Donnerstag, 17. September 2015

ru24 Special: PARIS (von â bis z)

photo credit: Tour de Eiffel via photopin (license)

Ampel, Fußgänger-: Erscheint an der Fußgängerampel das grüne Männchen, dann laufen alle Einheimischen in hellen Scharen über die Straße. Beim roten Männchen ebenso.

Bäckereien: Der Boulanger ist auch im dritten Jahrtausend immer noch der Ort, an dem der Franzose seine Knüppelbrote ersteht. Die schleppt er dann bündelweise unterm Arm mit nach Hause, nicht aber, ohne schon an einem herumzunagen. Doch ach! Viele Boulanger sind schon lange eine „Boulangerie et patisserie artisanale“ (Beispiel), ein lichtdurchfluteter Back-Olymp der Herrlichkeiten!!! Hier geben sich Quiche, Eclairs, Macarons und unfassbare andere Leckereien ihr Stelldichein.
Dagegen sind „Butzenbacher Landbrot“ und „Nussecke“ echt finsterstes Mittelalter.

Französische Sprache: Data, der zweite Offizier des Raumschiffs Enterprise (Star Trek TNG), nennt sie „die obskure Sprache Französisch“ und wer wollte diesem messerscharfen Verstand widersprechen (außer Picard)? Wenn man in Paris Métro (U-Bahn) fährt und die geschrieben Stationen auf dem Stationsanzeiger mit dem vergleicht, was da als Station in den Lautsprecherdurchsagen genuschelt wird, dem fällt auf: Man multipliziere einfach die Anzahl der geschriebenen Silben mal „musche“ (sprich: wie in „Garage“). Also aus der Station „Denfert-Rochereau“ der Linie M6 wird die Ansage „musche-musche-musche“. Das verstehen dann wirklich nur Franzosen. Das Ohr des Franzmannes ist also per se aufs Obskure getrimmt. Was nimmt es Wunder, dass der wiederum Touristen nicht versteht, auch, wenn sie sich redlich bemühen mit dem Radebrechen? Der Grund ist, weil sie sich redlich bemühen! Wer also meint, vor seinem Frankreich-Urlaub unbedingt noch einen Sprachkurs belegen zu müssen, kann ruhig auch die VHS-Kurse „Niederländisch“ oder „Portugiesisch“ besuchen, gerne auch „Makramee“, ist eh Latte.

Gastronomie = Unmengen winziger Bistro-Tische dicht an dicht und doppelt so viele schmale Stühlchen. Hier kommt man schon kaum zu seinem Platz, wenn alles noch unbesetzt ist. Die Läden selbst sind zwischen März und Oktober oft leer, da die Kundschaft sich draußen auf den winzigen Sitzgelegenheiten entlang des Bürgersteiges herumdrückt. Hier lässt man sich gerne nieder, denn man wird gesehen und es ist ja auch immer was los: Es hupt und bremst und qualmt und quietscht und flucht. Preislich liegt quasi alles bis 0,25 Liter bei 4,80 €, außer heißer Milch, die kostet 4,20 €. Ist der Laden urst verkehrsgünstig gelegen, d.h., man kann von der Front des Bistros gleich auch noch eine Seitenstraße einsehen und/oder es kommt mit Pauken & Trompeten die Müllabfuhr, dann kostet der Milchkaffee in der ersten Reihe "premier smog" auch mal 5,20 €. In manchen Läden sind diese Plätze zudem ausschließlich für handverlesene Stammkundschaft reserviert.
Nachdem man dir dein einziges Getränk gebracht hat, lässt die Bedienung dich den Rest des Abends links liegen. Vorteil: Man kann einen billigen Abend Wange an Wange mit dem tosenden Straßenverkehr verbringen. Nachteil: Man verbringt einem billigen Abend Wange an Wange mit dem tosenden Straßenverkehr.
Wenn Raum gleichbedeutend ist mit Luxus, dann sind nach Geschlechtern getrennte Toiletten alberner Zierrat. Also gibt's für die Gäste und das Personal nur ein einziges Scheißhaus, eine Klobrille existiert nicht und Hygiene ist Kür, nicht Pflicht.

Hustler: Touristenmagneten ziehen Touris an und diese wiederum Hustler [eng.: Gauner, Abzocker, Falschspieler]. Von dem einen und von dem anderen gibt es in Paris eine ganze Menge. Wovor man sich in Acht nehmen sollte: Scharen von Romas, die versuchen, Gutgläubige zu einer Unterschrift zu bewegen (im Nachhinein hat man alles doppelt). Besonders am Montmartre bedrängen Gruppen von farbigen Herren Touristen, indem sie ihnen ungefragt Bändchen an den Zeigefinger flechten und dann dafür abkassieren. Das ist unangenehm und macht schlechte Laune. Entlang der Seine verfolgen einen Clowns, die einem ununterbrochen unangenehm ins Ohr pfeifen – WTF? Und auf dem Weg zwischen den Trödelmärkten von Saint Ouen treiben fliegende Händler (Stichwort "acht Uhren am Unterarm") und Hütchenspieler (ernstlich!) ihr Unwesen.
Ansonsten sollte man seine Wertsachen immer fein im Auge behalten.

