare waren wohl nicht zu bändigen, deshalb versuchte er es gar nicht erst. Einen Ölwechsel hätten sie auch dringender nötig gehabt als irgendwas, was nicht lecker aussah. Später machte der Herr von sich reden, weil er sich bei kleineren Lebensmittel-Diebstählen in der Innenstadt hatte erwischen lassen, was den Tratschenden und Hetzenden in der Nachbarschaft Kaiserstunden mit Schaum vorm Maul bescherte. Frau Mahd war ein Breitmaulfrosch alter Schule. Wenn im Sommer die gesamte Familie M. (incl. des schurkischen Mike und der quäkenden Anja) den Balkon bevölkerte -- jede Minute davon war RTL II für die Nachbarschaft, lange, bevor es die Privaten überhaupt gab. Unterhaltung von Schwachköpfen für Schwachköpfe.

Familie Decker: hatte eine kleine Firma "Extrusionstechnik" in der Nachbarschaft. Niemand konnte sich so recht etwas darunter vorstellen, die Deckers vielleicht auch nicht, denn sie gingen nach einer Weile pleite. Queen Mom war der Meinung, dass die fahle Tochter der Deckers (sie hieß glaube ich "Talg") ein hochreizendes Geschöpf sei, welches als potentielle Schwiegertochter keinesfalls abgewiesen werden würde. Bruder und ich waren entgegengesetzter Meinung: wir simulierten hinter ihrem Rücken "Erbrechen".

Das Nicht-bürgerliche Lager:
Herr Gilch hatte zwei Dutzend Mal am Tag Besuch, der nicht mal fünf Minuten blieb. Verkaufte dieser Typ etwa Drogen? Vom merkwürdig eingefallenen Gesicht her hatte dieser Händler mit seltenen Substanzen schon öfter Rohrfrei geschnupft, als in einem ökologisch-dynamischen Haushalt eine Nasendusche zum Einsatz gekommen war. Mehrere Polizeirazzien incl. Drogenhunden sorgten vergeblich für Wirbel und wochenlang für Gesprächsstoff. Die völlig arglosen Vermieter des Herrn wurden von der sog. Nachbarschaft in Sippenhaft genommen und ebenso mit Acht & Bann belegt wie Rohrfreigesicht, der Dealer. Fair geht eben vor in der Nachbarschaft.
Familie Zeisig waren ein komplementäres Paar: Er war groß, hager bis zur Auszehrung mit eingefallener Brust und flammend rotem Haar, sie war klein, dick und straßenköterblond. Parterre wohnend und ohne Gardinen zeigten sie der ganzen Nachbarschaft bei Festbeleuchtung, wie viel Spaß man bei "Hasch mich, ich bin der Frühling" haben kann -- natürlich nackt. Gerade die, die seit 30 Jahren keinen Sex mehr gehabt hatten, redeten sich das Maul schaumig.
Frau Breitenstein war mit weit über 70 eine Quartalssäuferin wie sie im Buche stand. Sobald sie den Sozialamts-Scheck in Händen hielt, gab sie mal so richtig Kette. Die Heimkehr aus der Innenstadt, die gebrochene Reval ohne Filter auf der Lippe, verlief meist in einem Zustand forcierter Ungeordnetheit. Die Wocheneinkäufe, waren oft auf mehrere 100 Meter Nachhauseweg verteilt (wie die Trümmer eines gecrashten Flugzeugs), das Gebiss fand sich in der Regel auf dem Hof wieder - "oben" hier, "unten" da. Manchmal schlief sie auf der Gartentreppe. Frau Breitensteins Sohn, der Dauer-Alk, zog praktischerweise in das Männerwohnheim gegenüber vom EDEKA.
Männerwohnheim: Einst ein ehemaliges Kohlelager wurde es in eine Heimstatt sozial schwacher Männer ab Mitte 40 umgebaut. Jetzt wohnten hier Herren, deren erste Prioritäten nicht Körperpflege oder ein weltmännisches Auftreten waren. Oft kam es zu Schlägereien um die letzten Tropfen Spiritus oder weil jemand ins falsche Zimmer gekotzt hatte. Der Krankenwagen war ein oft gesehener Gast. Im Zuge solcher Konflikte hatte auch jemand den Sohn von Frau Breitenstein erschlagen. Die Polizei ermittelte und ermittelte, aber da quasi jeder der sturztrunkenen Bewohner infrage kam, sperrte man am Ende den ein, der den Stift halten konnte, um das Geständnis zu unterschreiben.

