Meine Eltern waren Vielleser, sie lasen ständig etwas, auch wenn Mutter tendenziell einen Hang zum „Pilchern“ hatte. Ich habe auch immer viel gelesen, aber auch schon früh begonnen, Geschichten aus dem Bereich Phantastik selbst zu schreiben. In den frühen 2000er Jahren hatte ich eine kurze, etwas "realistischere" Phase, hier ist die Kurzgeschichte „Zweifel“ entstanden. Sie handelte von einem Mann, der völlig in seinem Hobby, der Gartenarbeit aufgeht, bis ihn alles zunehmend weniger befriedigt, ihm sein Handeln von Tag zu Tag fragwürdiger vorkommt, und die langjährigen Nachbarn von mal zu mal bedrohlicher scheinen.
Das war ein Sujet, das ich meinen Eltern "zumuten" konnte. Ich gab die wenigen Seiten meinem Vater zu lesen. Eine Woche später, als er die Geschichte nicht erwähnte, sprach ich ihn darauf an.
Das war ein Sujet, das ich meinen Eltern "zumuten" konnte. Ich gab die wenigen Seiten meinem Vater zu lesen. Eine Woche später, als er die Geschichte nicht erwähnte, sprach ich ihn darauf an.
„Nun …“, sagte er, an seiner Zigarette ziehend, „… ich habe ... die Geschichte …“, ergänzte er, Rauch ausstoßend, „… halb gelesen.“ Er drückte bestimmt seine Zigarette im großen Glas-Aschenbecher aus. „Das kannst du besser“, schloss er.
Das war das erste und letzte Mal, dass er sich dazu äußerte.
Das war das erste und letzte Mal, dass er sich dazu äußerte.
Puh! Man musste als Sohn schon hart gesotten sein!
Mein Vater war in der Zwischenzeit verstorben. Trotz seiner aufmunternden Worte reichte ich die Kurzgeschichte 2005 bei einem Wettbewerb des Videel-Verlags ein, wo sie im Oktober in der Anthologie »Gedanken im Netz 2« erschien. Ich war stolz — meine erste Veröffentlichung! Und endlich hatte ich auch mal ein ganz persönliches Weihnachtsgeschenk für meine Mutter. Ich ließ das Buch in seiner Folie, damit es nicht litt und verpackte es als Geschenk.
Weihnachten 2005 wechselte es mit einem stolzen Lächeln meinerseits den Besitzer.
2014 starb meine Mutter.
Beim Entrümpeln ihrer Wohnung entdeckte ich das Buch im Regal. Es war noch eingeschweißt.
Ich wusste es damals nicht, weiß es heute nicht, was ich dabei empfinden soll — die Vielleser hatten es einfach beide nicht geschafft.
Seitdem stand es bei mir im Regal, natürlich weiterhin in Folie — schon aus Frack.
Nun ist es verbrannt.
Ich glaube, es ist besser so.