Kaffee: Bestellt man „un café“, bekommt man einen Espresso. Wer einen „café crème“ bestellt, bekommt einen Milchkaffee. Den gibt’s in klein (hat Espressogröße) und groß (kleine Tasse). Einmal habe ich versucht, einen Filterkaffee mit Milch zu bestellen und bekam eine knallvolle Tasse schwarzen Kaffee und ein Kännchen kalte Milch dazu. Haha, ihr lustigen Franzosen! (weiterführender Link)

ÖPNV: Am besten holt man sich einen Wochenpass für die Öffentlichen, dazu benötigt man ein Passbild. Das bringt man am besten von zu Hause mit. Ansonsten gibt es ein bissi nach Pipi riechende Passbildautomaten, die einem in genuscheltem Französisch verklickern, was jetzt gerade mal nicht allzu biometrisch war am aktellen Versuch. Wenns mal wieder länger dauert: Snickers. Zur Anfertigung des Passes z.B. unten im Gare du Nord muss man eine halbe Stunde Schlange stehen, die Frau hinter dem Schalter ist eine Hardcorebürokratin -- aber dann lüppt es immer & überall mit dem Ticket.
Während deutsche Busfahrer warten, bis alle sitzen, drückt sein französisches Pendant sofort noch während des Einsteigens der Fahrgäste beherzt aufs Gas, sodass alle herumpurzeln, vor allem Deutsche, die gerade versuchen, ihr Portemonnaie zu verstauen.

Pariser: Den männlichen Bewohner von Paris erkennt man an der Baskenmütze, der Gitanes im Mundwinkel, dem Glas Pastis und am Akkordeon. Zumindest bis etwa 1950. Pariserinnen von heute sehen alle aus wie Sophie Marceau ("La Boum - die Fête"), die Haarlänge variiert. Leider sind die Bewohner der Hauptstadt nicht synchronisiert, sodass Kommunikation unmöglich ist.

Parks: Dem Franzmann ist es anscheinend erst Park, wenn es mindestens zwei Symmetrieachsen hat, Schnirkel-Schnörkel-Hecken, Golfrasen und diverse Springbrunnen, krustig von barockem Zierrat. Aus der Luft sieht das Ganze aus wie ein (idealerweise quadratisches) Ornament (hier). Müll, Vandalismus, Rasen-betreten-verboten-Betreter und grillende Ghule wie z.B. in Berlin sucht man auf diesen ondulierten & geföhnten Golfrasen-Naherholungs-Kacheln vergebens, dafür sorgt die konsequent durchgreifende Parkaufsicht.
Im Jardin du Luxembourg hat man all diese Pracht und Fülle indes auf die Spitze getrieben – hier gibt es zusätzlich zu allem Überfluss auch noch kostenlose (Liege)stühle, Teiche mit Enten, Boule- und Schachspieler, Mini-Segelboot-Verleih und Büdchen, die warme Quiche veräußern – c'est  bon!

Sehenswürdigkeiten:
Arc de Triomphe: Grundgütiger, das Teil ist so groß wie ein kleiner Mond! Was ich nicht wusste, ist, dass man da oben drauf herumlaufen kann, hier heißt es die 284 Stufen gegen eine grandiose Aussicht abzuwägen. Champs Elysées: Trotz des weithin bekannten Liedes gleichen Namens: Bitte weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen (außer Touris und mördermäßig überteuerte Läden). Disney Land Paris: Für alle, die im Ausland hauptsächlich zu McDonald’s gehen. Hier gibt’s sauberen, turbokapitalistischen Spaß für die ganze RTL-Familie. Eiffelturm: Mon dieu, rockt der! Das gute, alte Stück kann völlig kostenlos besucht werden, wenn man nicht hoch hinaus will. Und die Aussicht wäre ohnehin doof, Paris, so ganz ohne Eiffelturm… Zum Beginn der Dämmerung an den Champs du Mars (Marsfelder) mit diversen artisanalen Patisserieprodukten auf einer Parkbank zuerst der Beleuchtung und dann dem Funkeln des Riesen zu harren, das ist hoch-romantisch. „Stadt der Liebe“ at ist’s best! (Tipp vom frisch Verheirateten.) Louvre: Meine Herren! Schon von außen einschüchternd groß. Die Ausstellungsfläche beträgt 60.000 qm, das sind 15 Fußballfelder. Im Inneren kann man hartnäckige Verklumpungen von Menschen dabei beobachten, Selfies mit der Mona Lisa (einer überschätzten Renaissance-Dame) zu schießen. Marché aux puces in Saint Ouen (puce = Floh): Hierbei handelt es sich um einen, nur von Sa-Mo geöffneten, x Hektar großen (Hallen-)Trödelmarkt, hauptsächlich für Altes & Antikes. Wenn man es an den Hustlern, Hütchenspielern, fliegenden Händlern und arg ambulanten Maiskolbengrillern vorbei geschafft hat, eröffnen sich ungeahnte Wunderwelten. Hier gibt es alles: Von der original Elvis-LP bis hin zu ausgestopften Giraffen in diversen Größen. Auch wenn man nichts kauft: Sagenhaft! Notre Dame: Der Eintritt ist frei, wer allerdings schon einige größere sakrale Gemäuer von innen gesehen hat, findet hier wenig Überraschendes. Spaß macht die ziemlich laute Bandansage in zwölf Sprachen, man solle leise sein. Für 5,00 € kann man die Schatzkammer besichtigen: schon besser! Links am Gebäude endet die Ansteh-Schlange für die 402 (keuch!) Stufen zum Turm – leider ein Muss, schon wegen der berühmten Wasserspeier und des Ausblicks wegen. Père Lachaise: Dieser Friedhof ist „eine Oase der Ruhe, nicht nur der Letzten“ (lesenswerter Artikel) und er sprengt jede Dimension! Man sollte mindestens einen halben Tag dafür einplanen – wenn einem der Sinn nach solchem steht. Hier ruhen Chopin, Edith Piaf, Jim Morrison, Oscar Wilde, Sarah Bernhardt usw., aber: Ohne arg detaillierten Plan ist das die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Place de la Concorde: riesiges Brachland mit einem (1) ägyptischen Obelisken und zwei (2) Springbrunnen eingeklemmt zwischen den Tuilerien (dem Pariser Central Park) und den Champs Elysées. Sacré-Cœur de Montmartre: Sollte man schon wegen des „œ“ besuchen. Am Fuße des Bauwerks gibt es ein altes Karussell (sehr pittoresk), auf dem Weg den Berg hinan wird man hart von (siehe ->) Hustlern angegangen, Montmartre selbst ist sehr schön, leider touristisch völlig über-erschlossen. Versailles: Der Sonnenkönig wohnte urst pompös aber auch außerhalb: Das ist ein Tagesausflug.