Der kleine 45 m²-EDEKA auf der anderen Straßenseite direkt neben der Post war das Zentrum allen Tratschs, hier liefen am Ende alle Fäden zusammen. Horst und Ulrike Jevers waren die NSA der Nachbarschaft, die Spinne im Netz. Im Grunde reichte es ihnen schon lange nicht mehr, nur zufällig Tratsch zugetragen zu bekommen. Nein, da, wo sie Wissenslücken hatten, begannen sie, ihre Kunden gezielt auszufragen. "Wie konnte Frau Heringer denn stürzen?", "Was soll Herr Mahd denn gestohlen haben?", "Warum stand gestern der Krankenwagen in Höhe der Hausnummer 141?"
Im Grunde waren alle Nachbarinnen hier Stammkunde, steuerten mit weit aufgerissenen Augen und von der Geschwindigkeit verschwommenen Mäulern die neuesten pikanten Details zu jedem noch so belanglosen Tratsch bei.
Wenn wir als Kinder von Muttern dort hin geschickt wurden, dann mussten wir uns allzeit einem peinlichen Verhör unterziehen. Widerstand war zwecklos: Man bekam einfach so lange seinen Kassenbon und das Wechselgeld nicht ausgehändigt, bis alle Fragen zur Zufriedenheit beantwortet waren. Ein Fegefeuer, nicht nur für Kinder, denn die beiden Jevers begannen auch nach guter, alter, christlicher Tradition manche ihrer Kunden aufgrund der Vielzahl unbestätigter Gerüchte wie Scheiße zu behandeln.
Zum Ausgleich gingen sie Sonntags in die Kirche.


Wann immer ich heute zum Haus meiner Mutter oder Tante komme, dann spüre ich die observierenden Blockwart-Blicke noch immer in meinem Nacken prickeln, obwohl fast niemand meiner ehemaligen Nachbarn noch am Leben ist.
Das Unwohlsein bleibt vermutlich für immer.



Siehe zu den "Jevers" auch: Blogbeitrag, mehr "Nachbarn": Blogbeitrag


Dienstag, 24. Dezember 2013

Wunder der Weihnachtszeit 3


Eigentlich geht ja nichts darüber, sich Heiligabend Mittag noch kurz vor Ladenschluss in den Einzelhandel zu stürzen. Ich mache das seit Jahren und habe es noch nie bereut. Gerade der Satiriker kann hier als teilnehmender Beobachter ganz dufte das Verhalten seiner Mitmenschen an den Definitionsrändern untersuchen.
Doch ach!
Alles ging recht zivilisiert zu, keine Spatengesichter, Hackfressen und auch keine Oberarmkonflikte um den letzten Kanister Glühwein an Rudis Reste-Rampe.
Verdammt...
Ich betrat den EDEKA in der Rathaus-Galerie. Hier waren die einzige Herausforderung drei Omas mit Rollatoren, die 1) nur ein Drittel so schnell gingen, wie man selbst, 2) Gänge verstopften und 3) entweder überraschend stehenblieben oder erratisch abbogen. Das war so eine Art Pac-Man mit langsamen Geistern, aber als Videospielidee auch nicht zu verachten. *vormerk*
Ich bekam alles, was ich kaufen wollte, stand eine Viertelstunde an und war wieder draußen...
Verdammt...
Als ich am Karlsplatz auf den Bus wartete, stand da eine Frau, leicht abgerissen. Sie lachte lauthals, wieder und wieder. Zuerst dachte ich, sie telefoniere mit Woody Allen, aber da war kein Hörer oder Headset. Nein, sie war mal sowas von grandios gut drauf, dass sie unausgesetzt Tränen lachte!
Ich ging die mir bekannten Drogen durch, kam aber am Ende darauf, dass sie wohl einen Weihnachts-Elf geraucht haben müsse, um dermaßen abnorm gut drauf zu kommen.
Wow!
War ich nicht gerade in diesem allerprofansten Moment Zeuge des Wunders der Vorweihnachtszeit geworden?
Wunder schafft die Weihnachtszeit.
Vor dem Dorf, darin verschneit
jeder Hof und jedes Haus,
Vogelbeerbaum, Nacht für Nacht
hundert Lichtlein trägt, entfacht,
die da leuchten weit hinaus.
Achtet seiner Herrlichkeit
niemand auch im Wintergraus,
bläst der Wind doch keins ihm aus,
alle strahlen dicht gereiht -
Wunder schafft die Weihnachtszeit.

(Martin Greif, 1839 - 1911)
Meine Güte!


Mehr "Wunder der Weihnachtszeit": hier.