Stoppschild: In Paris gibt es genau so viele Stoppschilder wie Eiffeltürme, nämlich eins (1). Wer es schafft, das zu überfahren, der darf es behalten. (Link)

Straßen-Verkehr: In Paris ist kein Ort weiter als 500 m von einer U-Bahn-Station entfernt. Dennoch fahren die Pariser mit beachtlichen Mengen Motorrollern und verbeulten Autos mit mit Gaffer-Tape angeklebten Außenspiegeln in der Gegend herum. Sobald ein Fahrer einen Parkplatz findet, dann parkt er beherzt auf Gehör ein, auch, wenn das gar nicht nötig wäre, weil genügend Platz ist: der berüchtigte automobile "french kiss". Französische Autos sehen oft aus wie alte Golfbälle – nicht nur vorne und hinten.
Ein Faszinosum sind die riesigen Kreisverkehre der Städte: Sie sind gefühlt achtspurig, haben bis zu acht Zu- und Ausfahrten, dafür kommen sie ohne eine einzige Linie auf dem Asphalt aus. Das sich dem deutschen Touristen bietende Ballett aus tollkühnen Radfahrern, beherzten Moped-Piloten, wagemutigen Autofahrern und LKW-Schwerlast-Akrobaten ist Schwanensee in der praktischen Anwendung.
Passiert doch einmal ein Auffahrunfall, dann beschauen sich die beiden Monsieurs direkt vor Ort hoch entspannt das Malheur. Hat ihr verschrammtes Gefährt signifikant gelitten oder macht eine Beule mehr den Braten nun auch nicht mehr fett? Meist trennt man sich einvernehmlich.

Touristen: 30 Millionen von ihnen wimmeln jährlich durch Paris. Manchmal verfangen sich ihre Selfie-Sticks oder sie erzeugen aus der Ferne gesehen stachelschweinartige Strukturen mit ihren Selbstbildnis-Stangen (Abbildung). Zu einem großen Teil sind es hoch enthusiastische Asiaten, die versuchen, Selfies mit sich selbst vor [ALLEM] aufzunehmen (auch wenn ihr(e) Partner(in) daneben steht). Der Rest ist eine bunte Mischung aus südländischen Paaren ("sie" wabert mit Mörder-High-Heels über das Katzenkopfpflaster von Montmartre), erwachsene Disney-Enthusiasten mit Mickey-Ohrenmütze, die sich damit zum Vollhorst machen, Leute mit angeleinten Kindern und sonstige Vögel (moi).

Währung: Frühstück für zwei: 32,00 €, ein kleines Bier 4,80 €. Aufgemerkt: In Paris zahlt man mit dem französischen Euro. Dadurch wirkt vieles sehr teuer – eine Illusion.

Wohnen: Wer denkt, dass Wohnen in Köln teuer ist ("suche 4-Zimmer-Wohnung für bis zu 1.500,00 €"), der würde für die paar Piepen in der Stadt der Liebe vielleicht ein unrenoviertes Dachgeschosszimmer im 6. Stock (ohne Aufzug) eines Altbaus bekommen. Kalt.
Wen wundert's also: Wenn es sich nicht gerade um Gebäude mit Säulenportikus oder Boulevards handelt, ist Paris eng. Die Bürgersteige der Seitenstraßen sind schmal. Dort finden dennoch die Tische der beengten Bistros, schmalen Bars und winzigen Restaurants Platz, zudem Mülltonnen und Passanten in beide Richtungen. Der Pariser, der es gewohnt ist, schmal zu leben, tigert hier lässig übers Trottoir.

Zebrastreifen: Mehr Zebrastreifen als in Paris geht nicht. Leider sind sie ausschließlich Dekoration. Wenn du als Passant beim Überqueren der Straße (egal ob mit oder ohne Zebra-Deko) keinen Augenkontakt zum Heranrasenden hast: Lauf! Forrest! Lauf!


20 Dinge, die man als Tourist in Paris auf keinen Fall machen sollte (ext. Link)

Montag, 31. August 2015

Wie schreibt man eigentlich ...

Neulich bei EBAY

Wie schreibt man eigentlich ...

PACKET? Packen, packt, gepackt, Päckchen -- aber Paket. Menno! Das ist ja voll gemein! "Packet" ist nur richtig, wenn man es als veraltetenden Imperativ zu "packen" am Satzanfang verwendet: "Packet ihr Kinder, ihr Männer und Frau'n". Na, geht doch! :D

STRUCKTUR? "Struck" ist ein Stadtteil von Remscheid und Peter Struck war von 2002 bis 2005 Bundesminister der Verteidigung. Trotzdem: "Struktur".

MASCHIENE? Wenn Mütter mal wieder die "Ma-Schiene" fahren... Merke: Fremdwörter schreibt man in der Regel nicht mit "ie". Die falsche Maschinen-Schreibweise ist allerdings nützlich, wenn man Schnäppchen bei EBAY & Co. machen will: Link (zurzeit über 30.000 Treffer!) Tipp: Wenn es alle falsch machen, wird es eh bald in den Duden aufgenommen.

KORREGIEREN? Korrektur, Korrektorat aber korrigieren. Auch gemein. Aber "korregieren" ist zu korrigieren. Immer.

JALUSI: Das französische Element des Wortes Jalousie ist nicht zu unterschätzen! Aber "Jalusi"? Auch hier sind aufgrund hoch-kreativer Schreibweisen außergewöhnliche Schnäppchen bei EBAY möglich! (Link)

PYAMA? Na "fast". Das pakistanische Wort pājāmā (Sprache: Urdu) kam über das Englische ins Deutsche, da kann ja auch in Bezug auf die Schreibweise kein Auge trocken bleiben. Also dann lieber "dünner Schlanfanzug" schreiben statt Pyjama. Tipp:  ran an die "Pyama"-Schnäppchen bei EBAY! Link (zurzeit immerhin 122 Treffer)

EINZIGSTE? Der Klassiker! Aufgemerkt: Wenn man schon der einzige ist, kann nichts und niemand noch "einziger" sein. Nein, auch nicht "aller-allereinzigster". Mit "einzig" ist es übrigens wie mit "tot" und "schwanger", wo Steigerungen auch nicht gesteigert sinnstiftend sind.


Freitag, 28. August 2015

ru24 future 3: "Nationalismus-befreite Zone BRD" (2032)

photo credit: Hellersdorf: Kein sicherer Hafen für das NPD Flaggschiff! via photopin (license)

Flankiert von jubelnden Bildungsbürger-Familien jeder Hautfarbe treten in einem Sturm aus Konfetti am Morgen die letzten 1.000 unerwünschten Bundesbürger ("UBUs") ihren finalen Gang auf Deutschem Boden an, im Volksmund "Walk of Shame" genannt.
Während die Bigband der Bundeswehr feierlich "Kein schöner Land in dieser Zeit" spielt, werden die Personalausweise und Reisepässe der UBUs geshreddert, derweil werden sie in die "Liste unerwünschter Ausländer" aufgenommen. Zum 500. und letzten Mal hält Aylin Yilmaz, die Bundesministerin für Integration, ihre viel zitierte Rede: "Das Krebsgeschwür Natonalismus und Fremdenfeindlichkeit: eine Medizin". Die Tausend UBUs blöken und sabbern währenddessen verhalten an ihren fröhlich bunten Ballknebeln vorbei und rasseln mit ihren lustig umplüschten Handschellen, einige haben sich in ihre Thor Steinar-Hosen gepisst.
Im Hintergrund laufen sich die beiden Boeing 777-300ER bereits warm. Für den langen Flug nach Feuerland an der Südspitze Südamerikas werden die Maschinen in Miami nachtanken müssen.

Spätestens zu den sächsischen Asylheim-Krawallen in Heidenau im Sommer 2015 ist es den Meisten klar geworden, dass ein kleiner Teil der Deutschen Bevölkerung völlig UNDEUTSCH denkt und agiert: NPD-, REP-, PEGIDA-, Pro-Wasauchimmer-Wähler, ganz allgemein "der braune Mob". Sollte sich ein Land von einer winzigen Minderheit seiner Bewohner -- bildungsfern, zur Hälfte vorbestraft -- alles gefallen lassen? Oder sollte man vielleicht proaktiv den Spieß umdrehen? Denn statt "Ausländer raus!" sollte es doch wohl lieber "Unerwünschte Deutsche raus!" heißen. Was für ein zündender Gedanke! Es sollte noch lange Jahre dauern, bis eine Bundesregierung den Mut und die Weitsicht haben würde, ein Gesetz zu verabschieden, welches die Rechtsgrundlage dazu schaffen sollte, "Undeutsche" unwiderruflich aus Deutschland abzuschieben. Die Verhandlungen mit Chile verliefen überraschend reibungslos.

In Deutschland des Jahres 2032 müssen nun weder Synagogen noch Moscheen noch Asylantenheime von Polizeikräften beschützt werden. Die vom Krebsgeschwür des Rechtsradikalismus befreiten Landschaften, in denen Menschen nun unbehelligt vom radikalisiertem Pöbel frei leben können, blühen auf.


(Man wird ja wohl noch träumen dürfen.)


Mittwoch, 26. August 2015

zu24 history: DIE DEUTSCHE POST -- ein Abgesang (1972 bis heute)

Originalfoto

Mein Elternhaus lag schräg gegenüber vom Hauptpostamt Radevormwald. Erste Erinnerungen daran sind vielleicht von 1972. Hier gab es postgelbe Briefmarkenautomaten mit einer kurzen Metall-Kurbel, für Kinder durchaus interessant, daran herumzukurbeln. Vorne am Gebäude gab es eine postegelbe Telefonzelle mit einem grauen, superklotzigen, ultramassiven Wählscheiben-Münzfernsprecher darin. Das hier eingeworfene Geld konnte man im Gerät auf einer Rampe hinter Glas sehen, sobald eine Einheit abtelefoniert war, rutschten auch die Münzen entsprechend nach. Ein Faszinosum für Kinder! Im Vorraum des Gebäudes gab es links zwei weitere Telefonkabinen für Auslandstelefonate (incl. hoch-coolen ausländischen Telefonbüchern), rechts ging ein schlauchförmiger Raum mit hunderten von Postfächern ab. Im Hauptraum der Post gab es (damals noch) Schalter, dahinter so sorgfältig wie bedächtig arbeitende Schalterbeamte, die nie-nie-niemals aus der Ruhe zu bringen waren. Schon als Kind fiel mir auf, dass Postbeamte merkwürdig über-sorgfältig mit dem auszugebendem Postbank-Geld umgingen, gleichzeitig aber, als könne man sich daran infizieren, immer leicht angewidert dabei schauten. Vielleicht war das die viel zitierte "professionelle Distanz"? Wow! Aber an diesem wunderbaren dottergelben, waldgrünen und dunkelbraunen Ort konnte man Briefe, Pakete und Päckchen aufgeben und abholen, Geld ein- und auszahlen, Briefmarken sogar bögenweise kaufen, Sammlerzubehör erstehen, ins Ausland telefonieren oder angerufen werden. Es konnten Telegramme versandt und empfangen werden! Auch hochmoderne Faxsendungen schienen eines Tages im Bereich des Möglichen zu sein! Zudem war dies hier der Hort der bienenfleißig ausschwärmenden Postboten, die allesamt waren wie die Legende Walter Spahrbier!
1979 wurde in Deutschland auch noch offiziell der hochmoderne Faxdienst eingeführt! Yay!
Die Deutsche Post -- ein Disneyland der Möglichkeiten!