Sonntag, 13. Oktober 2013

Albrecht Domina Gold

http://goo.gl/RJZExd 
Normalerweise habe ich als Kunde im Supermarkt genug Zeit, meine Waren aufs Band zu legen, und zwar in einer Reihenfolge, die sinnstiftend ist: die schweren Sachen nach vorne, die leichten, zerbrechlichen oder zerdrückbaren Dinge wie Eier, Obst, Salat nach hinten. Dann kann ich flott nach vorne gehen, um die kassierten Waren in den Einkaufswagen zu verstauen. Das klappt ganz hervorragend bei Penny, REWE und bei Schnarchnasen-Edeka sowieso - nirgends muss ich heutzutage länger an der Kasse stehen als dort, wo sie Lebensmittel lieben - Muahahaha!
Der Killer indes ist Aldi.
Bei Feinkost Albrecht haben sie einen dermaßen brachialen Durchsatz an der Kasse, dass ich schon meinen Plunder nicht mal vernünftig aufs Band gelegt bekomme - auch, wenn gar niemand hinter mir steht. Während ich hinten noch ächzend Lebensmittel aufs Kassenband werfe, wird vorne schon in Hochgeschwindigkeit kassiert - blip-blip-blip, Ware häuft sich, staut, bäumt sich regelrecht auf. Ich stürze herbei, um den vorderen Kassenbereich zu räumen, muss aber erst den Beutel entfalten oder die Kiste aufklappen, was die Situation arg verschärft - solches ist hier nicht vorgesehen. Der Käufer als Störfaktor in einem ansonsten perfekt optimierten System. Die seelenlose Kassiererin scannt nun bereits alle 0,75 Sekunden einen Artikel, schiebt, stapelt. Der Kunde (moi) gerät in Schweiß, versucht, die Melone nicht auf die Bio-Eier fallen zu lassen, zermalmt stattdessen die Romana-Salatherzen. Deckel springen von Joghurtbechern, die Kanten von Milchbeuteln rammen sich in Nektarinen. Kekse splittern in ihren Packungen. Ich packe und schnaufe, sehe meine Einkäufe im Einkaufswagen schon komplett vor die Hunde gehen. Die Kassiererin erhöht, ohne dass Notwendigkeit dazu bestünde, den Durchsatz noch einmal, scannt nun alle 0,6 Sekunden einen Artikel. Mir plumpst der Fleischsalat auf den Boden. Während ich mich bücke, um das Desaster zu begutachten, dreht die Kassiererin des Teufels nochmals auf, scannt jetzt pro Sekunde zwei Artikel - nicht, weil sie müsste, sondern weil sie es kann. Zu reinen Schemen verzerrte Waren flirren über den Scanner wosch-wosch-wosch, ich als Kunde verkomme derweil zum sklavischen Dienstleister einer blau bekittelten Domina an Kasse #3, die mich gerade Kraft ihrer Profession fertig macht.
Übergangslos mit dem letzten *blip* nennt die Scanner-Domina ihren Preis.
Ich räume und ächze, zücke dabei gleichzeitig auch noch die Karte, alles geht zu schnell, als dass ich noch folgen könnte oder gar darüber nachdenken, ob der genannte Preis auch nur annähernd OK ist. Schon habe ich EC-Karte und Bon in Händen, eine Grußformel verklingt, da wird schon der nächste Kunde brachial und überschnell abgewickelt. Der drängt in Panik, wie von Furien gehetzt, an den Platz, an dem ich noch beliebe mich aufzuhalten.
Die Hälfte der Nektarinen sind Matsche, dito die Salatherzen, die Kekse sind ein Gekrümel.
Den Rest des Schadens kann ich lahmer Depp ja zu Hause begutachten.
Ich ramme Bon und EC-Karte unordentlich ins Portemonnaie, versuche diesen unwirtlichsten aller Orte zu fliehen.
Vermutlich sollte ich nur noch zu Aldi gehen, wenn mein allzu übergroßes Ego mal wieder einen empfindlichen Dämpfer benötigt.
Albrecht Domina Gold.

P.S.: Wirklich megabrutal ist der ALDI Remscheid-Bergisch Born, Bornefelder Straße/Am Eichholz, ich habe es dreimal in Folge getestet: Die besorgen es dir mal so richtig!

Top-Tipp:
"Ich beschädige im Supermarkt inzwischen mit Absicht den Barcode an ein bis zwei Artikeln, damit ich an der Kasse Zeit zum Einpacken gewinne." @wawerka, Twitter
So könnte es klappen.