Nun, in den nächsten zehn Jahren bis zur ersten Postreform passierte nicht mehr viel, außer vielleicht, dass das ganze Ambiente hier etwas einstaubte, dort etwas abblätterte. 1993 wurde für das wiedervereinigte Deutschland die fünfstellige Postleitzahl eingeführt, Stichwort "Fünf ist Trümpf". Ein Jahr später wurden im Rahmen der zweiten Postreform die mittlerweile vereinzelten Bereiche der Post privatisiert. Es entstanden die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Post AG und die Deutsche Postbank AG -- der Anfang vom Ende.

"Auf Rendite und globale Expansion orientierte börsennotierte Konzerne wie Deutsche Post und Deutsche Telekom sind nicht mehr an kleinen Dorfpostämtern, Briefkästen mit Sonntagsleerung oder Telefonzellen in Erzgebirge oder Eifel interessiert." (Quelle)

Deutsche Telekom AG

1996 machte Manfred Krug (Link) Werbung für die T-Aktie. Krug war knorke und irgendwie konnte mit der Telekom-Aktie ja auch nicht wirklich etwas schief laufen. Tatsächlich aber fiel die "Volksaktie" von einem Wert von über 100,00 EUR (2000) auf 8,41 EUR (2002). Manfred Krug distanzierte sich später deutlich von seinem Werbetreiben und entschuldigte sich beim Kleinaktionär dafür, dass er beim Verbrennen von dessen Ersparnissen geholfen hatte (Link).
Heute hat die Telekom drei Standbeine: 1) Rentner, die nicht ahnen, dass so etwas wie "Telefonanbieter wechseln" überhaupt möglich ist. 2) Kunden, die den Anbieter gerne wechseln würden, sich aber nicht trauen, weil sie zu Recht wochenlange Ausfälle, Reibereien & Wahnsinn fürchten. 3) Das dritte Standbein der Telekom sind Telefondrückerkolonnen, die Kunden am Telefon zu "günstigeren Tarifen" animieren, die sie aber immer grundsätzlich teurer zu stehen kommen als ihr augenblicklicher Tarif. Ich gutgläubiger Depp bin auch mal darauf reingefallen. Zwei mal. Unappetitlich wird es, wenn man z.B. meiner greisen, über 80-jährigen Tante für ihr Fahrradgeschäft, welches sie mit einem 30 Jahre alten Tastentelefon und einer 40 Jahre alten, mechanischen Schreibmaschine betreibt, zusätzlich zu ihrer vor Jahren bereits aufgeschwatzten 2 MBit-DSL-Leitung noch einen "IT-Sofort-Service" für ihre nicht existenten PCs & Router aufdrängt -- weil sie es nicht schnallt.
Das ist schäbig.

Deutsche Post AG
Mit dem neuen Millennium fing es an: immer weniger Briefkästen mit immer weiter verringerten Leerungszeiten. Gegen den Widerstand der Bevölkerung begann man, das Filialnetz einzudampfen und mit Partnerunternehmen wie McPaper, Supermärkten oder Bierbüdchen zusammenzuarbeiten. Wurden anfangs nur Postfilialen in der finstersten Provinz geschlossen und durch Postagenturen ersetzt, so war es ab 2010 dann klar: Die letzten 400 verbleibenden Postfilialen würden auch noch geschlossen werden.
Von den einst stolzen 58 Postfilialen alleine in Wuppertal existiert heute keine mehr. Für den Kunden ist das eine grausame Zumutung: Die gelbe Post in Wuppertal findet nämlich nun in "Kathi's Postshop" & Co. bei prekären bis nicht existenten Parkplatz-Situationen statt, das "Amt" wurde einfach reingequetscht in ein rappelvolles Büdchen mit Minimal-Belegschaft. Und wenns mal wieder länger dauert: die Snickers dazu kann man gleich am Tresen nebenan kaufen. Im Ruhrgebiet findet man die Post nun sicherlich auch in der einen oder anderen Trinkhalle oder als Beigeschäft auf einem Schrottplatz.
Auch dies: schäbig.

Deutsche Postbank AG
Ach ja: Die heiklen Geldgeschäfte kann man als Postbank-Kunde in diesem quasi-öffentlichen Ambiente gleich mit abwickeln, "Bitte halten Sie Abstand" bedeutet in "Kathi's Postshop", "Günni's Bierbude" und "Atze's Schrott-Spot" im Durchschnitt 13 cm. "Postbank: Schließlich ist es Ihr Geld".
Brrr!

Die Deutsche Post -- in 20 Jahren Privatisierung vom leicht angestaubten Disneyland zum lausigen Drückerkolonnen- und Trinkhallen-Beigeschäft. 


Nachsatz
Wenn meine "neoliberalen Freunde" (Spaß!) wieder einmal "mehr Privatisierung" fordern (wie zurzeit u.a. in Griechenland der Fall, Liste), dann sollte man ihnen recht hart dafür aufs Mündchen schlagen. Mehrfach. Kaum etwas zeigt das Scheitern der Privatisierung von Staatsbetrieben eindrucksvoller als die Deutsche Post.


Freitag, 7. August 2015

Bürogeplänkel 57 - Bürohitze

photo credit: News Flash--Heat Bad for Productivity via photopin (license)

Es ist Sommer im Büro. Jedes Jahr ist mal Sommer im Büro. Sommer ist, wenn es draußen wie drinnen heiß ist, was eng mit der Variable "Jahreszeit" korreliert. Büro ist da, wo Menschen auf engem Raum zusammenhocken und lieber woanders wären, besonders im Sommer.
"Isso", könnte man jetzt sagen, und das Thema wäre durch.
Wenn es denn so einfach wäre ...

Offenbar gehöre ich zu einer Minderheit, die morgens im Büro aufscheint, sich hinsetzt, arbeitet, pausiert, arbeitet, um dann Abends wieder nach Hause zu fahren. Der überwiegende Rest betätigt sich zurzeit hauptberuflich als Büroklima-Klageweib.

Möglichkeiten der Klage und des Geweses:
1) sich minütlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht pusten. Ächzen.
2) Etwa alle zwei Minuten Ächzen, als habe sich während einer Hitze-Ohnmacht ein altbabylonischer Dämon namens "Zuul" des Körpers der Ächzenden bemächtigt.
3) alle fünf Minuten etwas am Ambiente regeln: Fenster auf/zu/auf Kipp, Schalousien rauf/runter, Ventilator an, auf 3, 2, 1, aus, dabei ächzen
4) alle zehn Minuten etwas über die Luft sagen: "stickig", "stückig", "dick", "schlecht", "wabert", "wie im Backofen", etc., Alternative: "es zieht" (is klar). Egal was: Ächzen!
5) Wespen. Vier mal pro Stunde: Soviel Zeit muss sein -- zwischen Wääääh! und Kraisch! kommt auf der Flucht vor den urst höllegefährlichen Killerinsekten auch während des unkontrollierten Herumwästerns in der Luft das Ächzen nicht zu kurz.
6) alle halbe Stunde: Per E-Mail den Betriebsrat fragen, ab wann es hitzefrei gibt und warum die Firma nicht genug gegen die Variable "Jahreszeit" unternimmt.

Hey! Da bekommt man den Arbeitstag schon mit rum.

Problem: Ich möchte hier einfach nur sitzen und -- notfalls -- arbeiten. An die Hitze denkt man nach einer Weile dann nicht mehr, es sei denn, die lieben Kolleginnen erinnern einen alle 27 Sekunden daran.
Ächz!


Mehr zum Thema "Wespe im Büro": Link
Mehr Blogbeiträge zu dem Thema "Hitze": Link, Link


Dienstag, 4. August 2015

Kundenbindungssysteme

photo credit: Kasse machen via photopin (license)
Bei einer großen, deutschen Baumarktkette kann man zurzeit wieder "punkten": hier heißt es für den Baumarktkunden "Sammeln, was das Zeug hält" -- leider hält es nicht sonderlich, das Zeug. Aber wenn man jetzt nur biberfleißig weitersammelt, dann kann ja schließlich alles passieren ...
Kundenbindungssystem -- das ist, wenn erwachsene Menschen an den Kassen dieser Welt kleine Aufkleber, diverse Punkte, Gummi-Saugnapf-Nopsies oder Disney-Kärtchen sammeln.
Für den Endkunden zahlt sich die Sammelwut richtig dolle aus, denn er bekommt ja kleine Aufkleber*, diverse Punkte, Gummi-Saugnapf-Nopsies oder Disney-Kärtchen dafür.
*) Für Töpfe, Pfannen, Messer und Gläser, die man dann aber trotzdem selbst bezahlen muss.

Und was bekommen Einzelhandel und Tankstellen im Gegenzug für ihre Glasperlen, mit denen sie die tumben Eingeborenen locken?
Unser Geld.
Unsere Treue
(= kein Preisvergleich mit anderen Anbietern).

Unsere Daten.
Hey! Respekt! Denn mehr ist da ja schon kaum mehr möglich!

[Da bleibt ja im Grunde nur noch "Blut", "Seele", oder dass wir unsere Erstgeborenen "Aldi-Zeeman" (Junge) oder "Penny-Shell" (Mädchen) nennen.]

Was ist nur los mit dem Belohnungssystem unseres Primatenhirns, dass wir immer wieder auf so einen Bullshit hereinfallen? Wir alle sollten uns mal ein bisschen schämen und es in Zukunft einfach sein lassen, dieses ganze kleinteilige Gedöns mit den scheiß Gummipunkten, das nur EINEN EINZIGEN Gewinner kennt. Vielleicht sollten die Eingeborenen auf die Glasperlen, die pockenverseuchten Pferdedecken und auf die scheiß Gummipunkte einfach mal pfeifen.
Ich fange spätestens nächsten Monat damit an ...


Mittwoch, 29. Juli 2015

Heißgetränkeautomaten

photo credit: Choose wisely via photopin (license)

Im Wort "Heißgetränkeautomaten" steckt ganz hinten das Wort "tomaten", was kein Zufall ist.

Mein erster Heißgetränkeautomat begegnete mir im Foyer der Turnhalle des Gymnasiums in Radevormwald, vielleicht 1981. Für Kinder war dieser schwarz-braune, flächig mit Holzimitat beklebte Klotz in der Größe eines Kleiderschrankes in der Regel nur Deko, denn für uns rangierten eisgekühlte Cola, Fanta, Lift, Sprite und Mezzo Mix haushoch vor allem anderen -- es sei denn, es war Winter. Dann stapften wir mit unseren Moon-Boots in das grausam überheizte Foyer, um uns Kakao -- und nur Kakao zu ziehen. Man warf sein 50-Pfennig-Stück in den Geldschlitz, drückte die KAKAO-Taste, schon brummte und summte das Gerät, wackelte auch ein wenig, ein ockerfarbener, geriffelter Becher plumpste in den Ausgebeschacht, dann Summ-Summ-Summ ergossen sich die diversen Komponenten des Kakaos (Heißwasser mit Milchpulver, Heißwasser mit Kakao und das Ganze retour). Zuletzt: das fertige Getränk. Traditionell umklammerte man die heißen Becher und blies hinein, sodass die Metallrandbrillen dick beschlugen. Aber: Wenn man jetzt Pech gehabt hatte, dann hatte sich der (zu allem Überfluss nur marginal sympathische) Hallenwart fünf Minuten zuvor eine Tomatensuppe gezogen -- und so schwammen jetzt etwa 30 grellorange Fettaugen auf dem Kakao.