Donnerstag, 2. Februar 2012

Queen Mom 14 - Nix Gutes

Foto: Techniker Krankenkasse
Ich komm zur Queen Mom.
"Junge!", sacht se.
"Wie isset?", frag ich.
"Och...", sacht se.
"Gibbet denn wat Neues?", versuch ich et weiter.
"Ja, et gibt doch nur noch schreckliche Nachrichten! Man hört doch nix Gutes mehr!", sacht se.
"Ja, wat denn?", hak ich nach.
Se überlegt.
"Na, dat mitm Horst Jevers weißte doch!"
Der Horst Jevers hatte früher den 45 m²-EDEKA schräg gegenüber.
"Nee, wat denn?", frag ich.
"Na, dat der tot is!"
"Ja, ich weißet doch nich!"
"Ja, der is doch kurz nache Ulrike gestorben!"
"Ja, Herrgott, seine Frau is auch tot? Wat hatte die denn?"
"Ja, nix Gutes!"
Ach!
"Ja, un de Horst?"
"Ja, kurz drauf wie dat mit de Renate war, isser gefallen, aufn Kopp wohl. Dann hat er nur noch so durcheinander gemacht...", Mutter macht so Wischi-Waschi-Bewegungen.
"Herrje..."
"Ja, un de Margot Bohnenkamp, die hat doch Krepps, Lungenkrepps, wo die nie geraucht hat!"
"Ah, ja..."
"Ja un de Marianne Seiffer, die hat Blasenkrepps, aber dat kriegense wohl wieder hin!"
"Ah..."
"Ja un de..."
"ICH MUSS JETZT DRINGEND FAHREN, MAMA!"


Dienstag, 4. Mai 2010

Lifestyle 35 - Kleingruppenhaltung


huhn
Originally uploaded by pinke_olive
In 42477 Radevormwald hat man einen Kaufpark mit stolzen 2.200 m² Verkaufsfläche gebaut und am 30.03.10 eröffnet, nachdem man den in die Jahre gekommenen EXTRA einfach plattgemacht hatte.
Der neue Laden ist ziemlich gut sortiert. Zum Vergleich bekommt man im Akzenta in Wuppertal-Barmen vier verschiedene Sorten der mexikanischen Gewürzspinne - sogar die Roten - im Kaufpark in Rade immerhin zwei Sorten, leider nur die Mittelscharfen.
Naja, ich schlenderte so umher und schubste meinen Riesen-Einkaufswagen durch die Regal-Canyons. Wer in seiner Kindheit mit 38 m²-EDEKAs groß geworden ist (z.B. Kaiserstr. 142), in denen man nur Körbchen bekam statt Wagen und aus Platzgründen nur Cornichons statt Schlangengurken gehandelt wurden, findet's hier auf der fast 60-fachen Fläche automatisch sowas von grandios weitläufig!
Ich kam am Eierstand vorbei: Und hey, ehrlich, da gab's alles! Vom schnöden holländischen KZ-Ei bis hin zum Bio-Fair-Trade-Ovoiden von natürlich freivögelnden Hühnern! Doch plötzlich blieb mein Blick an einem Sixpack "Eier aus Kleingruppenhaltung" hängen. Aufgedruckt war ein grinsendes, Tirolerhut tragendes Ei!
Kleingruppenhaltung!
Och!
Wie reizend!
Sofort hatte ich Bilder im Kopf von pittoresken Hühner-WGs - wie zu meiner Studentenzeit! So mit runden Tischchen, Kartenspiel, Musik und Tanz!
Gekauft!
Komisch, normalerweise kaufe ich gar keine Eier...

Zu Hause habe ich schnell festgestellt, dass ich auf einen Euphemismus, ein Schönfärbewort hereingefallen bin - Kleingruppenhaltung (Link) - diese Vögel!

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Montag, 8. Februar 2010

Heimat 13 - Schicksale

Immer wenn ich in meiner Heimatstadt vom Parkhaus durch den EDEKA gehe, komme ich auf diesem Weg an einer nichtswürdigen Aufbäckerei vorbei, eine Art Pseudobäcker auf 30 m². Meistens ist dort nur eine einzige Frau mit roten Mützchen und rotem Schürzchen. Sie muss springen, wenn die Aufbackautomaten die Rohlinge (hier mehr dazu) auf ein fünffaches ihres Volumens aufgeblasen haben und sie ist auch gleichzeitig die Kellnerin für die drei Stehtische.
Dort neben den Stehtischen sitzt ein Mann in seinem Elektro-Rollstuhl. Neben ihm in Kopfhöhe sein Kaffee. Er sitzt dort wie eine Installation, sechs Tage die Woche, augenscheinlich von morgens bis abends. Laut seiner Aufkleber ist er Deutscher, hat ein Herz für Kinder und ist im Verein der Behinderten und Rollstuhlfahrer. Sein Job ist es, der einzigen Bäckereifrau von früh bis spät eine Frikadelle mit Senf an die Backe zu labern.
Ich bin nicht in der Lage zu entscheiden, welches dieser beiden Schicksale schrecklicher ist.

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