Deshalb steckt im Wort "Heißgetränkeautomaten" ganz hinten das Wort "tomaten".


Montag, 27. Juli 2015

ru History - Flaunt It (1986)



Die Band Sigue Sigue Sputnik wurde 1983 von Tony James gegründet, einem ehemaligen Generation X-Gitarristen von Billy Idol. Den Namen der Band hatte man nach Marketing-Gesichtspunkten von einer Moskauer Streetgang übernommen, über die die Zeitung Herald Tribune in einem Artikel Anfang 1980 geschrieben hatte. Als Bandmitglieder hatte man Anfangs die bis dahin noch unbekannte Annie Lennox im Auge, konnte sich aber nicht mit der Idee einer Frontfrau anfreunden, auch Andrew Eldritch war im Gespräch, dieser musste sich aber um seine immer bekannter werdende Band Sisters of Mercy kümmern. Zuletzt fanden sich als Bandmitglieder einige unbekannte Vögel ein, die James nach Optik gecastet hatte, nicht nach Befähigung -- Hauptsache schrille Klamotten, Tattoos, Piercings und schroffe Haare (Bandbild).

1986 erschien das erste Album "Flaunt It" (Cover), übersetzt: "Wer hat, der hat", ein Kracher!
Nachdem ich die erste Auskopplung Love Missile F1-11 bei "Formel 1", moderiert von Peter Illmann, gesehen hatte, rannte ich gleich in den Plattenladen, um die die LP zu bestellen. Ich bin bis heute der einzige Mensch, den ich kenne, der sich die Scheibe damals gekauft hat. Ähem.
"Sigue Sigue Sputniks erste Single „Love Missile F1-11“ ist mit nichts zu vergleichen, was die letzten 30 Jahre an Rock & Roll hervorgebracht haben. Gewehrfeuer und Explosionen, Fragmente von Mozart, verrückte, donnerartige Gitarren-Breaks, rückwärtslaufende Vocals und tonnenweise Hall, dies alles in einem Song, der sich alle paar Sekunden verwandelt und dem Zuhörer nicht den Hauch einer Chance lässt, sich zu langweilen. Songzeilen wie "a U.S. bomb cruises overheard / there goes my love, rocket-red" spielen auf Sex und Atomkrieg an." (englischspr. Quelle)
Als Besonderheit hatte man auf dem Album die Räume zwischen den Songs als Werbeblöcke versteigert, sodass unter anderem "L'Oreal Studio Line"-Werbung oder speziell in Deutschland ein Clip für "Tempo, das neue deutsche Monatsmagazin" zwischen zwei Liedern zu hören ist.
Bei den Briten brauchte es etwas mehr als das: Um die Scheibe zu promoten, machte SSS ein Video dazu, in dem sich explodierende Raketen mit fetten, onanierenden Männern abwechselten, und hey! Das skandalverwöhnte Londoner Publikum war auch gleich begeistert und zog nach der Vorführung des Videos auf der Record-Release-Party zufrieden ab, obwohl die Show noch im vollen Gange war. Endlich: Nun hatte die Band ihren Ruf weg und wurde von den britischen Medien oft nur noch „Sick Sick Sputnik“ genannt.
Der Song hielt sich 1986 in Deutschland 15 Wochen auf Platz 3 der Singlecharts, in UK 9 Wochen. (Wikipedia)
"In ihrem Bestreben, die ultimative Rock & Roll-Fantasy zu erschaffen, waren Sigue Sigue Sputnik überaus erfolgreich. Zum einen ist es (das Album) voller gefährlicher futuristischer wie comicartiger Bildwelten, aber zum anderen, wenn man genau genug hinhört, hat es überraschenderweise trotzdem oft etwas zu sagen." (a.a.O.)
Auch die zweite Auskopplung aus dem Album, "21st Century Boy", war erfolgreich.

Samstag, 25. Juli 2015

Wir sind TEPCO

photo credit: Berlin Bundestag (unsharp) via photopin (license)

Die beliebte Firma TEPCO, das japanische Energieversorgungsunternehmen, welches für die Fukuchima-Katastrophe verantwortlich zeichnet, hat letzte Woche verkündet, dass die Atomenergie für Japan noch immer die kostengünstigste Art der Energiegewinnung ist. Und hey! Die Rechnung geht sogar auf, wenn man die Entsorgung des strahlenden Mülls und etwaige, ein bissi lästige Mega-Katastrophen und deren Beseitigung völlig außen vor lässt (und somit die wahren Kosten nicht internalisiert).
Respekt: Die Jungs von TEPCO haben echt Samurai-Eier!


Wie ist es denn bei uns?

Kleidung: Da wird die usbekische Baumwolle unter grässlichen Bedingungen angebaut, bewässert mit Grundwasser, dessen Spiegel sinkt und sinkt, derweil die Anbauflächen verzalzen, ganze Landschaften verkarsten. Zur Ernte knechtet die usbekische Regierung notfalls auch Studenten als Zwangsarbeiter. Die Baumwolle schafft es nach Pakistan, wird von Kindern gefärbt, von Kindern gesponnen, gewebt, in wackligen Sweat-Shops in 16-Stunden-Schichten, in denen man nichtmal pissen gehen darf, zu Kleidung verarbeitet, den weiten Weg zu uns gekarrt um dann in solchen Arschloch-Läden wie PRIMARK als T-Shirt zu 3,00 EUR zu verenden. Auch hier geht die Rechnung nur auf, wenn man die Arschloch-Kosten nicht internalisiert: Wenn man hier Beträge für landschaftenweite Umweltzerstörung, Sklaverei in gleich mehreren Staaten und den CO2-Ausstoß in das Shirt mit einbeziehen würde, dann könnte man es vielleicht gerade für unter 40,00 EUR bekommen. Aber so wirft die kleine PRIMARK-Bitch es vielleicht nach dem ersten Tragen weg -- warum waschen? War ja speibillig!
Und nie, nie, niemals würden meine hochwerten Kolleginnen Kleidung tragen, die bereits ein anderer Mensch zuvor getragen hat.

Fortbewegung: Noch heute gilt es in Deutschland als angesehenes Hobby, fossile Rohstoffe in Lärm, Gestank und CO2 zu verwandeln, was in etwa so zeitgemäß ist, wie Walfang, Elefantenjagd, Rauchen auf der Säuglingsstation oder Formel 1. Die Leute fahren noch im dritten Jahrtausend ernstlich mit ihren Hobby-Traktoren(!), Autos und Motorrädern (Blogbeitrag) "einfach so" in der Gegend herum, fahren SUV, amerikanische Dodge RAM, Hummer (am besten gelb lackiert mit Protzo-Klotzo-Alufelgen -- Muahaha!) oder basteln sich Sportauspuffanlagen unter ihre Karren, als wäre der scheiß Lärm, den ihre Ruhestörung auf Rädern damit emittiert, etwas Wunderbares und Wünschenswertes. Auch hier: Arschlochkosten bitte dringend internalisieren! 

Lebensmittel: Wir kaufen Wein aus Kalifornien, Chile und Australien, Birnen aus Argentinien und Knoblauch aus China -- weil es bei Penny im Angebot ist, wir essen jeden Tag Fleisch vom Discounter und wissen im Grunde alle, wie die Haltungsbedingungen für die armen Schweine (und Hühner und Puten und Rinder) sind, nur die Videos dazu können wir nicht ertragen. In Indonesien wird der Regenwald gerodet, um ihn mit Palmölplantagen in riesige, landschaftsweite Monokulturen zu verwandeln (lesenswert: Spiegel), in denen nichts mehr lebt, damit die Lebensmittelindustrie der Erste-Welt-Länder das Palmöl überall reinpanschen kann, weil es preiswerter ist als Rapsöl -- wieder nur, wenn man die Arschlochkosten nicht internalisiert.

Wo ist ein Staat, der endlich mal die Arschlochkosten mit Straf-Steuern und Straf-Zöllen für uns internalisiert?, denn wir alle zusammen benehmen uns wie dumme Kinder im Süßigkeitenladen.
Wir sind Deutschland.
Wir sind TEPCO.
Ich auch.


Lesetipps:
Leo Hickman - Fast nackt
Sarah Schill - Anständig leben


Mach mit:
http://slaveryfootprint.org/


Donnerstag, 16. Juli 2015

ru24 Wissen: Pluto

Pluto by LORRI and Ralph, 13 July 2015“ von NASA/JHUAPL/SWRI - solarsystem.nasa.gov. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
Als ich ein Kind war, konnte ich mir mit dem Merksatz "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten" die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem merken: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. Mit zehn bis zwölf bestaunte ich die Bilder, die die Voyager-Sonden zur Erde funkten: "Mit Voyager 1 und Voyager 2 (1977–1979) gelangen erstmals Vorbeiflüge am Jupiter und den Jupitermonden – und nach erfolgreichen Swing-by-Manövern die erforderliche Beschleunigung, um zum Saturn, Uranus und Neptun zu gelangen." (Link)

Die vergleichsweise hypermoderne Sonde "New Horizons" (Link) wurde am 19. Januar 2006 exklusiv zum Planeten Pluto gestartet. Doch bei einer "Neudefinition des Begriffs „Planet“ am 24. August 2006 durch die Internationale Astronomische Union (...) wurde Pluto der Planetenstatus aberkannt und den Zwergplaneten zugeordnet." (Link) Das ist ja ein wenig so wie bei dem Film: "Der Engländer, der auf einen Hügel stieg und von einem Berg herunterkam" (Link), nur umgekehrt: Die Sonde, die zu einem Planeten aufbrach, um dann neun Jahre später Fotos von einem Zwergplaneten zu machen.

Die reaktorbetriebene Sonde New Horizons wiegt so viel wie ein Konzertflügel. Auf den langen, ereignislosen Teilen der Reise zwischen 2007 und 2015 war sie in einen Winterschlaf versetzt worden. Damit die Mission wenigstens binnen eines Jahrzehnts abgewickelt werden konnte, hat man sie sehr stark beschleunigt. Am 14. Juli 2015 erreichte die Sonde den Pluto und passierte ihn mit einer Geschwindigkeit von 14,5 km/s. Das ist etwa das 20-fache der Kugel eines Militär-Gewehrs. Während des Vorbeiflugs an Pluto und seinen fünf Monden Charon, Nix, Hydra, Kerberos und Styx hielt sie mit allem drauf, was sie hatte und sammelte so viele Daten, dass es 1,5 Jahre dauern wird, diese komplett an die Erde zu funken.

Als ich 25-jährig im Juni 1992 das erste Mal in Schottland war, war es übrigens sehr ähnlich: Ich war im Überland-Bus eingeschlafen und als ich plötzlich am Arsch der Welt wieder aufwachte und etwas desorientiert aus dem Fenster schaute, kamen wir gerade am Eilean Donan Castle (Link) vorbei, der "Highlander-Burg". Reflexartig riss ich die Kamera hoch und machte ein Bild von dem Gemäuer, damals noch analog. Etwa drei Wochen später konnte ich den entwickelten Film bei Foto Kausemann in Radevormwald abholen -- tatsächlich war es überraschend passabel geworden.

Übrigens: Der neue Merksatz für die -- jetzt nur noch -- acht Planeten lautet : "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel".